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Brandenburgs FDP-Chefin: „In Prenzlau ohne Berg ist das Auto unverzichtbar“

Linda Teuteberg über die Corona-Krisenpolitik, den Kampf gegen Rechts und ihre Ideen für Wohnungsbau und Verkehr.


Linda Teuteberg ist Vorsitzende der FDP in Brandenburg und Abgeordnete im Bundestag. Die 40-jährige Rechtsanwältin stammt aus Königs Wusterhausen.

Frau Teuteberg, die FDP steht in Brandenburg wieder bei sieben Prozent. Wie haben Sie denn das geschafft?
Das ist eine sehr erfreuliche Momentaufnahme, die uns zuversichtlich stimmt. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger erkennen offenbar an, dass wir mit unserer politischen Arbeit zeigen, dass es einen Unterschied zwischen entschlossener und kluger Pandemiebekämpfung einerseits und einer schleichenden Gewöhnung an das Übermaß andererseits gibt. Als Freie Demokraten hinterfragen wir kritisch, welche Maßnahmen verhältnismäßig sind und einen Effekt für den notwendigen Infektionsschutz haben und welche Maßnahmen zu tief in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen. Dabei machen wir konstruktiv eigene Vorschläge.

Gleichzeitig wird die politische Landschaft in Deutschland aber immer zersplitterter. Am kommenden Wochenende, in Sachsen-Anhalt, könnte am Ende eine Koalition aus vier Parteien nötig werden...
Es ist eine Herausforderung, verantwortungsvoll mit dieser Situation umzugehen und sollte vor allem dazu führen, dass wir eine bessere Debattenkultur an den Tag legen. Dabei darf man sich von einer selbsternannten Alternative nicht die Agenda bestimmen lassen. Jede politische Kraft muss nach ihrem politischen Kompass eigenständig entscheiden, welche Fragestellungen sie für relevant hält und was ihre Antworten darauf sind.

Wer die Relevanz von Themen und Akzeptanz von Vorschlägen davon abhängig macht, was andere sagen, gibt Letzteren eine ungeheure Aufmerksamkeit und Deutungsmacht. Ob ein Thema wichtig oder ein Tabu ist, darf nicht davon abhängen, wie die AfD mit diesem Thema umgeht. Ich bin nicht bereit, ihr eine solche Deutungshoheit zu überlassen.

Was heißt das konkret?
Das heißt konkret, dass der Verweis darauf, dass ein Thema auch von der AfD angesprochen wird, kein Argument in der Sache ist. Weder beweist das die Relevanz des jeweiligen Themas noch rechtfertigt es seine Tabuisierung. Wir müssen die Probleme, die Menschen in unserem Land haben, realistisch ansprechen und um Lösungen ringen, statt reflexhaft auf andere zu reagieren.

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Brandenburgs FDP-Chefin Linda Teuteberg hält nichts von den Berliner Enteignungsdebatten - und will mehr bauen.
Brandenburgs FDP-Chefin Linda Teuteberg hält nichts von den Berliner Enteignungsdebatten - und will mehr bauen.

© Mike Wolff

In Brandenburg ist es ja besonders die SPD, die sich über den Kampf gegen die AfD definiert. Ist das also der richtige Weg?
Wir brauchen als Gesellschaft und als Rechtsstaat den 360-Grad-Blick und ein entschlossenes Eintreten gegen jede Art von Extremismus - von rechts, von links, religiös motiviert. Aber der Kampf gegen Extremismus ist keine alleinige politische Legitimation. Aufgabe jeder Partei ist es, die Wähler durch konstruktive Vorschläge und ihre eigenen Konzepte für die Themen unseres Landes überzeugen. Der Kampf gegen Extremismus ist unbedingt notwendig. Wer ihn aber ernst meint, monopolisiert ihn nicht. Und gerade wer regiert, muss mehr zu bieten haben als Profilierung über die Bekämpfung anderer. Die beste Verteidigung der Demokratie besteht darin, ihre Lern- und Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

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Was vermissen Sie denn bei der derzeitigen Landesregierung?
Ein funktionierendes Impfmanagement: Da herrscht bei der Landesregierung Ahnungs- und Planlosigkeit. Unser Bundesland steht mit seinen Impfquoten im Vergleich ganz weit hinten. Es reicht nicht aus, wenn Dietmar Woidke mit der Absicht in einen Impfgipfel geht, sich zu erkundigen, warum das so sei. Die Hausaufgaben müssen in Brandenburg selbst gemacht werden. Die Landesregierung muss die Fehler finden und abstellen. Das ist die eigene Verantwortung der Kenia-Koalition und da gibt sie kein gutes Bild ab.

War es falsch, das Impfmanagement beim Innenministerium anzusiedeln? Hätte es eher in die Staatskanzlei gehört?
Am Ende kommt es auf die Ergebnisse an und der Ministerpräsident trägt die Verantwortung dafür, wie er sein Kabinett organisiert. Entscheidend ist für uns Freie Demokraten, dass es Verlässlichkeit und Öffnungsperspektiven für die Bürgerinnen und Bürger gibt. Das gilt für die Schülerinnen und Schüler und ihre Bildungschancen ebenso wie für die Wirtschaft. Durchhalteparolen oder Schuldzuweisungen an andere helfen da nicht. Und was ich mir wirklich wünschen würde, wäre auch etwas mehr Demut.

