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Berlin: Brigitte Möckel-Csaki (Geb. 1918)

"Wenn es sich fügt, dann ist es richtig."

Auf der Kanzel eine Kerze, ringsum Dunkelheit. Oben die junge Vikarin sieht kaum, zu wem sie spricht. Die Kirche ist verdunkelt: Bombenwarnung. Es sind die Weihnachtstage 1944 in Wankheim, Kirchenbezirk Tübingen. Pfarrer Richard Gölz, Anhänger der Bekennenden Kirche, ist gerade verhaftet worden. Er hat Juden im Keller des Pfarrhauses versteckt und sitzt nun im KZ. Brigitte Csaki vertritt ihn.

Der strenge Dekan wünscht, dass wenigstens die Sonntagspredigt von einem Mann gehalten werde, und schickt einen Emeritus aus Tübingen mit einem Pferdegespann den steilen Weg nach Wankheim hinauf. Doch der Winter ist kalt und die Strecke lang: Bald darf die Frau auch sonntags predigen.

Schon 1936 erkämpfte sie sich das Recht, als erste Frau in Siebenbürgen Theologie zu studieren. Selbstbehauptung war ein Lebensthema von Brigitte Möckel-Csaki. Als Theologin, Pfarrerin, Nazi-Gegnerin, später auch als Ehefrau und Mutter.

Kein Frömmeln war es, das Brigitte Csaki Theologie studieren ließ. Es war die Hoffnung, dass die evangelische Kirche trotz ihrer vielen Mitläufer und Gleichschalter einen Raum bereithalten würde, in dem man nach anderen Regeln als denen des „Dritten Reiches“ leben konnte. In ihrem Buch „Versuche des Widerstehens“ schreibt sie: „Ich brauchte einen Kompass, um mich zurechtzufinden. Dieser Kompass wurde die Theologie Karl Barths, die Bekennende Kirche.“

1939 dann der Krieg. Sie geht nach Berlin und besucht geheime Seminare in Dahlemer Privathäusern, auch bei Helmut Gollwitzer. In der Adventszeit 1942 bereitet sie ein Kinder-Krippenspiel vor, was eine Führerin des Bundes Deutscher Mädchen (BDM) verhindern will. Möckel-Csaki schreibt später: „Sie benutzte einen pädagogischen Vorwand: Es wäre doch wohl nicht richtig, ‚auf dem Rücken der Kinder‘ die Gegensätze auszutragen zwischen dem, was ich den Kindern vermittelte, und dem, was sie sich als Ziel im BDM steckten.“ Scheinbar naiv fragt Csaki, worin denn diese Gegensätze bestünden. Als die BDM-Frau schweigt, versichert Csaki treuherzig: Wenn es tatsächlich einmal zu Schwierigkeiten käme, stünden den Kindern selbstredend auch die BDM-Führerinnen zur Seite. Das Krippenspiel fand statt.

Csakis Bilanz nach dem Krieg: Sie sei „im regen politischen Treiben von keiner Seite je zu einer Teilnahme oder Mitgliedschaft aufgefordert oder gar gedrängt“ worden. „Ich hatte es in dieser Hinsicht beinahe zu einfach.“

Nach 1945 betreut sie in Stuttgart Kriegsheimkehrer. Sie heiratet den Pfarrer Gerhard Möckel, der 1953 die deutsche Evangelische Gemeinde in Athen übernimmt. Die Pfarrfrau besucht im ganzen Land deutsche Frauen, die mit Griechen verheiratet sind. Etliche von ihnen haben es als „Soldatenbräute“ schwer gegenüber ihren Schwiegermüttern. In ihrem Athener Pfarrhaus und im Ferienhaus auf Ägina treffen sich Kirchenleute, Diplomaten und Künstler. Auch Theodor Heuss ist zu Gast.

1966 übernimmt ihr Mann die frühere Gemeinde Martin Niemöllers in Berlin-Dahlem. 1976 wird sie Pfarrerin des Berliner Frauengefängnisses, drei Jahre später trennt sich das Ehepaar. Möckel-Csaki wohnt zeitweise in einem Haus mit ihren drei Kindern Konrad, Cornelia und Johanna. Und mit ihrer Mutter, der Malerin Grete Csaki-Copony, um deren Nachlass sie sich später kümmert.

In ihrem Berliner Haus trifft sich die evangelische und die siebenbürgische Gemeinde. Oskar Pastior ist ein guter Freund der Familie; Csaki liest und schreibt für eine siebenbürgische Zeitung; Handwerker und Haushaltshilfen stammen vorzugsweise aus Siebenbürgen. „Von dort hat sie ihre Herbheit, aber auch ihre Warmherzigkeit“, sagt ein Freund der Familie, „und ihre Liberalität, aber auch ihr Unterscheiden zwischen dienstbaren Geistern und Herrschaften.“ Sie lebte ein kräftiges Leben, dessen scheinbare Widersprüche sie so kommentierte: „Wenn es sich fügt, dann ist es richtig.“ Andreas Unger

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