zum Hauptinhalt
Bezahlbarer Wohnraum ist in Berlin Mangelware.

© Christophe Gateau/dpa

Bund bietet Flächen zum Vorzugspreis: Berlin zeigt wenig Engagement bei vergünstigten Immobilien

Das Land Berlin möchte 52 Grundstücke billig vom Bund übernehmen, lässt es aber an nötigen Begründungen fehlen. Und nur in einem Fall ist Wohnungsbau geplant.

Der Immobiliendienstleister des Bundes (Bima) verhandelt mit den Bundesländern aktuell über den Verkauf von 348 Liegenschaften, die er für entbehrlich hält. Nach einer Auflistung des Bundesfinanzministeriums haben die meisten Bundesländer ein Nutzungskonzept vorgelegt, oft geht es dabei um Spielplätze, Verkehrsflächen, vor allem aber um Wohnungsbau. Denn deutschlandweit sind die Wohnungen knapp, der Markt ist angespannt, die Mieten steigen.

Auch Berlin verhandelt mit der Bima über den Ankauf von Immobilien und Grundstücken des Bundes, insgesamt sind es aktuell 52. Doch in den meisten Fällen geht es dabei nicht um Wohnungsbau. Nur in einem einzigen Fall hat das Land Berlin der Bima erklärt, auf den zu erwerbenden Grundstücken Wohnungen errichten zu wollen. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Hagen Reinhold hervor.

Das ist nicht das einzige Auffällige in der Auflistung des Bundes zu den Grundstücken, über die derzeit die Bima mit den Ländern verhandelt. Vielmehr zeigt sich, dass alle anderen Bundesländer streng darauf bedacht sind, dem Bund ihren Bedarf genau zu erklären.

Denn die Länder kommen nur in den Genuss einer Vorzugsbehandlung durch den Bund, die den freien Markt ausblendet, wenn sie ein besonderes kommunales Interesse begründen können und in einer Zweckerklärung darlegen, warum die Liegenschaft besonders der städtebaulichen Entwicklung dient.

Verkehrswertermittlung und Verkauf laufen dann ohne ein reguläres Bieterverfahren ab. Die Kommunen sollen die Grundstücke vor allem für sozialen Wohnungsbau oder gemeinnützige Zwecke bekommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die verbilligte Abgabe ausdrücklich abgesegnet, um den sozialen Wohnungsbau zu fördern.

[Alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy mit unserer runderneuerten App: Download hier für Apple- und Android-Geräte.]

Dafür müssen die Länder einige formale Bedingungen erfüllen und Fristen einhalten. Dazu zählt etwa eine Zweckerklärung. Darin müssen die Länder und Kommunen darlegen, welchem kommunalen Zweck die Liegenschaft dienen soll. In einem weiteren Verfahren muss dem Bund ein Nutzungskonzept vorgelegt werden, damit erst kann der Verkehrswert ermittelt und über den Kaufpreis verhandelt werden.

Obwohl Berlin bei 52 Immobilien ein Erwerbsinteresse bekundet hat, reichte es nur in sieben Fällen bei der Bima eine Zweckerklärung ein. In anderen Fällen hat Berlin zwar eine Zweckerklärung vorgelegt, doch der Bund akzeptiert diese offenbar nicht und listet sie nicht auf. Für 18 Bundesimmobilien liegt keine Zweckerklärung vor.

Alle Bundesländer zeigten Engagement, Berlin tat nicht mal das Nötigste

Und in zwölf Fällen ist nicht einmal klar, was Berlin damit anfangen will – ein Nutzungskonzept fehlt. In den meisten Fällen wird zwar der Inhalt des Nutzungskonzepts vermerkt, doch eingegangen ist laut Liste des Bundesfinanzministeriums nichts. In den meisten Feldern der Tabelle des Bundes fehlen Angaben zu Berlin – in keinem anderen Bundesland ist das so massiv der Fall. Vielmehr waren der Liste zufolge alle Bundesländer sehr bemüht, die nötigen Informationen vorzulegen, nur Berlin nicht.

Auf den meisten Grundstücken des Bundes will Berlin den Angaben zufolge Kindertagesstätten, Kleingärten, Gewerbe, Grünanlagen oder Verkehrsflächen erhalten – um neue Wohnungen geht es nur in einem Fall.

Christoph Meyer, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss und Chef der Berliner Liberalen, wundert sich. Er verweist darauf, dass die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen 2020 erneut ihre Neubauziele deutlich verfehlt haben.

Christoph Meyer, FDP-Chef in Berlin.
Christoph Meyer, FDP-Chef in Berlin.

© Jörg Carstensen/dpa

„Über zusätzliche Angebote, die etwa der Bund ans Land richtet, wird im Berliner Senat allem Anschein nach nur zaghaft verhandelt", beklagt Meyer. Wenn der rot-rot-grüne Senat mit der Umsetzung von Wohnungsbauprogrammen überfordert sei, sollte er auf sein Erstzugriffsrecht verzichten, forderte der Berliner FDP-Chef, damit die Grundstücke auf dem freien Markt verkauft werden können und dann von privaten Entwicklern mit Wohnungen bebaut werden.

[Mehr aus der Hauptstadt, der Region., zu Politik, Gesellschaft und mehr Nützliches mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Meyers Fraktionskollege Hagen Reinhold erinnerte daran, dass die Bundesregierung bis Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen versprochen hatte. Davon sei man noch weit entfernt. „Daher sollte die Bundesregierung doch ein Interesse daran haben, dass genügend Bauland zur Verfügung steht. Für Schlendriane unter den Kommunen darf es daher keine Sonderregelungen geben.“

Für Berlin wäre die Nicht-Übertragung von Grundstücken besonders peinlich, weil der Senat die Neuausrichtung der Bima-Verkaufspolitik im Schulterschluss mit anderen SPD-regierten Ländern im Bundesrat erst durchgesetzt hatte. Der Verkauf des bundeseigenen Dragonerareals in Kreuzberg zum Höchstpreis konnte 2015 gestoppt werden, es folgte eine längere Debatte um die Neuausrichtung der Verkaufspolitik der Bima.

Schließlich willigte dann auch noch das Bundesfinanzministerium ein, den Bundesländern eine Art Vorkaufsrecht mit Vorzugspreis einzuräumen. Das Dragonerareal gehört inzwischen Berlin.

Zur Startseite