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In den Bezirksparlamenten, wie hier in Treptow-Köpenick, wurden am Abend Bezirksbürgermeister und Stdaträte gewählt. Es gab auch Überraschungen.

© DAVIDS/Sven Darmer

Bezirksparlamente in Berlin: So sind die ersten BVV-Sitzungen gelaufen

In fünf Bezirken wurden neue Bürgermeister gewählt. Außerdem wurde viel gestritten, oft ging es um die AfD. Eine Umschau.

Charlottenburg-Wilmersdorf: Grüner Serdar Bulat trat zur CDU-Fraktion über

Vor dem Rathaus Charlottenburg protestierten ein Dutzend Menschen friedlich gegen die AfD, die in der BVV mit fünf der 55 Sitze keine große Rolle spielt. Trotzdem wurde die Sitzung dann von einem AfD-Politiker eröffnet, weil dem 82-jährigen Hans-Dieter Asbeck die Rolle als Alterspräsident zufiel. Asbeck warb um Gemeinsamkeit, aber Beisitzer Niklas Schenker (Linke) verweigerte ihm den Handschlag. Zur neuen BVV-Vorsteherin wurde Annegret Hansen (SPD) gewählt. Die Bezirksamtswahl folgt am 17. November, Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) kann mit seiner Wiederwahl rechnen. Generell hat jede Fraktion Anspruch auf mindestens einen Vertreter im BVV-Vorstand. Doch AfD-Mann Asbeck fiel bei seiner Kandidatur durch, ebenso wie eine Fraktionskollegin. Wie es nun weitergeht, wird erst die nächste Sitzung zeigen. Nach Ende der Sitzung konnten sich die Christdemokraten freuen: Der Grüne Serdar Bulat trat zur CDU-Fraktion über.

Friedrichshain-Kreuzberg: Debakel für die Grüne Kristine Jaath

Die Grünen erlebten bei der konstituierenden Sitzung ein Debakel. Die Versammlung wurde nach fast zwei Stunden abgebrochen, ausstehende Punkte vertagt, da sich keine Mehrheit für Kristine Jaath als BVV-Vorsteherin fand. Die 54-Jährige scheiterte in zwei Wahlgängen, sie war den Tränen nahe. „Es ist nichts Persönliches gegen sie, sondern gegen ihre Arbeitsweise in den Sitzungen“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Andy Hehmke. In seiner Partei habe niemand mit Ja gestimmt. Rückendeckung bekam Jaath auch von den Linken nicht. Gute Stimmung herrschte nur bei der Satiretruppe „Die Partei“. Sie wird künftig als Fraktion auftreten können, weil die Piraten Ralf Gerlich und Felix Just überliefen. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann soll erst bei der nächsten Sitzung wiedergewählt werden.

Lichtenberg: Evrim Sommer (Die Linke) vermutlich neue Bürgermeisterin

Im Gemeindesaal in Lichtenberg wurde es am Donnerstag außergewöhnlich voll. Auf der Fensterbank drängten sich Zuschauer, manche brachten sich sogar Stühle mit. Der Grund: die AfD. Schon bevor es losging, demonstrierten Bürger vor dem Saal gegen den Einzug der 12 Verordneten. „Geschlossen gegen Ausgrenzung und Rassismus“ hieß es auf Pappe. Im Saal hing an jedem der 54 Sitzplätze ein Plakat – „Bunter Wind für Lichtenberg“ stand darauf. Die AfD-Fraktion fällte schon vor der Sitzung den ersten gemeinsamen Beschluss, nämlich die Papiere zu entfernen. Sowohl die Posten als auch die Ressortverteilung im Bezirksamt blieben aber offen – die Parteien verhandeln noch. Gewählt wurde trotzdem: Vorsteher ist Rainer Bosse (Die Linke). Erst im zweiten Wahlgang sicherte sich Uwe Dinda (AfD) einen Platz als Beisitzer. Evrim Sommer von der Linken wird im November voraussichtlich Birgit Monteiro (SPD) in ihrem Amt als Bezirksbürgermeisterin ablösen.

