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Mit einem Feldmesszirkel misst ein Bauer seinen Acker. Viele Neubauern-Erben haben in Brandenburg ihr Land noch nicht zurück.

© Peter Endig/dpa

Bodenreform-Affäre in Brandenburg: SPD-Ministerin will Parteifreund als unabhängigen Ombudsmann einsetzen

Brandenburg eignete sich „sittenwidrig“ zehntausend Grundstücke an. Noch immer haben viele Opfer ihr Eigentum nicht zurück. Jetzt droht der nächste Affront.

Nächster Akt in der Bodenreform-Affäre in Brandenburg, die nach eineinhalb Jahrzehnten noch immer nicht aufgearbeitet ist. Zwar ist Finanzministerin Katrin Lange (SPD) bereit, einen externen Ombudsmann einzusetzen, der für Neusiedlererben ein unabhängiger Ansprechpartner und Berater sein soll, um ihr Eigentum zurückzuerhalten.

Lange überraschte nach Tagesspiegel-Informationen damit jedenfalls letzte Woche in einer internen Runde der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen, wo sie auch gleich einen konkreten Vorschlag präsentierte.

Doch dabei handelt es sich ausgerechnet um einen Parteifreund – nämlich den früheren SPD-Landtagsabgeordneten Ralf Holzschuher, zeitweise Chef der Landtagsfraktion und ein Jahr lang Innenminister.

Nicht allein wegen des Filz-Geschmäckles ist Kritik programmiert. Für Betroffene muss es als Affront wirken, da Holzschuher einst als Anwalt das Land Brandenburg in Bodenreform-Fällen gegen Eigentümern und Erben vertreten hat.

Brandenburg nahm 10.000 Grundstücke „sittenwidrig“ in Besitz

Worum es bei diesem Skandal der Nachwendezeit ging: Die Finanzverwaltung des SPD-regierten Bundeslandes hatte sich um die Jahrtausendwende rund zehntausend Bodenreform-Grundstücke rechtswidrig einverleibt, was der Bundesgerichtshof (BGH) 2007 als „sittenwidrig“, „nichtig“ und „eines Rechtsstaates unwürdig“ stoppte.

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Das Land hatte sich um Grundstücke teils unbekannter Erben, teils aber auch bekannter Erben bereichert, die deren Vorfahren bei der Bodenreform in der damaligen sowjetischen Besatzungszone erhalten hatten. Brandenburg bekam so Immobilien im Wert von 50 bis 90 Millionen Euro. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages war 2009 zum Ergebnis gekommen, dass angeblich ein „Eigenleben“ des Apparats im Finanzministerium – wie bei einigen Affären vorher auch – schuld war. 

Holzschuher war Anwalt des Landes in Bodenreform-Fällen

Holzschuher, der 2008 von der SPD eigentlich als Obmann in den Untersuchungsausschuss entsandt werden sollte, hatte nach heftiger Kritik wegen seiner früheren Mandate davon Abstand genommen. „Ich sehe mich zwar nicht als befangen an, allein der Verdacht würde der Aufklärung und auch der SPD aber schaden“, sagte er damals. Erst seit 2009 unter der rot-roten Regierung war versucht worden, die rechtmäßigen Eigentümer ausfindig zu machen und die Rückgabe zu veranlassen, was schleppend voranging.

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Und so hatte die neue Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen Anfang 2021 erneut Anlauf genommen, Erben zu finden, alles zu forcieren, um bis Ende der Legislaturperiode dieses Kapitel endgültig schließen zu können. Vor allem die Grünen hatten Druck gemacht.

Alles mündete im Januar 2021 in einen Landtagsbeschluss, dem auch die Linke zustimmte. Demnach sollen der Einsatz professioneller Erbenermittler forciert und digitale Möglichkeiten zur Suche stärker genutzt werden. „Das Land hat in dieser Sache nach wie vor einiges gutzumachen“, sagte Finanzministerin Katrin Lange (SPD) damals. Das sei „auch die feste Absicht dieser Landesregierung und dieser Koalition“. 

Konkret beauftragte der Landtag im Januar die Landesregierung, für die Jahre 2021 und 2022 im Finanzministerium oder extern „einen Ansprechpartner einzurichten, um Betroffenen Informations- und Beratungsmöglichkeiten anzubieten“. Zwar hatte das Ministerium einen Ministeriellen als Ansprechpartner benannt. Doch es häuften sich die Beschwerden von Betroffenen.

Bodenreform-Spezialist Purps: Bock würde zum Gärtner gemacht

Kritik übte auch der Potsdamer Anwalt Thorsten Purps, der viele Betroffene vertreten und ein Buch über den Skandal veröffentlicht hat. Über Holzschuher sagt Purps nun: „Er stand damals auf der anderen Seite. Da würde der Bock zum Gärtner gemacht. So schafft man kein Vertrauen.“ Der Landtagsbeschluss müsse endlich konsequent umgesetzt werden.

Das Finanzministerium antwortete auf eine Anfrage zur möglichen Holzschuher-Personalie so: „Überlegungen, ob es auch einen externen Ansprechpartner geben soll, sind noch nicht abgeschlossen.“ Für die Beantwortung sei es „daher zu früh“.

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