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Boomtown Schönefeld: Eine Landschaft erblüht durch die Nähe zum BER-Flughafen

In Schönefeld wird gebaut: Ein Flughafen, Wohnungen, Industrie. Sogar Tesla-Gründer Elon Musk schwärmt von der Anbindung zum Airport. Ein Besuch.

Riesige Radlader piepsen, Drahtseile der Kräne surren, Baggerschaufeln klappern, die Dieselmotoren der Betonmischer brummen, zwischendurch Presslufthammer-Gewitter: das ist der Sound von Schönefeld-Nord. Auf dem zigtausend Quadratmeter großen Areal nördlich der Gemeindeverwaltung wird Zukunft gemacht. Wenn Bürgermeister Udo Haase sein Verwaltungsgebäude verlässt, sieht er, wie die Hoffnung auf den Flughafen BER in Beton gegossen wird.

Das ehemalige Ackerdorf Schönefeld befindet sich in einer Transitzone. Am einen Ende, Mauer an Mauer mit dem Flughafen, der alte Friedhof mit Familiengräbern aus dem vorletzten Jahrhundert. Von hier ist man in ein paar Minuten an der Feldsteinkirche. Dazwischen: Flachbauten, vermutlich aus DDR-Zeiten, ein Händler für gebrauchte Autos, ein Gewürzladen, ein Lagergebäude, aus dem die Plastiksäcke mit gebrauchten Kleidungsstücke quellen.

Die Bundesstraße 96a, neben der Autobahn der andere Zubringer zum Flughafen, zerschneidet den Ort. Nördlich davon ein Neubaugebiet gleich neben ein paar alten Landhäusern aus Fachwerk oder Backstein. Was hier an Flächen noch frei war, wird aktuell mit Mehrfamilienhäusern bebaut. Dann ein bisschen Grün, mitten drauf Bürgermeister Haases Verwaltungsbau an der Hans-Grade-Allee – hier beginnt die Zukunft. Auf einem Baufeld entstehen 140 Eigentumswohnungen, genannt „Stadthäuser am Park“.

Nebenan, in den gerade fertig gewordenen Reihenhäusern, leben Leute, die sich hier ein eigenes Haus leisten können. In den schmalen Gärten steht das Kinderspielzeug neben dem Grill – eine typische Berliner Umland-Siedlung. Die Schönefelder Maklerin Ariane Jauss weiß, dass viele Interessenten aus dem Berliner Süden sich in Schönefeld umsehen, Leute, sagt sie, die in Berlin nichts mehr fänden.

So einer ist der junge Arzt vor seinem freistehenden Einfamilienhaus ein paar Straßen weiter. Er sei aus der Schweiz nach Berlin gekommen, erzählt er. Die Hauspreise im Berliner Süden waren ihm zu hoch, also zog er nach Schönefeld. Eine halbe Stunde braucht er früh morgens mit dem Auto bis zur Charité. Wenn aber der BER in Betrieb sei, werde der Verkehr „chaotisch“, glaubt er.

Haase: „Nichts braucht Schönefeld dringender als Wohnungen"

In dieser Gegend sei man wohl nicht betroffen vom Fluglärm, sagt Ariane Jauss. Das Interesse an Häusern und Baugrundstücken sei enorm. Auf ein Grundstück kämen 80 bis 90 Interessenten. Der Bodenrichtwert sei für den Quadratmeter von 85 Euro im Jahr 2013 auf 300 Euro jetzt gestiegen.

Nichts brauche Schönefeld dringender als Wohnungen, sagt Bürgermeister Udo Haase. Was derzeit nördlich der Hans-Grade-Straße entstehe, sei bloß der „erste Bauabschnitt“. Insgesamt sollten hier 2000 Wohnungen entstehen. Die Einwohnerzahl werde sich in zehn Jahren von jetzt 17.000 auf 30.000 erhöhen, schätzt Haase.

Es werden Kitas und Schulen gebaut, die Gemeinde hat sich ein Hallenbad geschenkt, im Neubauviertel gibt es eine Reihe kleiner Spielplätze und einen Fitness-Park. Auf der Internetseite der Gemeinde berichtet der Bürgermeister stolz, hier entstünden jeden Tag fünf neue Arbeitsplätze.

Ein weiterer Autobahnanschluss sei in Vorbereitung, „neue Kreisverkehre, Straßen und Radwege stehen auf dem Programm für die nächsten zwei Jahre“. Wegen des Booms in Schönefeld und einigen anderen Gemeinden gehört der Landkreis Dahme-Spree zu den ersten fünf in ganz Deutschland, wenn es um die Steuerkraft geht. Das zeigt der kommunale Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung.

2400 Unternehmen, Betriebe, Firmen und Institutionen haben sich in Schönefeld etabliert. Dienstleister wie Aeroground sind schon lange da, Projektentwickler ebenfalls. Wer sehen will, wohin sich die Transitzone Schönefeld entwickelt, geht an dem Baufeld an der Mizarstraße entlang.

Sie führt gegenüber dem „Holiday Inn“ von der Hans-Grade- Straße weg in nächste große Baufeld. Die „Deutsche Immobilien Entwicklung“ verspricht, 19 200 Quadratmeter „außerhalb der Lärmkorridore des Flughafens“, Büroflächen sollen hier gebaut werden.

Sozusagen ein Vorort von Neukölln

Ein paar große Hallen stehen schon, neue werden errichtet. Ein Brandschaden-Sanierer hat hier einen großen Betrieb, ein Lebensmittel-Logistiker, ein paar hundert Meter weiter eine Lkw-Werkstatt. Die gigantischen Hallen, deren Tragesäule aus Beton auf den Baufeldern von Kränen in die Senkrechte gezogen werden, dürften für Logistik- und Speditionsunternehmen gebaut werden.

Etwas weiter haben das Logistikunternehmen Dachser und die Deutsche Post Betriebsgelände von mehrfacher Fußballfeld-Größe bebaut. Hier stehen die Lkw mit zugezogen Vorhängen am Straßenrand. Die Fahrer haben Pause, warten darauf, dass der nächste Container aufgeladen werden kann – moderne Nomaden. Dabei ist die Airport City, die den Flughafen BER mit Hotels, Büros, Konferenzräumen und allem, was in die Nähe eines Flughafen gehört versorgen soll, noch nicht einmal im Bau.

Der Bürgermeister ist stolz auf sein Schönefeld. Der Zuzug gibt ihm Recht, und nicht mal die politische Konkurrenz hat richtig viel auszusetzen an der Boom-Gemeinde. Sabine Freund, Vertreterin der Grünen im Schönefelder Gemeinderat, möchte vor allem eine bessere Anbindung per ÖPNV an Berlin. Schönefeld sei sozusagen ein Vorort von Neukölln, das müsse sich mindestens in neuen Busverbindungen niederschlagen. Als Grüne sieht sie auch den Verlust von Brachen kritisch. Das bedrohe die Artenvielfalt – und die Lebensqualität in Schönefeld.

Haases designierter Nachfolger Christian Hentschel hat ähnliche Bedenken. Der Mann, der über eine Bürgerinitiative in die Kommunalpolitik gefunden hat und im Schönefelder Gemeindeteil Großziethen wohnt, stellt fest, er wohne fünf Minuten vor der Hauptstadt – „und ich warte eine Stunde auf den Bus“. Verkehr, der Bau preiswerter Wohnungen, mehr Angebote für Jugendliche – Hentschel hat sich viel vorgenommen. Immerhin: Geld genug ist da.

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