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An der Spinnerbrücke in Nikolassee trifft sich traditionell die Bikerszene. Motorräder werden hier sowohl auf der Straße als auch auf dem Gehweg abgestellt.

© Ralf Hirschberger/dpa

Born to park wild: Berliner Polizei ignoriert weiterhin auf Gehwegen geparkte Motorräder

Motorradparken auf Gehwegen sollte seit Ende 2020 strenger geahndet werden. Doch nach der Ankündigung der Verkehrsbehörde passierte bisher wenig.

Seit Jahrzehnten werden Motorräder und Mopeds in Berlin auf Gehwegen geparkt – was ebenfalls seit Jahrzehnten verboten ist. Nachdem im April 2020 das Abgeordnetenhaus beschlossen hatte, dass Polizei und Ordnungsämter konsequent gegen Falschparker auch auf Gehwegen vorgehen sollen, wurde auch die Verkehrsverwaltung aktiv: In einem Brief habe man die Polizeipräsidentin gebeten, die bisher übliche Praxis zu prüfen.

„Sie soll deutlich strenger gefasst werden, indem künftig eine Duldung des (per se rechtswidrigen) Gehwegparkens durch motorisierte Krafträder nur noch dann in Betracht zu ziehen wäre, wenn jegliche Behinderung Anderer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann“, teilte die Verwaltung im Dezember 2020 mit. Das klang nach einem gravierenden Paradigmenwechsel, der viele Besitzer der 111.000 in Berlin zugelassenen Krafträder hart treffen würde.

Acht Monate danach erweist sich, wie die Polizei auf diese Bitte reagiert hat: überhaupt nicht. „Die zitierte Vorgabe der Senatsverkehrsverwaltung entspricht dem seit jeher praktizierten polizeilichen Einschreitverhalten, so dass keine Verfahrensanpassungen erforderlich waren“, teilt das Präsidium auf Anfrage mit.

In der ersten Hälfte dieses Jahres hat die Bußgeldstelle demnach 240 Anzeigen wegen auf Gehwegen geparkter Krafträder bearbeitet. 19 Maschinen seien kostenpflichtig umgesetzt worden. Hochgerechnet aufs Gesamtjahr bedeutet das zwar einen leichten Anstieg gegenüber dem Corona-Jahr 2020, aber liegt weit unter dem Niveau von 2019, als 1124 Anzeigen erfasst und 92 Maschinen umgesetzt worden seien.

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Zwar gilt bei der Verfolgung der Verstöße das sogenannte Opportunitätsprinzip, also ein Ermessensspielraum der Behörden. Aber nach Definition der Verkehrsverwaltung „ kann ein solches Fehlverhalten von den Überwachungskräften also nur dann als unbedeutende Verkehrsordnungswidrigkeit gewertet und insofern geduldet werden, wenn das Motorrad auf dem Gehwegrand abgestellt ist, andere Verkehrsteilnehmende, insbesondere Zufußgehende, weder behindert noch gefährdet werden und andere Abstellmöglichkeiten, wie speziell eingerichtete Motorradstellplätze, nicht in der Nähe vorhanden sind.“ Nur dann „kann auf eine Anzeige verzichtet werden“, hieß es Ende 2020.

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Praktisch wären die Bezirke die dringenderen Adressaten der Senatsbitte gewesen, da vor allem deren Ordnungsämter für Falschparkerkontrollen zuständig sind. Sie seien auch informiert worden, teilt Verwaltungssprecher Jan Thomsen jetzt mit. Ansonsten stehe man mit Innenverwaltung und Polizei „in engem Austausch“.

Man sei sich einig, dass die „Berliner Linie“ – also die weitgehende Tolerierung – nicht mehr das Maß der Dinge sein soll. Die Beteiligten würden sich wieder mit dem Thema befassen, sobald die demnächst zu erwartende deutliche Erhöhung der Bußgelder beschlossen sei.

Ein großes Problem liegt bei den Mietfahrzeugen

Aus Sicht von Roland Stimpel vom Fachverband FUSS e.V. hat sich das Problem seit der damaligen Ankündigung der Verkehrsverwaltung eher noch verschärft, da mehr Mopeds der Vermieter Emmy und Tier in der Stadt stünden. „Nach mehreren Mahnungen von uns haben die aus ihren Kundentipps die Empfehlung, auf Gehwegen zu parken, entfernt“, sagt Stimpel. Es gebe aber weiter „keinen Hinweis darauf, dass es verboten ist, auf Gehwegen zu parken“.

Stimpel sieht das Problem klar bei den Mietfahrzeugen: Privatleute würden ihre Motorräder und Mopeds schon aus eigenem Interesse möglichst am Rand von Gehwegen parken, wo sie weder von rangierenden Autos gerammt noch von Fußgängern umgeworfen werden. Unerfreuliche Ausnahme seien die Gehwegvorstreckungen, auf denen Maschinen teils dauerhaft und mit Planen abgedeckt stünden – und querenden Kindern die Sicht nehmen.

Nach Auskunft von Paloma Rändel, Sprecherin des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins (ABSV), ist alles, was auf Gehwegen steht, für Sehbehinderte problematisch. Die Gefahr durch ganz am Rand stehende Motorräder sei aber deutlich geringer als „die E-Roller, die überall abgestellt werden und oft umfallen“. Man warte dringend auf die längst angekündigte Schaffung von Abstellplätzen und auf konsequentes Durchgreifen der Bezirke, zumal Menschen wegen solcher Roller schon schwer gestürzt seien.

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