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Black Box "Kalter Krieg" eröffnet: Ernstfall am Checkpoint Charlie

Informationen statt Geschichts-Folklore gibt es ab sofort am Checkpoint Charlie. An der geschichtsträchtigen Kreuzung wurde der Ausstellungsbau Black Box „Kalter Krieg“ eröffnet.

Die schauspielernden US-Soldaten, die Sowjetmenschen in Uniformen, die am Checkpoint Charlie Wache schieben und für ein Foto zwei Euro verlangen, und auch die fliegenden Händler mit Pelzmützen, Sowjetsternen und Gasmasken – sie alle bekommen ab heute eine ernsthafte und ernst zu nehmende Konkurrenz: die Black Box „Kalter Krieg“.

Das schwarze Gebäude wirkt wie ein Würfel, der in das vor 22 Jahren von DDR-Abfertigungsbaracken frei geräumte Gelände geworfen wurde. „Die Black Box ist beim Flugzeug jenes Gerät, das alles aufzeichnet, also ein Kasten, der die Wahrheit der Vorgänge speichert. So ist das auch hier“, sagt Rainer Klemke von der Senatskulturverwaltung, der sich seit Jahren um die Gedenkstättenlandschaft bemüht. Es ist eine auf 220 Quadratmetern komprimierte kleine Schau für ein großes Thema, eine Art Vorläufer jener geplanten 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die eines Tages in einen Neubau an diesem Ort integriert werden soll.

Gestern, bei der Eröffnung durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), war viel von der Authentizität des Ortes die Rede. Hier standen sich am 27. Oktober 1961, zwei Monate nach dem Mauerbau, sowjetische und amerikanische Panzer gefechtsbereit gegenüber, hier durften keine Bewohner der zerrissenen Stadt passieren, sondern ausschließlich Ausländer und Diplomaten. Hier spielten sich Dramen gescheiterter Fluchtversuche – wie der von Peter Fechter – ab, der Checkpoint ist bis heute ein Begriff, wiewohl mit dem Abbau der Kontrollbaracke am 22. Juni 1990 der Kalte Krieg an dieser Stelle geradezu feierlich beendet wurde.

Fotostrecke: Der Checkpoint Charlie in Bildern

Die Ausstellung mit 500 Exponaten ruft die Zeit des Kalten Krieges von 1948 bis zum Zerreißen des Eisernen Vorhangs Ende der Achtziger in unser Gedächtnis zurück. Für die Älteren wird ein Teppich der Erinnerung ausgebreitet, die Jüngeren staunen, denn „zwei Jahrzehnte nach seinem Ende ist die Bedrohlichkeit des Kalten Krieges ein gerade für die Nicht-Erlebnis-Generation kaum mehr fassbares Phänomen geworden“, sagt Jürgen Reiche, der schon das Konzept für die zeitgerecht-historische Ausstattung des Bahnhofs Brandenburger Tor und der Abfertigungshalle am Bahnhof Friedrichstraße, dem „Tränenpalast“, entworfen hat. Seine Idee: Das Ringen um Demokratie und Freiheit in der Welt in der Kalten-Kriegs-Zeit sichtbar zu machen.

Der Checkpoint als Lehrort

Um „Ikonen-Fotos“ gruppieren sich 22 Medienstationen mit historischen Vorgängen, so kann man die Rede hören, in der Winston Churchill schon 1946 sagt, dass sich „von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria“ ein Eiserner Vorhang über den Kontinent gesenkt hat. Den Begriff „Kalter Krieg“ (cold war) prägte zuerst der amerikanische Publizist Walter Lippmann in einer Studie über die unterschiedliche Entwicklung der zwei Bündnissysteme. Am Ende, 1988, gibt die UdSSR jährlich 218 Milliarden Dollar für die Rüstung aus, in den USA sind es 484 Milliarden – bis beide Großmächte einsehen, dass sie sich mit diesem waffenstarrenden Misstrauen ruinieren.

Die Hintergründe zum Ende des Kalten Krieges sind also global, und weil sie die Ausstellung in große Zusammenhänge stellt, sagte Wowereit, dass ihm das Verständnis dafür fehlt, dass manche vor der Darstellung des Kalten Kriegs an dieser Stelle Angst haben. Es gibt nicht nur ein Schwarz-Weiß, sondern eben auch Grautöne, „öffnen Sie sich, lassen Sie sich überzeugen, dass es richtig ist, alle Facetten dieser Jahre hier darzustellen“. 79 Prozent aller Besucher kämen wegen der Geschichte in unsere Stadt, tausende zieht es täglich zum Checkpoint in die Friedrichstraße, wo nun „etwas Vernünftiges steht und gezeigt wird, was damals nicht nur in Berlin, sondern in der Welt los war“, meint Rainer Boldt von der Interessengemeinschaft Friedrichstraße. Der amerikanische Historiker Michael S. Cullen findet die Ausstellung großartig, Jackson Janes, der Direktor des American Institute for Contemporary German Studies, begrüßt diese „Internationalisierung der Aufarbeitung“, nachdem Akten und Zeitzeugen der ehemaligen Kontrahenten sprechen: „Man muss eigentlich nach Berlin kommen, um zu sehen, was Freiheit bedeutet“. Deshalb der Touristenstrom, für den die Black Box „eine wichtige Einrichtung am richtigen Ort“ ist, sagt Katharina Dreger vom Tourismus-Werber Visit Berlin. „Zusammen mit dem Mauerpanorama, das am Freitagabend eröffnet wird, sind diese beiden Einrichtungen am historischen Ort zwei neue und wichtige Highlights zum Verständnis unserer jüngsten Geschichte“.

Schräg gegenüber der Box steht nun das Gasometer-ähnliche „Panometer“ des Panorama-Künstlers Yadegar Asisi, bereit, ab Sonntag die Gäste zu empfangen. Ein 15 Meter hohes und 60 Meter langes Rundbild zeigt zwischen 120 Tonnen Stahl der auffälligen Konstruktion eine Szene an der Mauer zwischen Kreuzberg und Mitte. So wird der Checkpoint nun zum Lehr- und Geschichtsort über einen Krieg auf der Schwelle zwischen heiß und kalt.

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