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Eine von Schädlingen befallene Kiefer mit abgefallener Borke steht in einem Wald im Landkreis Potsdam-Mittelmark.

© ZB

Brandenburger Forste: Rettungsplan soll Waldsterben aufhalten

Den Wäldern geht es schlecht, mehr als ein Drittel der Bäume ist von Schäden betroffen. Brandenburg will jetzt den Waldumbau stärken.

Vor der Potsdamer Staatskanzlei lag eine tote Fichte. Hergebracht hatten sie Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“. Sie veranstalteten am Mittwoch einen „Trauermarsch für den Brandenburger Wald“: Ein Kranz wurde niedergelegt, und zur Melodie von „Oh Tannenbaum“ sangen die Demonstranten: „Oh Märkisch Wald, oh Märkisch Wald, wie kahl sind Deine Stämme.“ Und Brandenburgs Forstminister Axel Vogel (Grüne) freute sich über den Protest. „Ihre Aktion ist wunderbar“, rief er den Demonstranten zu. Denn sie sorge für Aufmerksamkeit für den kranken Brandenburger Wald.

Wenige Minuten zuvor hatte Vogel den diesjährigen Waldzustandbericht der Landesregierung vorgestellt. Die Nachrichten, die er zu verkünden hatte, waren katastrophal. Brandenburgs Wald ist durch die Trockenheit der Jahre 2018 und 2019 so stark geschädigt wie seit 1991 nicht mehr. Während im letzten Jahr noch elf Prozent der Bäume deutliche Schäden aufwiesen, waren es in diesem Jahr 37 Prozent – also mehr als ein Drittel der Brandenburger Waldfläche. „Trockenheit, Hitze und Stürme haben den Wald in Dauerstress versetzt“, sagte Vogel.

Vor allem der Zustand von Eichen und Buchen sei „besorgniserregend“: Nur noch sechs Prozent der Brandenburger Buchen und nur noch acht Prozent der Eichen sind gesund. „Der Klimawandel ist im Wald angekommen“, sagte der Forstminister. Deswegen müsse Brandenburg den Waldumbau verstärken – statt der noch vielfach üblichen Kiefernmonokulturen müsse es einen Mischwald mit klimaangepassten Baumarten geben.

Wichtig sei auch die sogenannte „Naturverjüngung“: Also Bäume, die sich durch eigene Samen im Wald fortpflanzen. „Damit Naturverjüngung auftreten kann, brauchen wir dringend angepasste Schalenwildbestände“, sagte Vogel – und forderte damit zumindest zwischen den Zeilen zu einer verstärkten Jagd auf Rehe und Hirsche auf, für die junge Triebe bekanntlich als Delikatesse auf dem Speiseplan stehen.

Borkenkäfer fressen sich durch den Wald

Ein weiteres Problem ist das massenhafte Auftreten von Schadinsekten. Vor allem im Südwesten Brandenburgs, im Landkreis Elbe-Elster, haben sich die Kiefernbuschhornblattwespe, der Borkenkäfer und zahllose andere Schadinsekten durch den geschwächten Wald gefressen. Und gerade bei den Kiefern wird man wohl erst im kommenden Jahr die Auswirkungen der Dürrejahre spüren.

Land, Bund und EU wollen in den kommenden Jahren deswegen rund 19 Millionen Euro zur Bewältigung der Dürrefolgen für den Wald und für den Waldumbau zur Verfügung stellen. Und Vogel will schon Anfang 2020 einen „Brandenburger Waldgipfel“ veranstalten, um in Zusammenarbeit von Forstverwaltungen, Waldbesitzern, Wasserwirtschaft, Jagd und Naturschutz ein „gesellschaftliches Bündnis für den Wald“ zu schmieden und Strategien zur Anpassung der Wälder an die zunehmenden Extremwetterereignisse erarbeiten zu lassen.

Aus Sicht der Brandenburger Waldbesitzer muss es dabei dann auch um die Frage gehen, welche Baumarten künftig im Brandenburger Wald zu finden sind. „Es wird wirklich darauf ankommen, dass wir mit präzisen Standortinformationen die richtige Baumartenwahl treffen und uns keine Denkverbote auferlegen, was Gastbaumarten angeht“, sagt Thomas Weber, der Vorsitzende des Brandenburger Waldbesitzerverbands. Auch Esskastanie, Roteiche und Küstentanne könnten aus seiner Sicht künftig für den märkischen Wald in Frage kommen.

Der aktuelle Waldzustand bedeute jedenfalls, dass die ökonomische Grundlage für die Waldbewirtschaftung in Frage gestellt werde. „Waldbesitzer leben zu fast 100 Prozent aus Erlösen des Holzverkaufs“, sagte Weber. „Wenn ich keine Erlöse mehr habe, wie soll ich dann investieren?“ In die gleiche Kerbe schlägt Gregor Beyer, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW). „Wir müssen uns auch selbst hinterfragen“, sagt Beyer.

In Brandenburg seien 25 Jahre lang Buchen zum Waldumbau gepflanzt worden. Nun zeige sich aber, dass gerade die Buchen vom Klimawandel besonders betroffen seien. „Wir brauchen den Mut zum Experiment“, sagt Beyer. „Wir müssen auch neue Baumarten ausprobieren.“

CDU und Linke fordern Unterstützung von Waldbesitzern

Der frühere CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben rief als forstpolitischer Sprecher seiner Fraktion gestern deswegen zu einer intensiven Unterstützung der Waldbesitzer auf. Dafür sei ein leistungsfähiger Landesbetrieb Forst eine Grundvoraussetzung. „Für mich steht dabei fest, dass wir umgehend den Personalabbau bei den Forstmitarbeitern stoppen müssen“, sagte Senftleben. „Nur im Zusammenspiel von Waldbesitzern und einem starken Landesforstbetrieb werden wir die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich angehen und die Wälder für nachfolgende Generationen erhalten“.

Der umweltpolitische Sprecher der Linken, der Prignitzer Abgeordnete Thomas Domres, äußerte sich ähnlich. Der Waldgipfel müsse ein ehrgeiziges Projekt zum Waldumbau sowie Fördermittel für nachhaltige Waldentwicklung zur Folge haben. Außerdem brauche es Hilfe für Privatwaldbesitzer bei der Schadensbeseitigung und Walderneuerung und eine arbeitsfähige und in der Fläche präsente Landesforstverwaltung. „Deutschland muss endlich eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen, damit das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann“, sagte Domres. „Sonst sind manche Wälder langfristig kaum zu retten.“

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