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Tänzer der Urban-Dance-Gruppe "Flying Steps" fliegen bei der Premiere von «Flying Pictures»

© Jörg Carstensen/dpa

Breakdance mit "Flying Pictures": Im Hamburger Bahnhof fliegen jetzt die Breakdancer

Die Show "Flying Pictures" mit Breakdance-Crew "Flying Steps" zeigt, dass abgedrehte Kunst, klassische Musik und moderner Tanz ziemlich gut zusammenpassen.

Viereckige Bilderrahmen aus LED-Leisten fahren von der Decke auf den käfigartigen Schaukasten inmitten des Raumes hinab. Sie flimmern, leuchten hellauf und bleiben irgendwann in der Luft hängen. Der Käfig – ein offener Würfel aus LED-Leisten ist die Bühne. Auf sie sind nicht nur die Augen des Publikums, sondern auch die des elf Meter hohen Riesen „B-Boy Giant“ gerichtet, der am Ende des Raumes sitzt. Die langen Arme hat die gigantische Figur in Streetstyle Kleidung und mit futuristischer Sonnenbrille geradeaus von sich gesteckt. Seine Beine ranken sechs Meter weit in den länglichen Raum hinein.

Mystisch klingen die Geräusche, die im Hintergrund von den Streich- und Zupfinstrumenten von Musikern des Berlin Music Ensembles ertönen. Der Raum versinkt im grellen blauen Licht, während der Klang des Orchesters dramatischer wird und damit auch die hohen Leisten der Bühne zum Aufleuchten bringt. Als das ganze Quadrat erstrahlt, springt der erste Tänzer im Salto auf die Bühne.

Im Retro-Jogginganzug fliegen die Tänzer über die Bühne

Ein ungewöhnlicher Auftakt, für eine ungewöhnliche Show. Die mindestens dreijährige Arbeit an „Flying Pictures“ die seit dieser Woche im Hamburger Bahnhof läuft - und beweist, dass Kunst nicht nur ins Museum, Breakdancer nicht nur auf die Straße und ein klassisches Orchester nicht nur in die Oper oder ins Konzerthaus gehören.

Inszeniert von der weltweit erfolgreichsten Urban-Dance-Crew, den Flying Steps und dem brasilianischen Kunstduo Osgemeos, verschmelzen bei „Flying Pictures“ Elemente von Kunst, Tanz und Musik. Osgemeos, das sind die Künstler und Zwillinge Gustavo und Otavio Pandolfo, die durch ihre Kombination von folkloristischen und zeitgenössischen Elementen der brasilianischen Kultur mit Graffiti, Hip-Hop, Musik und internationaler Jugendkultur bereits umfangreiche Werke geschaffen haben. Wie auch an ihren Exponaten für „Flying Pictures“ unverkennbar ist, sind Stauen in leuchtenden Farben und gelbhäutige Figuren ihr Markenzeichen.

Die Tänzerin bringt Elemente vom klassischen Ballett mit auf die Bühne.
Die Tänzerin bringt Elemente vom klassischen Ballett mit auf die Bühne.

© Jörg Carstensen/dpa

Mit Unterstützung des Choreografen-Duos Honji Wang und Sébastien Ramirez war die Idee geboren, die Gemälde mit den Breakdance-Weltmeister-Moves von Flying Steps zum Leben zu erwecken. „Dass Bilder eine Geschichte erzählen, die wir in einen Tanz bringen können, hat uns gut gefallen“, sagt Vartan Bassil, der Mitbegründer und Creative Director der Flying Steps. Mit „Flying Pictures“ knüpft er an die vergangenen Erfolgsproduktionen „Flying Bach“ und „Flying Illusion“ an. Wahrscheinlich hat man auch deshalb die Brüder Vivan und Ketan Bhatti erneut mit ins Boot geholt, die wie auch in den anderen Produktionen die Musik für „Flying Pictures“ komponiert und produziert haben. Ihre Handschrift ist das Verbinden von klassischen Kompositionen wie denen von Mussorgsky mit modernen und urbanen Beats.

Musikalisch inspiriert wurde die Produktion von dem verstorbenen Klassik-Komponisten Modest Mussorgskys, der um 1874 durch sein Klavierstück „Bilder einer Ausstellung“ bekannt wurde, das er zu Ehren an seinen verstorbenen Freund, den Maler Viktor Hartmann schrieb. Im Mittelpunkt seiner Komposition stehen zehn Bilder, die jeweils von verschiedenen Stilen und Ländern beeinflusst sind. Diesen Raum für künstlerische Interpretation wollte man aufgreifen. „Das Orchester soll sich an vielen Stellen verwandeln, das ist ja auch die Grundidee des Hip-Hop“, sagt Vivan Bhatti. Wie Klassik und Modern gemeinsam funktionieren, zeigte auch der Beatboxer Mando, der zwischendurch Schlagzeug, Beats und Scratches mit Mund und Stimme imitierte.

Für gleich mehrere Wow-Effekte hat das tänzerische Team von Flying Steps gesorgt. In bunten Retro-Jogginganzügen im Look der 80er drehten und schmissen sie sich und die Tänzer über die Bühne. Mal als Einzelperformance, mal in Gruppe oder im Battle gegeneinander antanzend. In der Luft verharrten ihre Stunts bildhaft wie ein Stillleben, bevor sie im nächsten Moment wieder auf ihren Händen landeten. Jeder Tänzer bringt seinen eigenen individuellen Stil ein. Neben diversen Breakdance- und Streetstyle-Varianten fließen Elemente des Capoeira, Contemporary oder Ballett ein und erzählen so die Geschichten der Bilder.

Am Ende gab es Standing Ovation

Eine außergewöhnliche Inszenierung wie „Flying Pictures“ lebt natürlich auch von seinem Publikum. Das wurde während der Show gleich mehrfach interaktiv mit einbezogen. Die Premiere endete deshalb nicht nur mit Standing Ovation, sondern hat auch gezeigt, dass Kreativität und Mut sich auszahlen. Im Hamburger Bahnhof hat „Flying Pictures“ ein gutes Heim dafür gefunden. Das klassizistische Bauwerk beherbergt seit 1996 bedeutende Sammlungen der zeitgenössischen Kunst. „Ein Museum muss immer neues und kreatives auf die Beine stellen. Es muss so mutig sein, wie seine Künstler“, sagt der Direktor der Nationalgalerie Udo Kittelmann vor der Premiere. Er stellte bereits für vorherige Produktionen der Flying Steps die Weichen für eine gute Zusammenarbeit.

Dass sich „Flying Pictures“ hier wohlfühlen, hat man an dem Abend nicht nur einmal gemerkt. Sie haben mit ihrer außergewöhnlichen Vorstellung bewiesen, dass Kunst in jeder Form – Miteinander und Füreinander – bereichernd ist. Und darüber hinaus, dass es keine Grenzen zwischen klassischer Musik, modernem Tanz und zeitloser Kunst gibt, weil am Ende alles miteinander verflochten ist. Sogar mit Breakdance.

Flying Pictures“, im Hamburger Bahnhof, Invalidenstraße 50-51, bis einschließlich 2. Juni immer freitags bis sonntags (2 Shows am Abend,19/21.30 Uhr) und jeden zweiten Mittwoch (19 Uhr). Karten gibt es über den Vorverkauf und an der Abendkasse. Tagsüber sind die Werke von Osgemeos für Museumsbesucher zugänglich.

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