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Die Berliner Feuerwehr verzeichnet immer mehr Einsätze.

© Christophe Gateau/afp

Brände in Berlin: Zahl der Feuerwehreinsätze steigt auf Rekordniveau

Die Feuerwehr musste im vergangenen Jahr so oft ausrücken, wie noch nie, es fehlt an Personal und an Fahrzeugen. Der Innensenator sieht jedoch eine Trendwende.

Bei der Berliner Feuerwehr brennt es. Schon seit Monaten, wenn nicht Jahren. Die Fahrzeugflotte ist zu 80 Prozent überaltert, es gibt zu wenig Personal, dazu ein Überstundenberg, der nie wieder abgebaut, aber immerhin abbezahlt wird. Dazu ein hoher Krankenstand unter den Kameraden. Selbst die Technik lahmt, wie ein erfahrener Feuerwehrmann dem Tagesspiegel unlängst berichtete: „Würde ich mich auf die Anweisungen des Navis verlassen, würde ich regelmäßig frontal in Häuserfassaden rasen.“

Wie überlastet die Feuerwehr aktuell ist, zeigt sich auch bei der Präsentation ihrer Jahresbilanz 2017, mit der sich die Behörde bis Mitte September Zeit gelassen hat. Denn trotz aller Probleme hat die Feuerwehr auch immer mehr zu tun. Auf 458.143 stieg die Zahl der Einsätze 2017. Es ist der siebte Rekordstand hintereinander – und angesichts der wachsenden Stadt zeigt die Tendenz weiter nur in eine Richtung.

Die Feuerwehr hat unter den Sparmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte gelitten

Dabei hat sich der Tätigkeitsbereich der Feuerwehr offenbar verändert. So mussten im vergangenen Jahr 321 Brände weniger als im Vorjahr gelöscht werden. Insgesamt macht die Brandbekämpfung gerade einmal 1,5 Prozent aller Einsätze aus. Wer heute Feuerwehrmann wird, ist vor allem für die Notfallrettung zuständig. Drei Viertel aller Einsätze der Berliner Feuerwehr entfallen darauf. „Das ist eine Entwicklung, die wir in allen Städten erleben“, sagte der neue Landesbranddirektor Karsten Homrighausen. Seit 2007 habe sich die Zahl der Alarmierungen im Rettungsdienst um mehr als 50 Prozent erhöht.

Verschärft wird diese Entwicklung durch die Sparmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte, wodurch die Feuerwehr strukturell gelitten hat. Innensenator Andreas Geisel (SPD) wollte auf der Pressekonferenz am Dienstag aber die Botschaft vermitteln, dass Besserung in Sicht sei. „Wir haben eine Trendwende eingeleitet“, sagte er und verwies auf gestiegene Gelder im Doppelhaushalt 2018/19. Damit sollen 94 neue Fahrzeuge für insgesamt 26 Millionen Euro angeschafft werden.

Wurde zuletzt ein Löschwagen pro Jahr angeschafft, sollen in den nächsten beiden Jahren 16 Löschfahrzeuge geordert werden – bis sie wirklich ausgeliefert sind, wird es jedoch dauern. Das gilt auch für die beschlossenen 354 zusätzliche Personalstellen. „Es wird ein Kraftakt, die auszubilden“, sagte Geisel. Und weiter: „Mir dauert das auch zu lange, aber wir haben uns auf den Weg gemacht.“ Es ärgere ihn, dass ausgerechnet jene Koalition, die Verbesserungen für die Feuerwehr auf den Weg gebracht habe, für den Zustand kritisiert werde. Geisel: „Entstanden ist die Situation in den vergangenen 15 Jahren:“

Gewerkschaft der Polizei fordert finanzielle Entschädigung für Feuerwehrleute

Das sieht auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die auch für die Feuerwehr spricht, so und lobte Geisel dafür, dass er „Sachen auf den Weg gebracht hat, die zu spürbaren Verbesserungen führen werden“. Aber bis dahin sollten die Kameraden finanziell entschädigt werden, forderte Hauptbrandmeister Oliver Mertens, Vize-Landeschef der GdP. „Wenn der Senat das bei der Besoldungsanpassung nicht in absehbarer Zeit hinbekommt, dann muss er über eine vierstellige Sonderzahlung nachdenken.“ Mertens lobte aber die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 44 Stunden, die Erhöhung der Feuerwehrzulage, die Auszahlung der Überstunden und die höhere Eingruppierung der Notfallsanitäter.

Weniger erfreulich entwickelt sich die Zahl, in denen die Feuerwehr zu Fehleinsätzen gerufen wurde oder nur vor Ort erkundete. Sie stieg 2017 um 4000 auf 56.888 Fälle. Im Schnitt rückt die Feuerwehr in Berlin also jeden Tag 155 Mal aus und kommt unverrichteter Dinge zurück auf die Wache. „Wir sind es leid, wegen saurer Milch im Kühlschrank oder einem partout nicht zu besiegenden Endgegner auf der Spielkonsole herauszufahren“, sagte Mertens.

Kein neues Problem: 2007 zitierte der Tagesspiegel den damaligen Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der die Anspruchshaltung der Berliner kritisierte, die wegen „eingewachsener Fußnägel“ die 112 wählen. Sein Nach-Nachfolger Geisel will nun auf eine Informationskampagne starten und sich für die Brandschutzerziehung der Berliner einsetzen.

„Wir können nicht versprechen, dass bis zum Ende 2019 alle Problem gelöst sind“, sagte Geisel. Dass dies für Verärgerung sorge, könne er nachvollziehen, sagte er. Für den Protest „Berlin brennt“, bei dem einige Feuerwehrleute öffentlichkeitswirksam vor dem Roten Rathaus über Wochen an brennenden Fässern demonstriert hatten, habe er Respekt. „Wir werden es aber nur gemeinsam schaffen“, sagte Geisel. „Wenn sich Kameraden jetzt abwenden, wird das Problem nur größer.“ In den Wache brodelt es immer noch.

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