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Berlin: Bubi Scholz: Der letzte Weg des Idols

Viele von ihnen haben einen weiten Weg hinter sich gelegt, und ihn doch vergebens gemacht - jedenfalls wenn man den Worten des Fernsehpfarrers glaubt. "Legenden kann man nicht begraben", sagt Jürgen Fliege.

Viele von ihnen haben einen weiten Weg hinter sich gelegt, und ihn doch vergebens gemacht - jedenfalls wenn man den Worten des Fernsehpfarrers glaubt. "Legenden kann man nicht begraben", sagt Jürgen Fliege. Vor ihm sitzt die Trauergemeinde, die Familie, Freunde, Fans und ehemalige Kollegen des Box-Idols. Fliege breitet in der Kapelle die Arme aus: "Bubi Scholz kann man nicht begraben! Wir werden daran scheitern!"

Eine gewagte Prophezeiung, die im Saal eher Beruhigung als Entsetzen auszulösen vermag. Denn die Gemeinde hat sich auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof versammelt, um dem ehemaligen Profi-Boxer Gustav "Bubi" Scholz die letzte Ehre zu erweisen. Schauspieler Günter Pfitzmann gehört zu den Gästen, der Ex-Innensenator Heinrich Lummer, der einstige Radsport-Star Otto Ziege, der frühere Eishockey-Funktionär Heinz Henschel und viele ehemalige Kollegen: Dieter Wemhöner, Gerhard Piaskowy, Horst Benedens, Frank Reiche und der zweifache Scholz-Gegner Hanswerner "Buttje" Wohlers beispielsweise. Max Schmeling, der vermutlich größte deutsche Boxer aller Zeiten, schickte einen Kranz. "Als letzten Gruß", steht darauf.

Doch nicht nur die Prominenz findet in der Kapelle Platz, auch nicht geladene, ja, sogar zufällig vorbeigekommene Gäste sind beim Abschied von der Berliner Boxer-Legende willkommen. "Kommen Sie, meine Herrschaften, weiter vorne sind noch Plätze frei!", begrüßt ein Helfer eine zaudernde Gruppe in bunten Jacken am Eingang.

Fernseh-Pfarrer Fliege sagt, dass er Scholz nur einmal getroffen hat, vor sieben Jahren in München. "Dieser Kämpfer war bereit, seine Wunde anzunehmen", sagt er über den Boxer, der in Deutschland zum Inbegriff für den Überlebenskampf nach dem Zweiten Weltkrieg wurde. Den Boxer, der sich in Prenzlauer Berg aus den Trümmern Berlins erhob und sich mit seinen Fäusten eine Existenz aufbaute. Scholz stieg auf zum Vorbild und zum Liebling der Frauen. Fliege: "Toller Mann, schöner Mann, klasse Mann - das muss man auch mal sagen!"

Sein Tod vor 16 Tagen im Alter von 70 Jahren in einem Pflegeheim am Rande der Stadt war einsamer, als der Glanz seiner besten Tage es je vermuten lassen konnte. Der einstige Schauspieler, Schlagersänger und Geschäftsmann hatte in der Berliner Gesellschaft nie wieder Fuß gefasst, nachdem er 1984 seine Frau durch die Badezimmertür erschossen hatte. Er lebte zurückgezogen in Ruhleben und ging ins Pflegeheim zur Therapie. Er hatte mehrere Herzinfarkte erlitten und war an Alzheimer erkrankt. All dies spricht Fliege an und sagt: "Wir verneigen uns vor seiner Tapferkeit, seiner Verzweiflung, seiner Angst und seinem Stolz."

Als nach einer dreiviertel Stunde die Sargträger Aufstellung nehmen, schallt das Lied "Time to Say Goodbye" durch die Kapelle. Auf dem Weg über den so genannten Prominentenfriedhof - Willy Brandt, Ernst Reuter und Otto Suhr liegen hier begraben - stützt sich die Witwe Sabine Scholz auf den Arm des Pfarrers. Derweil zieht sich die Scholz-Schwester Hildegard Schmetterling, die sich vor Jahren mit ihrer Schwägerin zerstritten hatte, unter den Trauernden in eine hintere Reihe zurück. Als am offenen Grab dann der 81-jährige Hamburger Box-Veranstalter Fritz Wiene im Namen des deutschen Boxsports das Wort ergreift, sucht die weinende Witwe Halt bei Pfitzmann.

Derweil schlagen sich die Fans des Europameisters im Mittel- und Halbschwergewicht durchs Gebüsch, um einen besseren Blick auf die Zeremonie zu erhaschen. "Ich war 1962 dabei, als er im Olympiastadion gegen Johnson kämpfte", sagt ein Herr im Lodenmantel. Flieges Worte am Grab klingen fast wie eine Antwort. "Die Legende Bubi Scholz gehört zu dieser Stadt!"

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