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So wurde im Jahr 1996 auf einer Bonner Demo gegen einen Umzug der Regierung an die Spree argumentiert.

© Jürgen Eis/Imago

Bonner wollen Ministerien behalten: „Ein Teil der Bundesregierung muss in Bonn verbleiben“

Oberbürgermeister Sridharan fordert dauerhaften Status einer „Bundesstadt“. Verhandlungen starten bald.

Von Sabine Beikler

Im Gegensatz zu Berlin sind in Nordrhein-Westfalen noch Schulferien: Die verbleibenden zwei Wochen nutzt der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan (CDU), um kräftig die Werbetrommel für die Beethoven-Stadt zu rühren. Er will von einem Komplettumzug aller Bundesministerien nichts wissen. Im Gegenteil: Bonn und Anrainer-Kommunen verhandeln ab September mit dem Bund über eine Zusatzvereinbarung zum Berlin/Bonn-Gesetz. In einem „Bonn-Vertrag“ soll die ehemalige Hauptstadt als „zweites bundespolitisches Zentrum“ festgeschrieben werden. „Ein Teil der Bundesregierung muss in Bonn verbleiben“, fordert Sridharan.

Es geht um rund 6400 Planstellen in Bonner Ministerien. Sechs Ministerien haben am Rhein noch ihren ersten Dienstsitz, die übrigen acht an der Spree mit gut 13.700 Planstellen. Seit dem Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 ist der ministerielle Stellenanteil in Berlin auf 68 Prozent gestiegen. Diesen Rutschbahneffekt konnte das Gesetz nicht verhindern. Ursprünglich sollte eine Mehrheit der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn verbleiben. Sridharan hält diesen Zustand für „rechtswidrig“ und will Aufgabenbereiche in einem „Bonn-Gesetz“ fixieren.

Sridharan hat gewichtige Unterstützer wie den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Der CDU-Parteivize sieht wenig Sinn darin, „Tausende Beamte und ihre Familien mit Milliardenkosten nach Berlin umzusiedeln“. Überhaupt Berlin: Die Stadt sei doch heute schon „überfordert und kämpft um bezahlbaren Wohnraum“, sagte Laschet im April. Dass sich 55 Prozent der Deutschen, 65 Prozent der Berliner und sogar 47 Prozent der Bonner laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für einen Komplettumzug aussprechen, ficht das politische Nordrhein-Westfalen nicht an. In einem Leitbild zum Bonn-Vertrag fordert Sridharan, dass seine Stadt als Standort der Vereinten Nationen, als internationaler Wissenschaftsstandort und Standort für Cybersicherheit ausgebaut wird. Der Bund möge auch das jährliche Internationale Beethoven-Fest dauerhaft fördern und einen „Bundesstadt-Finanzierungsvertrag“ aufsetzen.

Das Pendeln zwischen Bonn und Berlin verursacht 230.000 Inlandsflüge

Allein das Pendeln von und nach Berlin verursacht laut Bundesinnenministerium 230.000 Inlandsflüge im Jahr. Sridharan will diese Zahlen nicht schönreden. „Aber durch eine bessere Bahnanbindung zwischen Berlin und Bonn könnten die Flugverbindungen reduziert werden.“ Und es sollten mehr Videokonferenzen stattfinden.

Seit Jahren liefern sich Bonn und Berlin einen Schlagabtausch wegen des Berlin/Bonn-Gesetzes. Die rot-rot-grüne Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag für die Unterstützung des Komplettumzugs der Ministerien nach Berlin ausgesprochen und „bietet hierfür ihre Unterstützung an“. Denn Berlin profitiert enorm von diesem Gesetz: Durch den bis 2028 zehn Jahre laufenden Hauptstadtvertrag wird der Haushalt im Schnitt um jährlich 200 Millionen Euro entlastet. Allein für die hauptstadtbedingte Sicherheit überweist der Bund bis 2021 jedes Jahr 100 Millionen Euro, danach wird die Pauschale auf 110 Millionen Euro und ab 2023 auf 120 Millionen Euro aufgestockt. Davon profitieren Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte. Auch der Hauptstadtkulturfonds wurde von zehn auf 15 Millionen Euro aufgestockt.

Der Bonner Oberbürgermeister sieht seinen Berliner Amtskollegen Michael Müller (SPD) regelmäßig bei Konferenzen. Ob er mit dem Regierenden Bürgermeister über ein „Bonn-Gesetz“ gesprochen habe, beantwortet Sridharan nur ausweichend: Der Handlungsdruck in Berlin sei eben „nicht ganz so groß“ wie in Bonn.

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