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Klaus Lederer (Linke, links), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Ramona Pop (Grüne)

© dpa/Kay Nietfeld

Bürgerämter und Alleinerziehende: Die Schmerzgrenze der Berliner ist erreicht

In Berlin müssen Alleinerziehende auf den Unterhaltsvorschuss monatelang warten. Wieder ein Beleg für das Berliner Behördenversagen - ein existenzbedrohender. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Vielleicht hilft den Alleinerziehenden in Berlin ja ein Blick in den Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen. Dort preisen sie sich als Koalition für „soziale Gerechtigkeit“ und „Solidarität“, die den „Menschen in den Vordergrund ihrer Politik für die ganze Stadt“ stellen werde; die „Tag für Tag hart dafür arbeitet, die Stadt für die Bürger*innen besser zu machen und den Alltag der Menschen zu erleichtern“.
Soweit der Anspruch.

Und das ist die Realität: In den Berliner Bezirksämtern stapeln sich nicht nur die Anträge auf Geburtsurkunden, auf Elterngeld, sondern jetzt auch auf den Unterhaltsvorschuss. Viele der zahlreichen Alleinerziehenden in der Stadt (immerhin ein Drittel aller Berliner Familien) wissen deshalb nicht, wovon sie die Miete bezahlen sollen, woher das Geld für den nächsten Schulausflug oder den Lebensmitteleinkauf kommen soll.
Das Bezirksamt Mitte hat jetzt vollständig kapituliert und meldet, es müsse die Unterhaltsvorschussstelle „weiterhin“ komplett geschlossen halten. Immerhin sollen die Anträge weiter bearbeitet werden. Allerdings werde dies „einige Zeit“ in Anspruch nehmen. Man weiß: „Einige Zeit“ ist in BERlin ein sehr dehnbarer Begriff.

Berliner können nur mit Mitleid rechnen

Berlin und seine Bürgerämter, seine Bürgerdienste sind mittlerweile ein Dauerbrenner in der Berichterstattung über die Hauptstadt. Sie provozieren Hohn und Spott. Wer hier eine Geburtsurkunde beantragt und nach monatelangem Warten immer noch nichts zur Krankenkasse schicken kann, darf mit Mitleid rechnen. „Ach, sie kommen aus Berlin. Klar, da kennen wir das Problem und warten.“ Däumchendrehen können sich aber nicht alle leisten.

Mit dem ausbleibenden Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende ist jetzt die Schmerzgrenze überschritten. Denn jetzt sind die Probleme existenziell geworden. Auch andere leiden. Familien, die monatelang auf die Auszahlung des Elterngelds warten. Heiratswillige, die keinen Termin beim Standesamt bekommen. Autobesitzer, die ihren Wagen nicht anmelden können, weil es auch bei der KfZ-Stelle keine Termine gibt. Und so weiter und so fort: Ausländerbehörde, Gesundheitsämter, Katasterämter – überall ist Warten oberste Bürgerpflicht. Beschwerden sind meist sinnlos. Jedes Verständnis endet aber dort, wo Behördenversagen Existenzen bedroht.

Rot-Rot-Grün sucht in Berlin noch nach Lösungen

Ja, der rot-rot-grüne Senat hat den Bezirken 1200 neue Stellen zugesichert. Aber damit kommen viele Bezirke nur auf ein Niveau von 2008 zurück – bevor Berlin in einen, damals auch notwendigen, Sparmodus verfiel. Doch die Herausforderungen heute sind größer als vor zehn Jahren. Die Stadt wächst, sie wird vielfältiger und verlangt nach kreativen, oft auch digitalen Lösungen.

Die hat Rot-Rot-Grün aber ein Jahr nach Amtsantritt noch nicht gefunden. Dass weit mehr als 60 Prozent der Berliner mit der Arbeit der Koalition unzufrieden sind, darf die Verantwortlichen nicht verwundern. Daran wird sich auch nichts ändern, solange das Berliner Behördenversagen das Leben der Menschen schwerer statt leichter macht. Der Gesamtverantwortliche für Rot-Rot-Grün, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), ist in der Pflicht. Mit einem Notfall-Plan für Alleinerziehende sollte er beginnen – damit an Weihnachten auch bei diesen Familien Geschenke unter dem Baum liegen können.

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