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Eckpfeiler. Das BND-Verwaltungsgebäude an der Chausseestraße in Mitte wird am Montag bezogen. Jetzt werden noch die Gehwegplatten verlegt.

© Doris Spiekermann-Klaas

BND in Berlin-Mitte: Die ersten Spione ziehen ein - der Kiez wandelt sich

Der erste Neubau auf dem Gelände des BND wird eröffnet. 170 Mitarbeiter ziehen an der Chausseestraße ein. Der Wandel im Kiez beginnt. Ein Spaziergang.

Die Vorhut rückt ein. Am kommenden Montag beziehen die ersten 170 Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes ihre neuen Büros in Berlin-Mitte. Kanzleramtsminister Peter Altmaier und BND-Präsident Gerhard Schindler werden die neue „Technik- und Logistikzentrale“ offiziell eröffnen. „Die 170 Mitarbeiter kommen aus unterschiedlichen Abteilungen“, erklärte der BND. Eine Abteilung ist nur für den Umzug der insgesamt 4000 Mitarbeiter aus Pullach bei München und Berlin-Lichterfelde an den neuen Dienstsitz zuständig. Die Büros für die ersten Mitarbeiter sind bereits seit November fertig. Zur Technik- und Logistikzentrale im Norden des riesigen BND-Geländes gehört ein sandfarbener Verwaltungsbau an der Chausseestraße (mit sandfarbenen Kameras und teils zugemauerten Fensteröffnungen), ein großes Parkhaus und die Energiezentrale. Vertrauliche Pläne für diesen Bauabschnitt waren vor drei Jahren in die Öffentlichkeit gelangt. Offenbar gab es ein Datenleck bei den beteiligten Baufirmen. Der BND erklärte aber, die Pläne seien nicht sicherheitsrelevant.

Luxuswohnungen und Herrenschneider sind schon da

Das Quartier rund um den BND erlebt seit Jahren einen Bauboom. Der Stadtteil Mitte exportiert seinen Hype bis an in die ehemalige Mauerlinie und darüber hinaus. Die Brachen am Ex-Todesstreifen sind zu großflächigen Baugruben mutiert, nachdem sie jahrelang als Niemandsland und Transitraum kaum Beachtung fanden. Teile der Wohnanlage „Chaussee-Quartier“ mit großen Balkonen und französischen Fenstern sind bereits fertig. Gegenüber künden Werbefotos vom künftigen Familienidyll im Projekt „The Garden“. Bis Mitte 2015 sollen 150 Wohnungen, Geschäfte, ein kleiner Park mit Spielflächen und Kletterwand entstehen. Für insgesamt 100 Millionen Euro. Passender Wohnraum für Bundesbeamte ist also vorhanden. Ein Fitnessstudio mit „elektrischer Muskelstimulation“ hat gerade aufgemacht, ein neues Restaurant im „London-Style“ entsteht. Die Erwartungen sind hoch. Viele Ladenbesitzer, so hört man, hätten in der Vergangenheit aber auch wieder aufgegeben, weil ihnen beim Warten auf die Quartiersbelebung die finanzielle Puste ausgegangen ist. Der Wandel ist greifbar, aber auch gnadenlos langsam.

Herrenschneider Egon Brandstetter hat sein Atelier direkt gegenüber vom BND. Von den Spionen erhofft er sich aber keinen Umsatzsprung.
Herrenschneider Egon Brandstetter hat sein Atelier direkt gegenüber vom BND. Von den Spionen erhofft er sich aber keinen Umsatzsprung.

© Doris Spiekermann-Klaas

Vor vier Jahren kam Herrenschneider Egon Brandstetter aus Charlottenburg an die Chausseestraße gegenüber vom BND. Nicht wegen des Geheimdienstes. Wegen der günstigen Ladenmiete. Er ist skeptisch, ob seine handgenähten Kashmiranzüge für 2500 Euro aufwärts beim gehobenen BND-Beamten auf Resonanz stoßen. „Ich setze mehr auf die Privatleute in den neuen Luxuswohnungen.“ Besonders zu Hochzeiten werde geordert. Der BND-Koloss mit dem hohen Stahlzäunen und den streng gerasterten Fassaden werde wohl wenig „Streuwirkung“ auf die Umgebung entfalten, glaubt Brandstetter. Zur Verschwiegenheit verdammte IT-Spezialisten passen nicht wirklich in die offen vernetzte Kreativszene, die sich langsam die Chausseestraße nordwärts hocharbeitet. Brandstetter arbeitet 14 Stunden am Tag in seiner Ladenwerkstatt, für jeden Passanten einsehbar. Der Gegenentwurf zum klandestinen BND-Hacker.

Verkäuferin hofft auf mehr Sicherheit

Die Verkäuferin im Öko-Imbiss „La Vita“ ist ganz froh über den Einzug der ersten Geheimdienstler. Sie sei in den vergangenen drei Jahren dreimal überfallen worden und hofft nun auf mehr Sicherheit. Wer Lebensmittel braucht, geht zur Tanke gegenüber, erzählt die Bardame vom Bénéfice-Café, „hier ist ja sonst nix“. Das findet auch ein Mann – Bart, Brille, Wollmantel –, der gerade seinen Golf mitten auf dem Gehweg parkt. Er wohnt hier, aber vielleicht nicht mehr lange. „Hier gibt es keine gewachsene Infrastruktur“, sagt er. Wieder einer, dem die Geduld fehlt, den Wandel abzuwarten. Da wollten die BND-Bauherren offenbar ein Zeichen setzen und den Anwohnern zumindest das zeitraubende Heranwachsen der Kiefern im Vorgarten der BND-Zentrale ersparen. Die Nadelbäume, 15 bis 20 Meter hoch, wurden einfach fertig ausgewachsen in die Erde gegraben. Damit es gleich so aussieht wie auf der Architektursimulation. Soll eben alles fertig sein, wenn der BND-Tanker ab 2016 auf große Fahrt durch die globalen Informationsfluten geht. Bis dahin müssten alle 4000 Mitarbeiter in der neuen Zentrale angekommen sein, rund 1500 bleiben in Pullach. Die Gebäude haben eine Geschossfläche von 260 000 Quadratmetern. Zum Vergleich: Das Kanzleramt hat 64 000 Quadratmeter. Die drei Bauabschnitte Technik- und Logistikzentrale, Hauptgebäude und Spionageschule samt Internat kosten nach aktuellen Angaben des Bundesamtes für Bauwesen 912 Millionen Euro. Ursprünglich waren rund 720 Millionen Euro kalkuliert.

Der BND-Umzug eröffnet übrigens besonders Migranten einige Jobchancen. Aktuell sucht der Nachrichtendienst Mathematiker, IT-Ingenieure und freischaffende Übersetzer, die sich mit Sprachen des „Maghreb, der Levante, Somali und den Dialekten aus dem kaukasischen Raum“ auskennen.

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