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Unentbehrlich. Vor allem in sozialen Einrichtungen, aber auch in Kirchengemeinden, sind die bundesweit derzeit rund 36.000 "Bufdis" im Einsatz.

© Patrick Pleul / picture alliance / dpa

Bundesfreiwilligendienst: Lasst viele Bufdis um uns sein

Zehn Jahre Bundesfreiwilligendienst: 400.000 Menschen haben seitdem ihren Dienst für die Gesellschaft geleistet - in Berlin besonders viele Ältere

Sie sind unentbehrlich und sie sind überall: Die aktuell 36.000 Bundesfreiwilligen sorgen sich um Menschen mit Behinderungen, um Flüchtlinge und Pflegebedürftige oder kümmern sich auch um Projekte im Kulturbereich , der Denkmalpflege oder im Naturschutz. Seit zehn Jahren sind die „Bufdis“ im Einsatz – nach dem Wegfall des allgemeinen Wehrdienstes wurde zum 1. Juli 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt. Nahezu 400.000 Menschen haben sich seitdem einen zumeist zwölfmonatigen Einsatz geleistet. Ein Dienst an der Gesellschaft und für den Zusammenhalt.

Für viele Organisationen sind sie unverzichtbar. Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg etwa zählte in dieser Zeit insgesamt 1.700 Freiwillige, die in Kitas, Krankenhäusern, in der Jugend- und Behindertenhilfe, in Altenheimen, Schulen oder in Kirchengemeinden eingesetzt wurden und werden. „Unsere Freiwilligen engagieren sich dort, wo es für unsere Gesellschaft besonders wichtig ist. Sie sammeln wertvolle Arbeitserfahrung und entwickeln sich in ihrer Persönlichkeit weiter“, so Anja Bosse, Teamkoordinatorin der Freiwilligendienste im Diakonischen Werk.

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Der Bundesfreiwilligendienst behauptet sich neben dem Freiwilligen Ökologischen Jahr oder Freiwilligen Sozialem Jahr auch deshalb, weil die Bufdis anders als beim FSJ oder FÖJ älter als 27 Jahre alt sein können. „Das Angebot wird gut angenommen: So war bisher rund jede*r zweite Freiwillige im BFD bei uns über 27 Jahre alt“, sagt Anja Bosse: „Es zeigt sich, dass der Bundesfreiwilligendienst insbesondere für Menschen interessant ist, die sich um- und neuorientieren möchten.“

Letzteres gilt möglicherweise ganz besondere für das Land Berlin. Denn hier sind 510 Bufdis von den insgesamt 1354 Freiwilligen im Einsatz schon älter als 27 Jahre – und 180 sind zwischen 50 und 65 Jahre alt; 30 sogar älter als 65 Jahre. Damit sind in Berlin nahezu 40 Prozent der aktiven Freiwilligen über 27 Jahre alt. Das ist deutlich mehr als im gesamten Bundesgebiet, wo sich nur knapp über zwanzig Prozent Ältere finden. Insgesamt sind bundesweit die Frauen, die zuvor beim Zivildienst überhaupt nicht mitmachen durften, deutlich häufiger als Männer im Einsatz – ihr Anteil beträgt nahezu 60 Prozent.

Zu den älteren Bufdis gehört mit 52 Jahren auch A., der seinen Namen nicht im Tagesspiegel lesen möchte. Er hat achtzehn Monate lang in der Kreuzberger Gemeinde der Heilig-Kreuz- und der Passionskirche gearbeitet. Für A. war die Zeit eine Weichenstellung in ein neues Berufsleben. Die 18 Monate waren gefüllt mit Hausmeister-Tätigkeiten, Fahrdiensten und vielfältigen Aufgaben im Kulturmanagement der Gemeinde mit Bühnenaufbau und technischen Aufgaben. „Das war meine Eintrittskarte, dass ich nun fest angestellt bin“, erzählt A.

Die Bufdi-Zeit als Neuanfang, denn seine langjährige Tätigkeit in der Gastronomie habe er nicht fortsetzen wollen. „Wir haben hier viel zu tun und es ist abwechslungsreich und erfüllender“, erzählt A. über seinen neuen Arbeitsplatz. Bei den Bufdi-Schulungen seien in seiner Gruppe fast alle zwischen 45 und 60 Jahren alt gewesen, erzählt A. Auch einige andere Bundesfreiwillige hätten danach eine Festanstellung bekommen.

Für Jana Budek, die beim Internationalen Jugend-Gemeinschaftsdienst IJGD die Bundesfreiwilligen an die Berliner Träger vermittelt, ist der Ex-Bufdi A. nicht ungewöhnlich. Für viele in Berlin sei der Freiwilligendienst ein "Sprungbrett" und oft genug eine zweite Lebenschance. So seien etwa Handwerker darunter, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten könnten, und sich nun im sozialen Bereich ausprobieren möchten. Gut sei, dass alle Bufdis von den Trägern ein qualifiziertes Arbeitszeugnis erhalten, mit dem man sich gut bewerben kann, sagt Jana Budek. Das gelte besonders für Menschen, die voher ALGII bezogen hätten. 

Rundweg unbeschwert gefeiert werden kann das Jubiläum nicht. So groß das Interesse am Bundesfreiwilligendienst auch ist, es gibt trotzdem einige Probleme. Denn rund ein Drittel der Teilnehmer bricht den Einsatz vorzeitig ab, ergab 2018 eine Erhebung der Bundesregierung. Viele Freiwillige hadern mit den Arbeitsbedingungen, fühlen sich unterfordert oder als billige Arbeitskraft ausgenutzt. Bemängelt werden teilweise eine schlechte Einarbeitung, mangelnde Lerneffekte oder eine fehlende Aufgabenbeschreibung.

Allerdings gibt es auch andere Gründe: Etliche Freiwillige beenden vorzeitig den Dienst, sobald die Zusage für den Studienplatz eintrudelt. Manche Träger wie der Deutsche Olympische Sportbund haben aber in den vergangenen Jahren reagiert, etwa auf den Wunsch nach präziseren Aufgabenstellungen. Durch eine klarere Seminarstruktur, individuelle Betreuung durch Pädagogen und anspruchsvolle Einsatzgebiete konnte die Abbruchquote minimiert werden, heißt es dort.

Auch das Diakonische Werk in Berlin hat zum Geburtstag einige dringende Wünsche. Einiges müsste „endlich nachgebessert werden“, sagt Anja Bosse. So habe der BFD die „Verwaltungslogik des Zivildienstes übernommen und ist nach wie vor deutlich bürokratischer aufgebaut“. Sie stört sich auch daran, dass die Bewerber*innen zum Start eine Woche politische Bildung an einem der Zentren des Bundes absolvieren müssen. „Der verpflichtende Besuch einer solchen staatlichen Institution ist ein Relikt des Zivildienstes und in dieser Form nicht zeitgemäß.“ Diese politische Bildung den bewährten Trägern zu überlassen, wäre sinnvoll. Vor allem aber wünscht sich Anja Bosse mehr Anerkennung für die Freiwilligen -  etwa in Form eines kostenlosen ÖPNV-Tickets für alle Bufdis in Deutschland.

Die Bundesfreiwilligen sind kranken- und sozialversichert und erhalten monatlich maximal 426 Euro Taschengeld. Zum Vergleich: Die FJS-ler*innen erhalten für ihren Vollzeitdienst zwischen 250 und 300 Euro im Monat. Für Freiwillige im Ökologischen Jahr gibt es in Berlin sogar 510 Euro im Monat, weil das Land die Träger mit jährlich 10.000 Euro bezuschusst.

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