zum Hauptinhalt
Der Eingang des besetzten Hauses "Rigaer 94".

© Jörg Carstensen/dpa

Brandschutz im teilbesetzen Haus: Bezirk kassiert weitere Niederlage im Streit um Rigaer 94

Ein Gericht fand harte Worte für das Vorgehen von Baustadtrat Florian Schmidt im Bezug auf das teilbesetzte Haus. Er habe sich nicht an das Gesetz gehalten.

Im Streit um den Brandschutz im teilbesetzten Haus in der Rigaer Straße 94 hat das Grünen-geführte Bezirksamt erneut eine schwere Niederlage vor dem Verwaltungsgericht einstecken müssen.

Das Gericht bekräftigte seine Entscheidung aus der vergangenen Woche, dass Bezirksamt die Bewohner anweisen muss, eine Brandschutzprüfung durch den Eigentümer des Hauses und dessen Gutachter dulden zu müssen. Auch der rot-rot-grüne Senat hatte Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) dazu aufgefordert.

Das Verwaltungsgericht findet in seinem Beschluss vom Freitag auch deutliche Worte für das Verhalten des Bezirksamts in der Brandschutzaffäre, gemeint sind Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und Florian Schmidt.

Das Gericht bescheinigt dem Bezirksamt, sich nicht an Recht und Gesetz gehalten zu haben. Jetzt ist auch gerichtlich bestätigt, was der Tagesspiegel und andere Medien recherchiert und berichtet haben: Dass Bezirksamt ist in der Brandschutzaffäre jahrelang untätig gewesen sei, obwohl es klare Hinweise auf Brandschutzmängel gab und es zum Einschreiten verpflichtet war.

Zudem sei das Misstrauen der Eigentümer gegenüber dem Bezirksamt angebracht, befand das Gericht. Es sei auch nicht auszuschließen, dass das Bezirksamt eine umfassende Dokumentation der Brandschutzmängel sogar umgehen könnte – nämlich „aus anderen als baupolizeilichen Gründen“, also politischen.

Innensenator gibt Stadtrat schuld an Eskalation

Ausdrücklich erklärte das Gericht damit, dass alle Absprachen mit den Bewohnern der Rigaer 94, Hotspot der gewaltbereiten linksextremistischen Szene, keine Rollen spielen können. Auch Schmidts erklärtes Ziel, den für eine Begehungen nötigen Großeinsatz der Polizei zu vermeiden, erklärt das Gericht damit als völlig unerheblich, wenn es um den Brandschutz geht.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) sieht seine Kritik an der Führung des Bezirksamts bestätigt. Der Gerichtsbeschluss zeige „mit bemerkenswerter Deutlichkeit, dass das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in Sachen Brandschutz Rigaer Straße 94 seiner Verantwortung nicht nachkommt“, sagte Geisel.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

„Obwohl es um den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen geht und es deshalb keinen politischen Ermessensspielraum geben kann, versucht Florian Schmidt immer noch die mit Gewalt drohenden Bewohner der Rigaer Str. 94 vor rechtsstaatlichem Handeln zu schützen“, sagte Geisel.

Indem er eine normale und notwendige Brandsicherheitsschau politisch weiter auflade, eskaliere er die Lage. Er erwarte jetzt, „dass Baustadtrat Schmidt seine Winkelzüge sofort einstellt und endlich die rechtlichen Vorgaben erfüllt“, sagte Geisel.

„Dass ein Gericht einem Bezirksamt in Sachen Brandschutz Untätigkeit und gerechtfertigtes Misstrauen gegenüber seinem Handeln bescheinigt, wirft ein schlechtes Licht auf staatliche Institutionen.“ Das Bezirksamt müsse jetzt gemeinsam mit dem Eigentümer den Brandschutz in der Rigaer 94 durchsetzen.

Schmidt (Grüne) hatte versucht, die Entscheidungen von Gericht und Senat zu unterlaufen. In der vergangenen Woche war er vom Verwaltungsgericht auf Antrag des Eigentümers verpflichtet worden, für die Brandschutzprüfung eine Duldungsanordnung gegen die Rigaer94-Bewohner zu erlassen.

Die Brandschutzaffäre in der Rigaer 94

Noch während das Gericht tagte, schickte Schmidt eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht in das Haus. Sie erstellte eine vierseitige Liste mit Mängeln, die nun von den Bewohnern behoben werden sollen. Angeblich war das alles nichts Gravierendes: Aufgelistet sind auf dem Protokoll der „Zustandsbesichtigung“ fehlende und nicht funktionierende Brandschutztüren, lose Geländer, frei liegende Kabel, fehlende Beleuchtung in Treppenhaus und Kellergängen, eine fehlende Tür am Stromverteiler, fehlende Treppenhausfenster, vermüllte Dachböden, zugenagelte Wohnungstüren und eine Tür im Heizraum „ohne Feuerwiderstand“.

Mit dieser Liste wollte Schmidt nun das Gericht dazu bringen, dass es seinen bisherigen Beschluss ändern. Der Tenor: Die Begehung durch die Bauaufsicht habe gezeigt, dass keine Gefahr besteht. Dabei hatte das Gericht schon in der vergangenen Wochen entschieden, dass es unerheblich sei, ob und was die Bauaufsicht feststellt.

Der Eigentümer habe nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, selbst das Haus zu betreten und den gesamten Komplex auf Brandschutzmängel zu prüfen – auch die Wohnungen.

Keine Fluchtwege, fehlerhafte Elektrik

Es sei auch „unerfindlich“, wie die Begehung des Gebäudes durch das Bezirksamt ein umfassendes Gutachten durch einen – vom Eigentümer beauftragten - Sachverständigen ersetzen solle. Der Hauseigentümer müsse und könne sich nicht auf Feststellungen des Bezirksamtes verlassen.

„Ein Misstrauen der Eigentümerin erscheine im Hinblick auf die Untätigkeit der Behörde in der Vergangenheit gerechtfertigt“, entschied das Gericht.  Seit langem gibt es auf politischer Ebene Streit wegen des Brandschutzes in dem verbarrikadierten Gebäude, das als eines der letzten Symbole der linksextremen Szene in Berlin gilt.

In dem Haus waren zahlreiche Mängel dokumentiert worden: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern.

Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) hatt Schmidt erst am Mittwoch scharf  angegriffen. Er sei „fassungslos“ über dessen Agieren. „Ich hätte mir wirklich in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass sich eine Verwaltung in unserem Land so verhält.“

Er „spielt damit nur einer Gruppe in die Hände, nämlich gewaltbereiten Linksextremisten“. Seit 2016 wussten Schmidt und Herrmann von Hinweisen auf massive Brandschutzprobleme, jahrelang hinderte er Mitarbeiter daran, ein Verfahren einzuleiten.

Am Ende war Schmidt, nachdem die Innenverwaltung die Bezirksaufsicht einschaltete, zum Einschreiten gezwungen. Trotz mehrere Entscheidungen verschiedene Gerichte in den vergangenen Wochen, wonach der Eigentümer und dessen Gutachter das Haus überprüfen müssen, hat Schmidt das bislang hinauszögern können.  Jetzt läuft es auf einen Polizeieinsatz im Frühjahr hinaus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false