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politisch ungebunden. Zum fünften Mal bewirbt sich der Lehrer Oliver Snelinski in seinem Wahlkreis Lichtenberg als unabhängiger Kandidat um ein Parlamentsmandat.

© promo

Bundestagswahl 2017: Der Einzelwahlkämpfer

Er ist Idealist, aber kein Ideologe: Oliver Snelinski tritt in Berlin-Lichtenberg zum fünften Mal als parteiloser Kandidat an.

Leute von der Seite auf Politik ansprechen, das kann er längst, das ist Routine für ihn. „Hallo“, sagt Oliver Snelinski in den Strom der S-Bahn-Fahrer, die eben in Hohenschönhausen ausgestiegen sind, „ich bin parteiunabhängiger Bundestagskandidat“. Er hält den Leuten eine Postkarte mit seinem Foto und seinen Forderungen hin. Und erstaunlich oft ist da ein bisschen Interesse, ein Moment der Aufmerksamkeit, ein Nicken.

Zum fünften Mal tritt Snelinski als parteiloser Kandidat im Wahlkreis Lichtenberg an. Dreimal, zuletzt 2016, bewarb er sich um ein Mandat des Berliner Abgeordnetenhauses; zum zweiten Mal nach 2013 bewirbt er sich um einen Sitz im Bundestag. Damit gehört er zur Handvoll derer in Berlin, die Politik nicht als Parteipolitik verstehen wollen.

Frei von Vorgaben einer Fraktion und einer Partei

Der junge Mann im blauen Anzug bleibt stehen und nimmt dann einen von Snelinskis Flyern im Postkartenformat. Ein anderer in Kapuzenjacke und Dreiviertelhose hört zu, sagt hin und wieder zustimmend „okay“ und nickt ganz angetan. Das Wort „unabhängig“ gefällt denen, die überhaupt zuzuhören bereit sind, offenbar ganz gut.

Und wenn sie zuhören, kann Snelinski seine Kernbotschaft loswerden. Dass er als Unabhängiger in Sachfragen frei entscheiden könne, frei von Vorgaben einer Fraktion und einer Partei. Dass hier im Wahlkreis den Leuten andere Dinge wichtig seien als zum Beispiel in Bayern, und er in die Politik tragen wolle, was hier wichtig sei. Dass er es gut fände, wenn es im Bundestag eine Gruppe von Unabhängigen gebe.

Er ist Idealist, aber kein Ideologe

Snelinski ist ein freundlicher Mensch, 37 Jahre alt, Lichtenberger Altbau-Bewohner, Vater von zwei Kindern, Lehrer für Sozialkunde und Sport an einem Oberstufenzentrum. Er ist ein Idealist, aber kein Ideologe oder Eiferer. Er hat nichts gegen Parteien, sein Politikverständnis geht bloß über die Parteiendemokratie hinaus – oder an ihr vorbei.

Snelinski ist Anhänger der direkten Demokratie und für bundesweite Volksentscheide. Abgeordnete sollten sich als Dienstleister der Bürger verstehen, schreibt er auf seiner Internetseite. Ein paar Prinzipien nennt er auch: Er möchte ein „bundesweit einheitliches Bildungssystem“, hochwertige Ausstattung der Schulen, eine gemeinsame Gesundheitskasse für alle Bürger, den Nulltarif im Nahverkehr und die Kommunalisierung von Wasser- und Energieversorgung. Auch ein Grundeinkommen kann er sich vorstellen.

„Lass’ mich bloß in Ruhe“

Es weht ein strammer Wind an diesem Nachmittag in Hohenschönhausen, das zum Wahlkreis Lichtenberg gehört. Doch Snelinski erwartet, dass er in der nächsten Stunde die üblichen 50 Flyer loswird. Schubweise kommen die Leute die Rampe vom S-Bahnhof hoch. Die meisten haben ihren Arbeitstag hinter sich. Manchmal schüttelt der erste, den Snelinski anspricht, unwillig den Kopf und geht weiter, und alle Folgenden machen es ebenso. „Lass’ mich bloß in Ruhe“, grollt einer. Mit der demokratischen Teilhabe kann er nichts anfangen.

Ein Wahlkampf kostet ihn bis zu 4000 Euro

Für den Wahlkampf hat Snelinski unbezahlten Urlaub genommen. Er ist als aufmerksamer Einzelkämpfer unterwegs. Wenn er von Diskussionen mit großen Kandidatenrunden hört, fragt er an, ob er auch teilnehmen kann. Manchmal ergibt sich die Gelegenheit, gleich 140 Schüler bei einer Debatte zu erreichen. Auch sein Material bezahlt er selbst – 1000 Euro für Flyer, zwei Transparente, eine Serie von Plakaten, die etwas kleiner sind als die der Konkurrenten. Allein dieser Wahlkampf kostet ihn außerdem drei- bis viertausend Euro seines Gehaltes, weil er ein paar Wochen lang nicht arbeitet.

Politisches Engagement lohnt sich

Wahlkampfkostenerstattung gebe es erst am zehn Prozent der Stimmen, sagt er. Ganz fair findet er das nicht. Deshalb will er, wenn dieser Wahlkampf vorbei ist, eine Petition beim Bundestagspräsidenten einreichen: für eine Wahlkampfkostenerstattung, die auch den Unabhängigen zugute kommt. Immerhin 3100 Stimmen habe er bei seinen bislang vier Kandidaturen bekommen, sagt er, und manchmal werde er schon wiedererkannt. Diese Wählerstimmen nimmt er als Vertrauensbeweis. Er hat keine Zweifel daran, dass politisches Engagement sich lohnt.

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