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Wenn es weiter friert, könnten Berlins Wasserflächen wie hier die Rummelsburger Bucht bald zum Schlittschuhlaufen verlocken.

© Jens Kalaene / dpa

Buch über den Winter: Heiß geliebte Kälte

Winterfrust? Von wegen: Die Berliner Autorin Barbara Schaefer hat der Jahreszeit ein ganzes Buch gewidmet.

Kahle Bäume und eisige Kälte. Für viele Menschen ist der Winter eine ungeliebte Jahreszeit. Nicht so für Barbara Schaefer. Ohne die kühlen Monate würde ihr etwas fehlen. Wo andere nur Ödnis und Dunkelheit sehen, sieht sie zauberhafte Landschaften. So spaziert sie im Winter gern durch die Berliner Parks oder an der Krummen Lanke entlang, auch wenn die Bäume dann ihr Grün verloren haben. „Ich finde, dass ein Baum auch im Winter seine Schönheit hat“, sagt die Journalistin und Buchautorin, die auch für den Tagesspiegel schreibt. Es sei ja nicht so, dass einfach nur die Blätter fehlten: „Man sieht dafür die Äste.“ Der Winter habe etwas sehr Grafisches.

Im Idealfall gehört für sie zum Winter natürlich Schnee. Mit Schnee sehe vieles, was man kenne, ganz anders aus. Schnee könne etwas sehr Klares haben, aber er könne auch nebulös sein und Formen verschwimmen lassen. „Ich wohne in Kreuzberg und wenn hier der alte Friedhof in der Bergmannstraße verschneit ist, finde ich das wahnsinnig schön, darüberzuspazieren“, sagt die 57-Jährige.

Schaefer hat eine Liebeserklärung an den Winter geschrieben

Barbara Schaefer findet den Winter so toll, dass sie ein Buch über ihn geschrieben hat. Es ist eine Liebeserklärung, in der sie persönliche Glücksmomente in der kalten Jahreszeit beschreibt und dem Leser nebenbei interessante Fakten über den Winter an die Hand gibt. Zudem lässt sie Einheimische aus schneereichen Gebieten zu Wort kommen, die von Freuden und Nöten im Winter erzählen.

Mit dem Buch will Schaefer nicht nur Lust auf den Winter machen, sondern auch auf dessen Bedeutung hinweisen. Dass der Klimawandel langfristig den Winter verschwinden lassen könnte, beunruhigt Schaefer. „In unserer Klimazone brauchen wir den Winter“, mahnt sie. Eine Biologin habe das einleuchtend erklärt: „Wenn es wenig schneit und früher taut, fangen die Blumen früher an zu sprießen.“ Man denke vielleicht erst mal, das sei doch schön, „aber dann sind die Bienen noch nicht so weit, und bis die kommen, sind die Pflanzen verblüht. Dann fehlt denen was.“

„Ein verregneter Winter ist genauso unschön wie ein verregneter Sommer"

Für die Recherche war Schaefer unter anderem in Grönland und Norwegen unterwegs. „Der Winter da ist wahnsinnig faszinierend“, schwärmt sie. „Nordlicht ist ja schon großartig, und dann ist drum herum auch noch eine geschlossene, tief verschneite Landschaft.“ Schneelandschaften erinnern Barbara Schaefer an ihre Kindheit. Aufgewachsen auf der Schwäbischen Alb, lernte sie bereits mit vier Jahren Ski fahren und tut dies heute noch gern. Besonders schön findet sie es, zu Fuß über eine frisch verschneite Fläche zu laufen. „Dann kann man sich wie ein Entdecker fühlen, wie der erste Mensch, der diesen Ort betritt, das erlebt man sonst ja praktisch nicht mehr.“

Zugegeben, das Berliner Winterwetter mit Nieselregen in den vergangenen Wochen gefiel Schaefer nicht. „Ein verregneter Winter ist genauso unschön wie ein verregneter Sommer. Das will ja keiner haben“, sagt sie. Grundsätzlich aber lässt sie sich auch von so einem Wetter nicht abhalten, rauszugehen. Selbst ein Spaziergang bei fünf Grad und Nieselregen führe dazu, dass man sich hinterher wieder energiegeladen fühle.

„In unserer Klimazone brauchen wir den Winter“, sagt die Berliner Autorin Barbara Schaefer.
„In unserer Klimazone brauchen wir den Winter“, sagt die Berliner Autorin Barbara Schaefer.

© Claudia Kleine

Sobald es eisig kalt wird, findet Schaefer, die seit 20 Jahren in Berlin lebt, den Winter aber richtig toll – ob mit Schnee oder ohne. Minusgrade machen ihr nichts aus. „Es gibt ja Jacken und Mützen.“ Solange man gut eingepackt sei und das nächste Café nicht allzu weit entfernt, sei Kälte doch ein Genuss. Außerdem sei der Himmel bei solchen Temperaturen meist klar, sodass man dann selbst im Winter die Sonne erleben könne.

Der perfekte Winter ist für Barbara Schaefer „kurz und knackig“

Vergangenen Februar sei es in Berlin auch noch einmal richtig kalt geworden, erinnert sie sich. Der Schlachtensee war zugefroren, Menschen liefen Schlittschuh. „Das Eis hat dabei Töne von sich gegeben, das war gruselig, aber auch sehr schön.“ Auch an den Berliner Winter von 2011 kann sie sich noch erinnern. „Damals war sogar der Landwehrkanal zugefroren.“ Die Leute seien einfach auf dem Eis spazieren gegangen. „Das sah aus wie auf Gemälden von Pieter Bruegel von den Grachten in Holland. Das hatte schon etwas Verzauberndes“, sagt sie.

Mit den Winterbildern aus Grönland oder Norwegen sei das natürlich nicht zu vergleichen. Ein Panorama von einer Schneetour in Nordnorwegen hat sich ihr besonders eingebrannt: Von einem Berg aus habe sie auf das Meer geblickt, das inmitten einer weißen Schneelandschaft als schwarze Fläche vor ihr lag. „Es war klar, da kommt jetzt ganz lange nichts und irgendwann kommt Grönland.“ Bei dem Anblick sei ihr das Herz aufgegangen. „Das ist bei mir so wie bei anderen vielleicht an einem Palmenstrand.“

Trotzdem, aus Berlin auf Dauer nach Norwegen oder Grönland ziehen, das würde sie nicht: „Ich bin überzeugte Großstädterin.“ Ohne die vielen Menschen, Kinos und Theater würde ihr etwas fehlen. Und sie genießt den Wechsel der Jahreszeiten. Ewiger Winter, das wäre nichts für sie. Der perfekte Winter ist für Barbara Schaefer „kurz und knackig“. Spätestens ab Mitte März wünscht auch sie sich den Frühling herbei.

Barbara Schaefer: Winter – Eine Liebeserklärung. Edel Books, 224 Seiten, 18 Euro

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