Wie meinen Sie das?
Die Mittel, mit denen all die Corona-Hilfen nun finanziert werden, kommen ja nicht von irgendwo her. Sie sind durch die Steuerzahler aufgebracht und zuvor durch Unternehmer, Freiberufler und Arbeitnehmer in diesem Land erwirtschaftet worden. Dass die Politik dank ihrer Steuern handlungsfähig ist, sollte nichts sein, wofür man sich als Politiker rühmt, wenn man diese Mittel auszahlt. Und das auch noch bei aller Bazooka-Rhetorik so schlecht organisiert, dass im Februar die Novemberhilfen noch nicht da waren.

Was hätte denn die Politik stattdessen machen sollen?
Als FDP haben wir schon zu Beginn der Pandemie den Vorschlag gemacht, einen erweiterten steuerlichen Verlustrücktrag durchzuführen. Da hätte es weit weniger Bürokratie und Missbrauchsmöglichkeiten gegeben, denn die Informationen liegen bei den Finanzämtern ja vor. Stattdessen hätten Unternehmen, deren Geschäftsmodell vor Corona funktioniert hat, schnell Liquidität erhalten und es wäre denen geholfen worden, die vorher gut gewirtschaftet und entsprechend auch hohe Steuern und Beiträge gezahlt haben. Das wäre eine pragmatische Lösung gewesen, die aber weder der Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat der SPD noch die Brandenburger Koalitionsparteien unterstützt haben.

Sie sprechen von denen, die vor der Krise gut gewirtschaftet haben – ist die Krise vielleicht auch eine nötige Marktbereinigung? Ist es wirklich nur negativ zu bewerten, wenn manche Firmen jetzt pleite gehen?
Der Staat kann in der Krise vorübergehend Einkommen ersetzen. Er sorgt aber nicht selbst für die Wertschöpfung durch marktwirtschaftliche Dynamik, die wir dringend brauchen. Das wissen übrigens auch die Menschen in der Lausitz: Mit Subventionen und Behördenarbeitsplätzen lässt sich nicht auffangen, was gut bezahlte Industriearbeitsplätze für eine Region bedeuten.

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Deswegen ist es wichtig, hier zu unterscheiden: Es gibt viele Schicksale von Menschen, die sich etwas aufgebaut haben und erst durch die Pandemie in Existenznot geraten sind. Da würde ich nicht von Marktbereinigung sprechen, das wäre zynisch. Es wäre auch falsch, weil die Folgen der Lockdowns ja keine Folgen von Marktwirtschaft, sondern Auswirkungen staatlicher Reaktionen auf eine Pandemie sind. Aber: Wir haben natürlich die Verantwortung, nicht mit Steuergeldern etwas künstlich am Leben zu erhalten, was nicht tragfähig ist. Vielmehr müssen wir jetzt die Weichen dafür stellen, aus der Krise herauszuwachsen und wirtschaftlich wieder aufzuholen.

Ein anderes Thema: Auch in Brandenburg werden bezahlbare Wohnungen immer rarer. In Berlin wird über Enteignungen debattiert...
Davon halte ich gar nichts. Gerade wir in Ostdeutschland wissen doch, was eine Politik, die auf so einem Gedankengut basiert, bedeutet. Wie unsere Innenstädte vor 30 Jahren aussahen, zeigt, was passiert, wenn man von der Substanz lebt. Wenn sich das Vermieten nicht lohnt und die Eigentümer die Instandhaltung nicht aus den Mieten finanzieren können. Wir brauchen mehr Wohnungsbau, also „Bauen statt Klauen“. Wir wollen, dass Menschen Eigentum bilden und in unserer Region Verantwortung übernehmen, etwa als Wohnungseigentümer oder Unternehmer.

Und wir wollen, dass sie Rechtssicherheit haben und sich darauf verlassen können, dass der Staat nicht nachträglich in bestehende Verträge eingreift oder ihnen ihr Eigentum nimmt. Sie sollen einen fairen Anteil abgeben, von dem, was sie verdienen, aber es darf nicht an die Substanz gehen. Wer das Vertrauen darauf, dass Anstrengung und Investitionen sich lohnen, gefährdet, legt die Axt an das Erfolgsrezept unserer Sozialen Marktwirtschaft. Dabei brauchen wir gerade dieses Vertrauen, um auch in Zukunft Wohlstand und sozialen Frieden zu gewährleisten.

Was sollte Brandenburg also tun?
Das Land sollte durch das Ausweisen von Bauland, wo es möglich ist, Voraussetzungen dafür schaffen, dass mehr Wohnraum entstehen kann. Aufgabe von Landes- und Bundespolitik ist es zudem, die Schieneninfrastruktur weiterzuentwickeln, um die Anbindung und die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger im Land sicherzustellen.

Anders als im Prenzlauer Berg, wo man zwischen zwei Latte Macchiato immer noch eine S- oder U-Bahn oder Tram bekommt, ist in „Prenzlau ohne Berg“ und noch weiter auf dem Land das Auto unverzichtbar. Mindestens als Zubringer zum nächsten Regionalbahnhof. Deshalb brauchen wir gute Bahnanbindungen und Park und Ride-Konzepte.

Wenn wir über die Aufgaben des Bundes reden: Braucht es mehr Fernverkehrshalte in Brandenburg?
Wir müssen hier auch europäisch denken und die Bahnverbindungen nach Polen und Tschechien verbessern. Außerdem brauchen wir eine gute Anbindung zum Beispiel von Potsdam und den Gemeinden im Umland von Berlin und von Cottbus mit Berlin und Dresden. Letztlich geht es darum, auf eine kluge, marktwirtschaftliche und rechtsstaatliche Weise für ein besseres Wohnraumangebot und gute Verkehrsverbindungen im Land zu sorgen.

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