Marzahn-Hellersdorf: Kathrin Bernikas (CDU) wieder BVV-Vorsteherin

Kant zitiert und „faire und gute Arbeit“ eingefordert hat der Alterspräsident der BVV Marzahn-Hellersdorf. Und der stammt von der AfD. Der 80-jährige Dieter Pomierski eröffnete die konstituierende Sitzung im Freizeitforum Marzahn. Die Ränge waren voll, es gab ein paar Scharmützel um die Geschäftsordnung – doch am Ende blieb es tatsächlich fair. Mit 15 Verordneten stellt die AfD die zweitstärkste Fraktion. Mindestens elf ihrer Verordneten wählten die CDU-Politikerin Kathrin Bernikas wieder zur BVV-Vorsteherin. Sie bekam überzeugende 50 Stimmen und Beifall von allen Seiten. Spannend wird es am 10. November: Dann wählt die BVV das Bezirksamt. Designierte Bürgermeisterin ist Dagmar Pohle von den Linken. Der AfD-Stadtrat soll, wie jetzt bekannt wurde, lediglich das Ressort Bürgerdienste bekommen – trotz 23 Prozent.

Mitte: Grünen-Politiker von Dassel neuer Bezirksbürgermeister

Lange bevor Stephan von Dassel zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt wurde, klangen helle Mädchenstimmen durch den Rathaussaal des Rathauses Mitte. Ein Chor mit syrischen und afghanischen Mädchen sang die deutsche Nationalhymne sowie „Die Gedanken sind frei“. So harmonisch wie die konstituierende Sitzung der BVV Mitte begann, so harmonisch lief sie auch weiter. Der Grünen-Politiker von Dassel erhielt 41 von 54 abgegebenen Stimmen, er löst damit Christian Hanke (SPD) ab. SPD und Grüne bilden eine Zählgemeinschaft, auch die Linke unterstützt von Dassel. Der übernimmt die Ressorts Finanzen und Personal. Für die Stadtentwicklung ist nun Ephraim Gothe (SPD) zuständig. Er ersetzt Carsten Spallek (CDU), der nun Schule und Facility Management betreut. Nur das Ressort Jugend und Bürgerdienste ist noch nicht besetzt. Es steht den Linken zu, doch deren Kandidat Sven Diedrich hat seine Kandidatur zurückgezogen. Sabine Weißler (Grüne) wurde in ihrem Amt als Stadträtin für Kultur, Bildung und Umweltschutz mit 43 Ja-Stimmen bestätigt.

Neukölln: Franziska Giffey (SPD) bleibt Bürgermeisterin

„Die Urne nicht fallen lassen!“, „Herr Förster, Herr Förster bitte zur Wahlurne! Wo ist Herr Förster?“ Munter ging es in Neukölln zu. Noch vor Sitzungsbeginn beantragte die AfD, die Wahl ihres Stadtrats zu verschieben. Leider habe man die nötigen Unterlagen nicht rechtzeitig eingereicht. Gelächter auf der Tribüne. Ansonsten fast alles beim alten: Franziska Giffey (SPD) bleibt Bürgermeisterin, jetzt im Bündnis mit den Grünen (vorher CDU), die mit Jochen Biedermann einen mächtigen Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste stellen. Der nächste Aufruhr: Verordnete der Linken und auch vereinzelte Grüne tragen Shirts mit der Aufschrift „FCKAFD“. Ein AfDler verlässt aus Protest den Raum. „Ziehen sie bitte die Shirts aus!“, ordnet der Vorsteher an. Fünf Minuten Umziehpause.

