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Symbol des linksautonomen Berlins: das Haus Rigaer Straße 94 im Friedrichshainer Nordkiez.

© Paul Zinken/dpa

Brandschutz-Affäre in Friedrichshain: Schmidt wollte Rigaer 94 nicht begehen – und täuschte Herrmann den Innensenator?

Trotz Polizeischutz wollte Baustadtrat Schmidt Baumängel nicht begutachten. Und Bezirksbürgermeisterin Herrmann gab dem Innensenator eine kuriose Auskunft.

In der Brandschutz-Affäre im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) offenbar nicht einmal selbst die Chance genutzt, sich ein Bild von den Zuständen im teilbesetzten Haus in der Rigaer Straße 94 zu machen.

Dabei hat er mehrere Jahre die Mitarbeiter der Bauaufsicht ausgebremst – trotz fehlender Nachweise über die Behebung von Brandschutzmängeln. Die Anfang 2016 von der Polizei vorgelegten Hinweise auf Brandschutzmängel wurden so nie überprüft.

Schmidt war am 9. Juli an der Rigaer Straße 94, als dort die Polizei das Gebäude durchsucht hat. Laut Innenverwaltung wurde Schmidt „die Möglichkeit gegeben, das Gebäude zur Vorbereitung von bauordnungs- und brandschutzrechtlichen Maßnahmen in Augenschein zu nehmen“.

Doch Schmidt hat sich nur die Stahltür im Eingangsbereich angesehen, er habe diese „nicht als Gefahrenquelle identifiziert“, sagt er. Die anderen Gefahrenstellen – fehlende Treppengeländer, Türen, für Rettungskräfte im Notfall nicht überwindbare Türen und Wanddurchbrüche – sah sich Schmidt nicht an.

Für eine „Mängelfeststellung (...) ist ein öffentlich bestellter Brandschutzprüfer mit den notwendigen Unterlagen und Bauplänen notwendig“, sagte eine Sprecherin des Bezirksamtes. Eine solche Prüfung könne „nicht ad-hoc nach einem morgendlichen Anruf“ der Polizei vorgenommen werden.

Nur in Sorge um den öffentlichen Frieden? Der grüne Baustadtrat Florian Schmidt.
Nur in Sorge um den öffentlichen Frieden? Der grüne Baustadtrat Florian Schmidt.

© Britta Pedersen/dpa

Ein Mitarbeiter der Bauaufsicht hatte bei einer früheren Durchsuchung im November 2018 allerdings genau das getan: Mängel festgestellt und darauf gepocht, dass er ein ordnungsrechtliches Verfahren eröffnen muss. Was das Bezirksamt überhaupt unternommen hat und ob das jahrelange Stillhalten rechtens war, wird inzwischen von der Innenverwaltung geprüft.

Anstatt ein Verfahren wegen der Brandschutzmängel zu eröffnen, wurden den Mitarbeitern über das Büro von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) undatierte Fotos vorgelegt. Die sollten beweisen, dass Mängel abgestellt seien.

Florian Schmidt, Monika Herrmann, die Bauaufsicht und die Rigaer 94

  • Im Februar 2016 informierte die Polizei die Bezirksbürgermeisterin über Brandschutzmängel
  • Eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht durfte nicht zu einem Treffen mit Polizei und Feuerwehr
  • Mehrfach untersagte der Baustadtrat der Bauaufsicht, ein ordnungsbehördliches Verfahren zu eröffnen.
  • Ein Beamter protestierte dagegen förmlich, weil er nach dem Gesetz ein Einschreiten für nötig hält
  • Nun prüft Innensenator Geisel, ob das Bezirksamt seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr nachgekommen ist.
  • Die ganze Story: Chronik eines Rechtsbruchsso schützte Florian Schmidt die Autonomen in der Rigaer 94.

Auch Schmidt ließ sich Fotos vom Anwalt der Bewohner des Hauses, Hotspot der gewaltbereiten linksextremistischen Szene, vorlegen. Überprüfen konnten die Beamten die Angaben nicht. Zumal der Eigentümer in die Pflicht genommen werden muss, nicht die Bewohner.

Anfang Februar 2016 hatte die Polizei die Bezirksbürgermeisterin über Brandschutzmängel und Umbauten in der Rigaer 94 informiert, wodurch Rettungskräften teils der Zugang komplett versperrt sei. Der damalige Leiter der Polizeidirektion 5, Michael Krömer, bat darum, die Gefahren zu beseitigen.

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Nach einer offiziellen Einladung der Polizei sagte das Bezirksamt einige Tage später ein Gespräch über die Baumängel mit Polizei und Feuerwehr ab. Den Akten zufolge wies die Bezirksbürgermeisterin eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht an, der Einladung nicht zu folgen.

Mit dem Segen der Bezirksbürgermeisterin: Monika Herrmann (Grüne) unterstützte Schmidts Linie.
Mit dem Segen der Bezirksbürgermeisterin: Monika Herrmann (Grüne) unterstützte Schmidts Linie.

© Christoph Soeder/dpa

Stattdessen schrieb Herrmann am 20. Juni 2017 an Innensenator Andreas Geisel (SPD), dem Bezirksamt lägen keine Informationen vor, „die ein behördliches Einschreiten rechtfertigen würden“. Es bestünden „brandschutztechnisch keine Bedenken“. Ein Sachverständiger habe Verstöße gegen den Brandschutz widerlegt. Dass es im Gutachten nur um Wanddurchbrüche ging, verschwieg sie.

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Herrmanns Darstellung entsprach jedenfalls nach Darstellung der ihr unterstehenden Fachleute im Bezirksamt nicht der Wahrheit. Einen Monat nach dem Brief der Bezirksbürgermeisterin an den Innensenator schrieb ein Mitarbeiter der Bauaufsicht am 12. Juli 2017 an Baustadtrat Schmidt, er müsse jetzt einschreiten und ein Verfahren gegen den Eigentümer eröffnen.

„Untätig zu bleiben ist für die Bauaufsicht nicht verantwortbar, wenn brandschutztechnische Mängel bekannt sind“, schrieb der Mitarbeiter der Bauaufsicht. Schmidt wies ihn danach bis 2019 mehrfach an, nichts zu unternehmen.

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sagte, es sei unerträglich, wie das Bezirksamt seit Jahren geltendes Recht breche. „Es muss Recht durchsetzen wie bei jedem anderen Haus“, sagte Dregger.

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