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Die Justizministerin plant eine umfassende Reform.

© Soeren Stache/dpa

Brandenburg will kleine Gerichte schließen: Experten halten Justizreform für „unausgereift“ und „klimaschädlich“

Die Reform der Brandenburger Arbeitsgerichte stand am Donnerstag auf dem Prüfstand im Landtag. Die Pläne sehen künftig nur noch vier statt sieben Gerichte vor.

In Brandenburg wäre es die erste Strukturreform seit Jahrzehnten: Nach den Plänen von Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) soll es künftig vier statt bisher sieben Arbeitsgerichte im Land geben. Am Donnerstag stand die umstrittene Arbeitsgerichtsreform auf dem Prüfstand einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Landtages. Es gab drei Pro-Plädoyers und fünf Contra-Stellungnahmen, eine übliche Quote.

Kritik kam etwa von direkt betroffenen Gerichten, der Gewerkschaft Verdi und der Rechtsanwaltskammer. Für die Reform sprachen sich die PräsidentInnen der Landesarbeitsgerichte Berlin-Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen–Anhalt aus.

Nach der Anhörung sieht es so aus, dass die Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen die Pläne mit einigen Nachbesserungen umsetzen wird. Es lief anders als bei der gescheiterten Kreisgebietsreform. Die hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) letzte Wahlperiode abgeblasen, nachdem es bei der Landtagsanhörung unisono Ablehnung gab.

Bei der mit der geringen Auslastung der Gerichte begründeten Reform sollen die Klein-Standorte in Eberswalde und Senftenberg schließen, dort – und etwa in Luckenwalde –„Gerichtstage“ von anreisenden Arbeitsrichtern stattfinden. Die Gewerkschaft Verdi sieht darin einen drohenden Abbau von Arbeitnehmerrechten, sagte Landesbezirkschef Frank Wolf. Die Ministerin sei „zu keinem Zeitpunkt“ dialogbereit gewesen.

Berlinferne Regionen würden nicht gestärkt, sondern geschwächt, eine schnelle und ortsnahe Rechtsprechung werde nicht mehr gewährleistet sein. Dabei seien die Arbeitsgerichte mit kurzen Verfahrensdauern „die Speedboote der Brandenburger Justiz“, sagte Frank Engelmann, Präsident der Rechtsanwaltskammer.

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Die Pläne als nicht nötig, ja als „klimaschädlich“ kritisierte Hilde Fuhrmann, die Präsidentin des Potsdamer Arbeitsgerichtes, das nach Brandenburg an der Havel umziehen, mit dem dortigen Gericht fusionieren soll. Die Havelstadt, in der das Oberlandesgericht und die Generalsstaatsanwaltschaft ihren Sitz haben, ist von Potsdam in einer halben Stunde mit dem Regionalexpress erreichbar. Dies sei nicht zumutbar, ein Prozesstourismus mit jährlich über einer Million Fahrkilometern drohe, argumentierte Fuhrmann. „Brandenburg wäre das einzige Bundesland ohne ein Arbeitsgericht in seiner Landeshauptstadt.“

In Zukunft mehr Verfahren erwartet

Zudem seien mit der Tesla-Gigafactory, dem BER und den Pandemiefolgen auch mehr Verfahren zu erwarten. Die Pläne seien „unausgereift“, sagte Lore Seidel, Vizechefin des Cottbuser Arbeitsgerichtes, das in Senftenberg Gerichtstage halten soll.

Sie schlug als Alternative vor, die Arbeitsgerichte Neuruppin und Brandenburg sowie Eberswalde und Frankfurt (Oder) zu fusionieren. Und Klaus Bepler, Richter a.D. am Bundesarbeitsgericht, warb für Außenkammern statt Gerichtstage. Denn dort sei das Gespräch im Gang in Sitzungspausen mit Kollegen nicht mehr möglich, „doch Juristerei ist Kommunikation“.

Allein für Richter werde es unbequemer, für Rechtsuchende gebe es „keine Beschwernisse“, argumentierte dagegen Ursula Hantel Unthan, Präsidentin des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg. Amtskollege Holger Schrade aus Hamm (NRW) nannte Gerichtstage eine besonders geeignete Möglichkeit für ein Flächenland. Eine Reform schwäche die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht, sondern stärke diese.

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