Pankow: Beide Kandidaten der AfD für Ämter im Bezirk fallen durch

In Pankow sind am Donnerstagabend beide Kandidaten der AfD für Ämter im Bezirk durchgefallen. Die Partei scheiterte sowohl mit ihrem Vorschlag für einen Beisitzer im Vorstand als auch mit ihrem Stadtratskandidaten. Für den Posten im Bezirksamt hatte die AfD den Unternehmensberater Nikolas Seifert vorgeschlagen, der erst kürzlich der Partei beigetreten ist. Weil er erst am Mittwoch aus dem Urlaub zurückgekehrt war, hatte er sich nicht mehr in den BVV-Fraktionen vorstellen können. Zum neuen Bezirksbürgermeister wurde erwartungsgemäß Sören Benn von der Linkspartei gewählt. Er folgt auf Matthias Köhne (SPD), der nicht mehr zur Wahl angetreten war. Die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft zeigte in der konstituierenden Sitzung der BVV allerdings schon erste Risse. Der neue BVV-Vorsteher, Michael van der Meer, ebenfalls Linkspartei, erhielt offenbar kaum Stimmen aus der SPD. Bei den Sozialdemokraten hatte es Widerstand gegen ihn gegeben, weil er während seines Wehrdienstes in der DDR eine Stasi-Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte. Als Stadträte gewählt wurden Jens-Holger Kirchner (Grüne) und Rona Tietje (SPD). Die CDU beantragte überraschenderweise, die Wahl ihres Stadtrates zu verschieben. Dem wurde stattgegeben.

Reinickendorf: Sebastian Maack (AfD) zum Stadtrat gewählt

Eine halbe Stunde, bevor die BVV-Sitzung beginnt, sind die Zuschauerreihen schon voll. Heute nehmen zum ersten Mal AfD-Abgeordnete im Rathaussaal Platz, und das wie im Abgeordnetenhaus: rechts außen. Der Protest bleibt eher still. Ein Zuschauer trägt ein T-Shirt, auf dem FCK AFD steht. Zum Schriftführer wählen die Abgeordneten den AfD-Mann Klaus-Dieter Meckes erst im zweiten Wahlgang. Später wählen sie Sebastian Maack im ersten Wahlgang zum Stadtrat. Der Applaus ist verhalten, Blumen überreicht nur die eigene Partei. Ansonsten bleibt vieles, wie es war, und Bürgermeister Frank Balzer (CDU) bleibt weiter im Amt.

Spandau: Gaby Schiller (SPD) einstimmig zur Vorsteherin gewählt

Ungeachtet des Streits zwischen SPD und CDU um die ausstehende Wahl des Bürgermeisters ist die konstituierende Sitzung der Spandauer BVV harmonisch verlaufen. Die bisherige stellvertretende BVV-Vorsteherin Gaby Schiller (SPD) wurde auf Vorschlag ihrer Partei einstimmig zur neuen Vorsteherin gewählt. Als stellvertretende Schriftführerin fungiert Heike Dietrich von der AfD, die als drittstärkste Fraktion mit neun Verordneten in die BVV einzog. Bei ihrer Wahl gab es einige Gegenstimmen und Enthaltungen, vor dem Rathaus demonstrierte das Spandauer Bündnis gegen Rechts. Zuvor war auf Antrag der SPD erwartungsgemäß die Wahl des Bezirksbürgermeisters und der Stadträte auf November vertagt worden. Wie berichtet, hat die SPD nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen mit der CDU bisher keine Mehrheit für die Wiederwahl von Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank.

Steglitz-Zehlendorf: Stadträte werden erst im November gewählt

Eng ist es im Bürgersaal des Zehlendorfer Rathauses. Zwei Parteien sind neu in der BVV, Linke und AfD, die Tische stehen dicht an dicht. Erstmals eröffnete ein Mitglied der AfD als Alterspräsident die konstituierende Sitzung. Lutz Amann beschloss mit einem Zitat von David Ben Gurion: Wer nicht an Wunder glaube, sei kein Realist. Dafür bekam er parteiübergreifend Applaus. Insgesamt sei diese Sitzung ein Schaulaufen gewesen, äußerte sich im Anschluss ein Verordneter. In der nächsten Sitzung am 9. November werden das Bezirksamt und die neuen Stadträte gewählt, Schwarz-Grün hat sich auf Cerstin Richter-Kotowski (CDU) als neue Bürgermeisterin geeinigt.

