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Osterreiter sind am Ostersonntag auch wieder nahe dem Spreewalddorf Zerkwitz bei Lübbenau unterwegs.

© Patrick Pleul/dpa

Brauchtum und Politik: Die Sorbenkinder aus der Lausitz

Sie haben viele Osterbräuche, aber auch wichtige politische Anliegen. Die kleine slawische Minderheit der Sorben sucht in Brandenburg eine neue Identität.

Von Sandra Dassler

Dass Frauen aus Ägypten, Indien oder Kolumbien sorbische Ostereier bemalen, ist selbst für die Mitarbeiter des Wendischen Museums etwas Besonderes. In den vergangenen Tagen brachten sie Wissenschaftlern und Studenten, die an einer internationalen Konferenz zum Weltkulturerbe an der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg teilnahmen, den richtigen Umgang mit Bienenwachs und Federkiel bei.

Dabei wurde auch über das Verhältnis von Brauchtum und Kultur diskutiert, wie alle Jahre wieder zu den Osterfeiertagen. Denn da stehen die Bräuche der kleinen slawischen Minderheit in der brandenburgischen Nieder- und der sächsischen Oberlausitz plötzlich im Fokus des Interesses. Vielleicht liegt es daran, dass „Stary lud“, das „Alte Volk“, so eng mit der Natur verbunden war, dass Ostern mit dem Frühlingserwachen und dem Beginn der Feldarbeiten schon immer das wichtigste Fest war. Das Ei, in vielen Kulturen Fruchtbarkeitssymbol an sich, wurde nicht nur bemalt, sondern auch verschenkt und über die Felder gerollt. Ostersingen, Osterwasser-Schöpfen, vor allem aber Oster-Reiten locken alle Jahre wieder auch eine Menge Touristen an.

Ein Wassermann erzählt Sagen der Wenden

Der Cottbuser Choreograf und Regisseur Michael Apel, der sich seit Jahren für die Belange der Sorben engagiert, nutzt das Interesse. Er wandert am heutigen Ostersonntag als Wassermann verkleidet durch die Spreewaldgemeinde Burg und erzählt Besuchern die Sagen der Wenden. „Das ist eine gute Gelegenheit, Fremden nahezubringen, wie traurig es wäre, wenn das Sorbische verschwinden würde“, sagt er.

Denn die schätzungsweise 60 000 Sorben in Deutschland kämpfen einen fast aussichtslos erscheinenden Kampf um die Erhaltung ihrer Kultur und Sprache. Zwar gibt es Sorbischunterricht und sorbische Radiosendungen, aber das allein reiche nicht aus, sagt Michael Apel. „Völker, die nur bewahren, was ist, sterben aus. Wenn sie weiter existieren wollen, müssen sie sich auch weiterentwickeln, nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft haben.“

Der Wunsch nach einer eigenen Volksvertretung

Deshalb engagiert sich Michael Apel auch dafür, dass die Sorben eine eigene, durch Wahlen demokratisch legitimierte Volksvertretung bekommen, ein Parlament, einen „Serbski Sejm“, wie die gleichnamige Initiative seit Jahren fordert. „Die Sorben brauchen wie jedes Volk ein Gremium, wo sie ihre Interessen diskutieren, ihre Meinungsverschiedenheiten ausfechten und anschließend demokratische Entscheidungen fällen können“, sagt Apel. „Da geht es eben auch um solche Fragen, an welchen Schulen Sorbisch gelehrt wird und ob man Geld lieber für neue Trachten oder die Entwicklung einer Rechtschreib-App in sorbischer Sprache ausgibt.“

Martin Walde, der Sprecher der Initiative „Serbski Sejm“, kritisiert, dass die Sorben bisher bei wichtigen Entscheidungen allenfalls ein Recht haben, gehört zu werden: „Ein – zugegebenermaßen krasses – Beispiel dafür waren die Entscheidungen, Dörfer im sorbischen Siedlungsgebiet dem Braunkohletagebau zu opfern.“

Mehr als 800 Menschen haben bereits die Petition für den Sejm unterschrieben. Ein Ältestenrat mit 14 anerkannten Persönlichkeiten, die den langen Weg zum eigenen Parlament beratend begleiten sollen, wurde inzwischen auch gewählt. Als Vorbild sollen die Wahlen zum Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden beim Brandenburger Landtag dienen. Mehr als 1200 Sorben hatten sich 2015 daran beteiligt.

Wer mehr über das „Stary lud“, das „Alte Volk“, erfahren möchte, kann am Ostersonntag ab 13 Uhr das Heimatmuseum in Dissen mit dem besonders für Familien mit Kindern geeigneten Freilichtkomplex besuchen. Bis 17 Uhr erfährt man vieles über das Leben der slawischen Minderheit, über Färbepflanzen und die Textilverarbeitung sowie die Kleidung. Und natürlich über das traditionelle Ostereier-Färben. Nach Dissen gelangt man mit dem Auto über Vetschau oder Cottbus

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