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Spezialkräfte der Polizei entschärften die Bombe an der Baustelle in Mitte

© imago images / A. Friedrichs

Blindgänger am Alexanderplatz: Ein Knall, dann war die Bombe entschärft

Die Stadt ist eine brisante Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg los. Doch im Berliner Boden sind noch viele Blindgänger verborgen.

Zuletzt ein Knall, dann war der Spuk vorbei. Am Sonnabend gegen 1.30 Uhr wurde der Zünder der Weltkriegsbombe gesprengt, die am frühen Freitagnachmittag bei Bauarbeiten nahe dem Alexanderplatz gefunden worden war und die Umgebung des Fundorts erst in Atem gehalten, dann während der Entschärfung das öffentliche Leben in dem von der Polizei evakuierten Sperrkreis lahmgelegt hatte.

Bei dem Sprengkörper handelte es sich um eine 100-Kilo-Bombe amerikanischer Produktion. Kurzzeitig hätten sich unerwartete technische Probleme ergeben, hatte es bei der Entschärfung geheißen. Aber die waren wohl nicht sehr gravierend, es habe nur ein Schneidwerkzeug neu eingestellt werden müssen, hieß es am Sonnabend bei der Polizei.

Die Bombenspezialisten hatten zunächst den Aufschlagzünder abgetrennt, damit war die eigentliche Bombe mit ihrem brisanten Inhalt bereits harmlos, und es musste nur noch der Zünder durch Sprengung unschädlich gemacht werden. Der Fundort befand sich auf einer Baustelle, die von der Alexander-, Voltaire- und Schicklerstraße sowie der Hochtrasse von S-Bahn und Bahn eingegrenzt wird.

Die Trasse der U-Bahnlinie 8 verläuft laut der von der Polizei veröffentlichten Karte etwa 50 Meter westlich des Fundorts. Sowohl der Bahn- wie der U-Bahnverkehr wurde während der Entschärfung unterbrochen.

Polizeifeuerwerker Matthias Gutulla verlädt die 100-Kilo-Fliegerbombe nach der Entschärfung zum Abtransport auf den Bombensprengplatz im Grunewald.
Polizeifeuerwerker Matthias Gutulla verlädt die 100-Kilo-Fliegerbombe nach der Entschärfung zum Abtransport auf den Bombensprengplatz im Grunewald.

© Gregor Fischer/dpa

Das Gelände war jahrzehntelang eine Freifläche, genutzt als Parkplatz und in der Adventszeit als Teilfläche des Ost-Berliner Weihnachtsmarkts, eine Tradition, die nach der Wende mit größeren Fahrbetrieben fortgesetzt wurde. Das Erdreich war also saisonal immer wieder Erschütterungen und Vibrationen ausgesetzt – eine potentielle Bedrohung, weil im Boden verborgene Blindgänger dadurch ausgelöst werden können.

Wobei mechanische Aufschlagzünder weitaus weniger sensibel und damit ungefährlicher sind als chemische Langzeitzünder, die besonders nach langer Erosion durch Erschütterungen wieder aktiviert werden und die Bombe auslösen können.

Das Unglück von Friedrichshain

In Göttingen war 2010 eine mit einem Säurezünder ausgerüstete Bombe kurz vor der Entschärfung explodiert und hatte drei Kampfmittelräumer getötet. In Berlin waren im September 1994 drei Bauarbeiter getötet worden, die in der Pettenkoferstraße nahe der Frankfurter Allee in Friedrichshain beim Bohren von Löchern für eine Spundwand eine US-Fliegerbombe getroffen hatten, die sofort explodiert war.

Dazu gab es 14 Verletzte und einen hohen Sachschaden. Im Juli 1983 war im Buckower Hasenhegerweg eine britische Bombe ohne erkennbaren Anlass explodiert, dabei hatte es aber nur Sachschäden gegeben.

Während der Entschärfung waren die Straßen im 300-Meter-Sperrkreis ungewohnt menschenleer.
Während der Entschärfung waren die Straßen im 300-Meter-Sperrkreis ungewohnt menschenleer.

© Gregor Fischer/dpa

Doch auch wenn nichts in die Luft fliegt, kann solch eine Bombe das städtische Leben erheblich durcheinanderbringen. So etwa im August 2017, als auf dem BMW-Werksgelände eine Bombe entdeckt wurde, deren Entschärfung erheblich mehr Probleme bereitete als der jüngste Bombenfund.

Das brachte vor allem den Flugverkehr durcheinander, weil auch der Luftraum über dem Fundort gesperrt werden musste. „Eine Vorhersage, wo im Berliner Boden Bombenblindgänger liegen, ist nicht möglich, hieß es damals in der Senatsumweltverwaltung. „Bei der Untersuchung von Verdachtspunkten für Bombenblindgänger, die in der Auswertung alliierter Luftbilder ausgewiesen sind, werden in rund 95 Prozent keine Blindgänger gefunden.“

Noch 4600 Blindgänger werden im Berliner Boden vermutet

Damals ging man noch von 3000 Blindgängern im Berliner Boden aus, eine Zahl, die mittlerweile nach oben korrigiert wurde. Etwa 4600 Blindgänger, wozu auch Granaten zählen, werden nun als brisante Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg vermutet.

Diese Zahl nannte der Senat im April auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe. Die von den Alliierten über dem Stadtgebiet abgeworfene Bombenlast werde auf 45 000 Tonnen Sprengstoff geschätzt, hieß es weiter. Im Jahr 2018 seien 38,7 Tonnen Sprengstoff entschärft worden und rund 1400 Mal Spezialisten der Polizei deswegen im Einsatz gewesen.

Mit brisanten Funden ist also auch künftig jederzeit zu rechnen, ähnlich wie das im Bombenkrieg ebenfalls schwer heimgesuchte Oranienburg.

Dort sind auf einem Grundstück am Treidelweg, südlich der Straßenbrücke nach Lehnitz, bei der systematischen Kampfmittelsuche „zwei Bombenverdachtspunkte“ festgestellt worden, wie die Stadtverwaltung meldet. Es könnte sich um zwei 500-Kilo-Bomben amerikanischer Bauart handeln, in der Umgebung sind schon mehrfach solche Bomben mit chemischem Langzeitzünder geborgen worden. Bis Mitte Juli will man das prüfen – ein Sperrkreis wurde bereits festgelegt.

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