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Berlin: Blaualgen vergiften den Badespaß

Aktuelle Erkenntnisse: Berliner Forscher warnen vor tückischen Substanzen in Havel und MüggelseeVON BERND MATTHIES BERLIN.Auf Badelustige lauern in den hochsommerlich aufgeheizten Berliner Fließgewässern offenbar bislang unterschätzte Gefahren.

Aktuelle Erkenntnisse: Berliner Forscher warnen vor tückischen Substanzen in Havel und MüggelseeVON BERND MATTHIES BERLIN.Auf Badelustige lauern in den hochsommerlich aufgeheizten Berliner Fließgewässern offenbar bislang unterschätzte Gefahren.In großen Teilen der Havel, im Müggelsee und den Dahmeseen hat die starke Sonneneinstrahlung den Blaualgen einen explosiven Wachstumsschub gegeben.Die blaugrüne Schicht auf der Wasseroberfläche ist nicht nur unappetitlich: Mehrere Forscher haben gewichtige Indizien dafür, daß die von diesen Algen produzierten Giftstoffe gefährlicher sind, als bisher angenommen wurde.Christian Steinberg, Professor für Gewässerökologie an der Humboldt-Universität, sprach sich gestern für Badeverbote, mindestens aber amtliche Warnungen aus. Die Blaualgen sind zu sehen und zu riechen."Hier bei uns am Müggelsee stinkt es wie im Schweinestall", sagte Steinberg - nicht nur ein ästhetisches Problem: Es geht um Gefahren für die Gesundheit.Braunschweiger Forscher, die mit den Humboldt-Experten kooperieren, haben dem beliebten Berliner Badesee jetzt sogar ein eigenes Gift gewidmet.Sie tauften den dort von ihnen nachgewiesenen Kohlenwasserstoff, zehnmal giftiger als das bisher bekannte Algeneiweiß Mikrozystin, auf den griffigen Namen "Müggelone".Bisher war lediglich bekannt, daß derlei Substanzen in sehr hoher Dosis geeignet sind, Mäuse umzubringen - das gilt als nicht sehr aussagekräftig für Menschen.Aus australischen Wüstenregionen ist weiterhin bekannt, daß größere Tiere an Leberversagen umgekommen sind, weil sie aus verseuchten Gewässern getrunken haben. Durch die Berliner und Braunschweiger Forschungen steht nun fest: Schon bei geringer Dosis treten Schäden an Fischeiern auf, Fische laichen nicht mehr und stellen ihren Tag-Nacht-Rhythmus auf den Kopf, es kommt sogar zu Todesfällen."Auch Pflanzen, beispielsweise Rohrkolben, reagieren intensiv auf das Zeug und versuchen, es rauszubekommen", sagte Steinberg.Diese Gegenreaktion könne die Anfälligkeit für andere Umweltschadstoffe erhöhen. Natürlich wird auch an der Wirkung auf den menschlichen Organismus gegenwärtig intensiv geforscht; das federführende Umweltbundesamt gab gestern keine Auskunft, sondern teilte lediglich vielsagend mit, es sei eine Presseerklärung in Vorbereitung.Steinberg äußerte aber den Eindruck, viele bislang als "Obstallergie" oder "Sommerdurchfall" abgetane Akuterkrankungen könnten ihre wirkliche Ursache in verseuchten Badegewässern haben. Besonders auffällig ist die Blaualgenschicht jetzt in vielen langsam fließenden Gewässern, vor allem in windgeschützten Buchten und an den Ufern, über die der Wind vom Land her hinweggeht.Zwei Faktoren fördern ihr Wachstum: Nährstoffe, vor allem Phosphate, die trotz wirksamer Gegenmaßnahmen immer noch stark in den Gewässern vorkommen, und Wärme, die das Sommerwetter der letzten Tage reichlich gebracht hat.Die von den Algen produzierten Gifte sind nicht sehr "persistent", werden also innerhalb weniger Tage durch Mikroorganismen abgebaut und zerfallen.Aber der Befall vieler Berliner Gewässer ist gegenwärtig doch so stark, daß ständig relativ hohe Konzentrationen meßbar sind. In und um Berlin sind gegenwärtig nach Angaben des zuständigen Abteilungsleiters der Umweltverwaltung, Peter Schirmer, vor allem die Gewässer in der Südhälfte der Stadt vom Algenwachstum betroffen, die in Verbindung mit der relativ stark schadstoffbelasteten Spree stehen: Großer Müggelsee, Zeuthener und Seddinsee, die Havel in Berlin südlich des Tegeler Sees bis Glienicke.Auch das Strandbad Wannsee könnte Probleme bekommen, falls der Wind dreht und die Algen nach Süden drückt.Wesentlich besser ist die Wasserqualität im Kleinen Müggelsee und Dämeritzsee - und im Tegeler See, für Schirmer ein Zeichen der Wirksamkeit der Tegeler Phosphat-Eliminierungsanlage. Die Gesundheitsverwaltung sieht gegenwärtig keinen Grund, Alarm zu schlagen.Egon Kohring, der zuständige Umweltmediziner, sagte gestern: "Das haben wir eigentlich in jedem Spätsommer".Er sehe keine stichhaltigen Beweise für gesundheitliche Gefahren durch die Blaualgen.Kohrings Empfehlung: Kinder sollten nicht dort baden, wo die blaugrüne Schicht deutlich sichtbar ist und das Wasser vor allem nicht verschlucken.Im Öresund vor Kopenhagen haben die dänischen Behörden wegen starken Blaualgenbefalls ein Badeverbot verhängt.

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