Tempelhof-Schöneberg: Angelika Schöttler (SPD) bleibt voraussichtlich Bürgermeisterin

Die AfD ist gleich zu Beginn der ersten BVV-Sitzung in Tempelhof-Schöneberg nicht zu übersehen: AfD-Mitglied sind sowohl der Alterspräsident Lothar Mundt, der die Sitzung leitet, als auch Nina Wittmann, als zweitjüngste Delegierte nominiert als eine von zwei Beisitzern. Mundt eröffnet die Sitzung, spricht von Toleranz und der „Bereitschaft zur freien demokratischen Zusammenarbeit“. Aus den Zuschauerrängen, besetzt bis auf den letzten Platz, gibt es für diese Rede Buhrufe. Einer der Zuschauerinnen, Susanne Böltes, ist es später wichtig klarzustellen, "dass diese Buhrufe erst kamen, als sich Herr Mundt über gleichgeschaltete Presse in Deutschland beklagte". Niemand habe im Saal etwas gegen Toleranz.

46 von 55 Abgeordneten wählen Stefan Böltes (SPD) als BVV-Vorstehenden, damit übernimmt er die Sitzungsleitung und sagt als erstes: „In unserem Bezirk werden Menschen egal welcher Hautfarbe oder Religion respektiert.“ Seine Stellvertreterin wird Martina Zander-Rade von den Grünen, als Schriftführerin wählt die BVV Wanda Preußker (CDU). Kompliziert wird es bei der Wahl des stellvertretenden Schriftführers. Die AfD hat Vorschlagsrecht, sie nominiert Alterspräsidenten Mundt. Erst im dritten Wahlgang wählt ihn die BVV, mit nur 15 Ja-Stimmen. Über Bürgermeister und Stadträte entscheiden die Verordneten erst in der kommenden Sitzung. Grüne und SPD wollen wieder eine Zählgemeinschaft bilden, Angelika Schöttler (SPD) bleibt aller Voraussicht nach Bürgermeisterin.

Redaktioneller Hinweis: Die Stellungnahme von Susanne Böltes wurde aufgrund ihrer Wortmeldung in unserer Facebook-Gruppe "Tagesspiegel Leute Tempelhof-Schöneberg" im Nachhinein als Klarstellung hinzugefügt. Auch die Zahl der Ja-Stimmen für Stefan Böltes wurden nach einem Hinweis in unserer Facebook-Gruppe von 50 auf die korrekten 46 verbessert. Danke für die Hinweise! Treten Sie gern unserer bezirklichen Facebook-Gruppe bei und kommentieren, kritisieren, diskutieren Sie dort mit.

Treptow-Köpenick: Bürgermeister Oliver Igel (SPD) bestätigt, AfD-Kandidat musste zittern

Die ganz großen Überraschungen blieben in Treptow-Köpenick aus. Eröffnet hatte die Sitzung Alterspräsident Burkhard Reimer (Jahrgang 1939) von der AfD, und der nutzte sein provisorisches Amt direkt aus. Zum Entsetzen des Publikums referierte er über 20 Minuten über die Energiepolitik der Bundesregierung und schimpfte auf die Kanzlerin. Später wurde Peter Groos, der kurz nach der Wahl von den Grünen zur SPD gewechselt war, knapp zum BVV-Vorsteher gewählt.

Weil der Kandidat der AfD immer wieder durchfiel und zwischenzeitlich Wahlzettel fehlten, zog sich die Ernennung des Präsidiums in die Länge. Dann ging es aber wieder fix. Der bisherige Bürgermeister Oliver Igel wurde mit großer Mehrheit wiedergewählt. Geduld brauchte dagegen die AfD. Deren Kandidat Bernd Geschanowski musste bis zum dritten Wahlgang zittern. Erst als die Verordneten der Linke und der SPD ihre Stimme nicht abgaben, reichte es für eine Mehrheit. Bei Rainer Hölmer (SPD), der bereits seit 2006 Stadtrat ist, benötigte es dagegen nur einen Wahlgang. Ebenso bei Cornelia Flader (CDU), die als lachende Dritte aus dem Streit zwischen dem bisherigen CDU-Stadtrat Michael Vogel und dem Abgeordneten Maik Penn, hervorgegangen war.

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