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Mit einem speziellen Programm versuchte schon Rot-Schwarz, die Schwänzerquote zu senken.

© Armin Weigel/ dpa

Bonusprogramm für Schulen: Zahl der Berliner Dauerschwänzer sinkt - angeblich

Berlins Brennpunktschulen werden jedes Jahr mit 18 Millionen Euro unterstützt. Die Verwaltung sieht Erfolge im Kampf gegen das Schwänzen. Zu Recht?

Über 18 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr fließen in Berlins Brennpunktschulen. Aber bringt das auch was? Und wofür wird das Geld ausgegeben? Diesen Fragen geht der aktuelle Zwischenbericht nach, den die Bildungsverwaltung jetzt dem Hauptausschuss vorgelegt hat. Demnach konnte die Zahl der Dauerschwänzer an den Brennpunktschulen seit 2013 um 15 Prozent gesenkt werden. Auf welchem Niveau sie sich damit befindet, geht aus dem Bericht aber nicht hervor.

Der Staatssekretär sieht eine "nachweisliche Wirkung"

Unklar ist auch, wie dieses Resultat zu bewerten ist. Denn es geht nicht ausschließlich auf das Konto des so genannten Bonusprogramms: Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) führt nämlich aus, dass die Zahl der Schwänzer auch an den übrigen Sekundarschulen zurückgegangen sei. Dort sank sie aber, so Rackles, im Schnitt nur um zwölf Prozent, obwohl die Bedingungen an den Brennpunktschulen durch die hohe Quote der Kinder aus armen Familien "schwieriger" seien. Daher schlussfolgert der Staatssekretär, dass das Programm "bereits nachweislich Wirkung gezeigt hat".

Andere Zahlen belegen keinen Rückgang der Schwänzerquote

Allerdings war am Donnerstag nicht zu klären, wie diese Zahlen mit den sonstigen Schwänzerstatistiken der Bildungsverwaltung in Einklang zu bringen sind. Aus denen geht nämlich hervor, dass die Quote der Schwänzer an den Sekundarschulen zwischen 2014/15 und 2015/16 von 2,6 auf 2,7 Prozent gestiegen ist. Dies hatte auch kürzlich die Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck ergeben. Der Widerspruch ist möglicherweise damit zu erklären, dass sich Rackles gegenüber dem Hauptausschuss jeweils auf die ersten Schulhalbjahre bezogen haben könnte: Wie berichtet, sind die Schwänzerquoten in den ersten Halbjahren stets geringer als in den zweiten Halbjahren. Vor diesem Hintergrund ist es allerdings fraglich, ob es überhaupt seriös möglich ist, aus der Schwänzerstatistik eine "nachweisliche" Wirkung des Bonusprogramms abzuleiten.

Und was ist mit dem Schwänzerprogramm?

Hinzukommt, dass der Rückgang der Schwänzerquote in den ersten Halbjahren ganz andere Gründe haben könnte, etwa das neue Programm gegen Schwänzer, das mit verschärften Kontrollen einhergeht. Insofern ist höchst fraglich, ob die Behauptung einer "nachweislichen Wirkung" des Bonusprogramms überhaupt haltbar ist.

Angesichts dieser unsicheren Faktenlage waren die Reaktionen auf den Zwischenbericht auch eher zurückhaltend. "Das Bonusprogramm ist nur ein Baustein und kein Allheilmittel", betonte die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz. Für die SPD sagte die schulpolitische Sprecherin Maja Lasic, sie wolle erstmal den Abschlussbericht abwarten, der Ende 2017 vorgelegt werden soll. Unabhängig davon bewertet Lasic das Programm aus zwei Gründen positiv: Es stärke die Eigenverantwortung der Schulen und es könne dafür verwandt werden, die Unterrichtsentwicklung gezielt auf Grundlage der Lernergebnisse voranzutreiben.

FDP: Bald sind alle Schulen Brennpunktschulen

Für die FDP sagte der Abgeordnete Paul Fresdorf, dass das Bonusprogramm "auf den ersten Blick" ein gutes Instrument für die Verbesserung von Bildungschancen sei. Allerdings müsse erst die Evaluation abgewartet werden. Generell sei zu befürchten, dass "bald" alle Schulen Brennpunktschulen in Berlin seien, "wenn Senatorin Scheeres so weitermacht wie in der Wahlperiode zuvor". Ob es um den Verfall von Schulgebäuden, fehlendes Schulessen über Wochen, Unterrichtsausfall oder Schuldistanz gehe - "die SPD steht vor dem Scherbenhaufen ihres jahrelangen Versagens in der Berliner Bildungspolitik", fügte Fresdorf hinzu.

Jede dritte bis vierte Schule bekommt Geld aus dem Programm

Damit eine Schule Geld aus dem Programm erhält, müssen mindestens 50 Prozent der Schüler aus Familien kommen, die staatliche Transferleistungen erhalten. Dies gilt inzwischen für 275 Berliner Schulen, also jede dritte bis vierte. An rund 75 Schulen liegt der Anteil dieser Kinder sogar bei mehr als 75 Prozent. Diese Schulen erhalten bis zu 100.000 Euro pro Jahr, die anderen können bis zu 62.500 Euro beantragen.

Rund ein Drittel des Geldes wird von den Schulen dafür aufgewandt, zusätzliche Angebote wie Theater-, Sport- oder Tanzprojekte zu finanzieren. Sie sollen die Sprachentwicklung und das soziale Lernen fördern. Weitere 30 Prozent fließen in Lerncoaches, Lerntherapeuten oder Projekte für einen "störungsfreien Unterricht". Ähnlich hoch ist der Anteil der Geldes, das in Sozialarbeit fließt: Damit bezwecken die Schulen etwa eine Reduzierung der Schwänzerquote.

Das meiste Geld ging nach Neukölln

Angesichts der hohen Summe, die Berlin für das Programm aufbringt, wird darauf Wert gelegt, die Wirksamkeit zu überprüfen. Aus diesem Grund gibt es eine wissenschaftliche Begleitung durch das Deutsche Institut für pädagogische Forschung. Mehr als ein Fünftel des Bonusgeldes – 3,4 Millionen Euro – fließt nach Neukölln. Es folgen Mitte mit 3 Millionen Euro und Friedrichshain-Kreuzberg (2,3 Millionen Euro). Treptow-Köpenick braucht nur 270.000 Euro.

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