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Eine Bank, ein Buch - was braucht man mehr? Na, jemanden, der es geschrieben hat und nun daraus vorliest.

© Henrik Jordan

Bücherstadt Berlin: "Literatur auf Parkbänken" im Tiergarten

Spazieren, anhalten, zuhören, sich dazusetzen, weiterflanieren - so kann man an 46 Parkbänken Literatur erleben.

Auf Parkbänken wird gepicknickt, geknutscht, geschlafen, gesonnt und am heutigen Sonntagnachmittag auch: vorgelesen. Auf 46 Parkbänken zwischen Siegessäule, Schleusenkrug, Spanischer Botschaft und Altonaer Straße werden Autorinnen und Autoren sitzen und aus ihren veröffentlichten und unveröffentlichten Büchern vorlesen. Von Krimis bis zu Liebesgeschichten, von Gedichten über Kurzgeschichten bis zu philosophischen Essays ist alles dabei. Zwischen 14 und 18 Uhr verwandelt sich der Tiergarten in einen Wortgarten (Infos unter: www.literatur-auf-der-parkbank.de).

Ein Wahlberliner aus Köln hat die Veranstaltung kuratiert

„Literatur auf der Parkbank“ nennt sich die Veranstaltung, die der gebürtige Kölner und Wahlberliner Eckhard Hündgen kuratiert. „Ich mag Literatur, ich mag Menschen und ich mag die Natur“, sagt er in feinstem rheinischen Singsang. „Was liegt da näher, als all das zusammenzubringen?“ Genau das soll auf den Parkbänken im Tiergarten geschehen. Besucher können durch den Park flanieren, sich zu einem Autor auf die Parkbank setzen, zuhören, mit ihm sprechen und alle Fragen loswerden, die sie sich bei einer Wasserglaslesung im Literaturcafé nicht zu stellen trauen.

Eckhard Hündgen kuratiert die Vorleseaktion und hofft auf viele spontan Interessierte. Kostenlos und völlig zwanglos, so sieht es das Konzept vor.
Eckhard Hündgen kuratiert die Vorleseaktion und hofft auf viele spontan Interessierte. Kostenlos und völlig zwanglos, so sieht es das Konzept vor.

© privat

Eckhard Hündgen, Medienberater und Gründer der Agentur für Lebensfreude, möchte mit der Veranstaltung auch und insbesondere Menschen erreichen, die zufällig durch den Tiergarten spazieren. Menschen, die eine Lesung im Literaturhaus vielleicht gar nicht erst besuchen würden. Auch die teilnehmenden Autorinnen und Autoren sind zum Großteil nicht diejenigen, die bei Dussmann hinter dem Eingang gleich links auf dem Stapel liegen. „Wenn man sich vor Augen führt, dass heute hauptsächlich Kochbücher gekauft werden“, sagt Hündgen, der 2007 bereits die Berliner Krimitage ins Leben rief, „dann frage ich mich: Wie kann man Menschen wieder zur Literatur bringen?“ Eine Herzensangelegenheit, denn weder er noch der Rest seines Teams verdient auch nur einen Cent mit dem Projekt im Tiergarten.

Auf den Bänken darf also gefragt, gelacht und kommentiert werden. Die Parkbank wird zum Ort, an dem Lesende und Zuhörende ins Gespräch kommen sollen. Der Zugang zur Literatur soll dabei vor allem eins sein: leicht. Niemand nimmt sich allzu wichtig. Deswegen hat Hündgen Autoren eingeladen wie Fritz Hendrick Melle, der ironischerweise sowohl für den „Playboy“ geschrieben als auch beim renommierten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt gelesen hat und den Hündgen scherzhaft „Herr Wurst“ nennt. Denn Melle liest am Sonntag aus seinem 2018 erschienenen Roman „Wurst“, in dem es um toxische Männlichkeit geht und darum, wie man dem guten alten Fleischprodukt wieder zu mehr Glamour verhelfen kann.

Im Zeichen des roten Sonnenschirms

Auf einer weiteren Parkbank wird es durchaus ernster: Die in Berlin lebende afghanische Lyrikerin Sada Sultani liest aus ihren Gedichten, die sich mit Frauenrechten, Gewalt und weiblicher Erotik beschäftigen. Die 30-jährige Afghanin weiß, wovon sie spricht. Mit zwölf Jahren wurde sie zwangsverheiratet, ihr Mann war drogenabhängig. Nachdem sie sich scheiden ließ, wollte ihre Familie nichts mehr von ihr wissen. „In Deutschland erlebe ich, wie wunderbar es ist, eine Frau zu sein“, sagt sie. „Und das genieße ich.“

Für die Sichtbarkeit haben Eckhard Hündgen und sein Team natürlich gesorgt: Die Lesebänke sind durch rote Sonnenschirme schon von Weitem erkennbar. Spaziergänger können sich treiben lassen, wortwandeln und stehen bleiben, wo es ihnen beliebt. Oder sie machen sich vorab einen Plan. Auf der Webseite der Veranstaltung sind eine Karte mit den Standorten sowie Kurzinterviews der Autorinnen und Autoren zu finden.

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