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Bezirksbürgermeister macht Urlaub in Schweden: Wenn amtliche Reisewarnungen für Regierende nicht gelten

Reinhard Naumann regiert in Charlottenburg-Wilmersdorf. Kürzlich urlaubte er im Risikoland Schweden. Auf Fragen dazu antwortet er nicht mehr. Ein Kommentar.

In der Debatte um den Schweden-Urlaub des Bezirksbürgermeisters von Charlottenburg-Wilmersdorf ging es bislang vor allem um die Frage – wurde Reinhard Naumann (SPD) nach seiner Rückkehr vom eigenen Gesundheitsamt bevorzugt behandelt bei den Corona-Tests? Diesen Vorwurf versuchte er zumindest entkräften. Aber die eigentliche Frage ist die nach seinem Verständnis von Amt und Vorbildfunktion.

Als Naumann über Pfingsten nach Schweden reiste, galt eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Schweden. Und die gilt immer noch. Naumann ist als Bezirksbürgermeister aber nicht irgendwer, sondern politischer Wahlbeamter, Besoldungsstufe B6, 9751 Euro im Monat. Das ist eine Stufe höher als etwa der Landesbranddirektor oder Polizeivizepräsident. Naumann ist ein wichtiger Repräsentant des Landes Berlin.

Als Beamter wird Naumann in besonderer Weise alimentiert. Im Gegenzug haben Beamte besondere Pflichten. Etwa die: Durch ihr Verhalten außerhalb des Dienstes dürfen Beamte nicht das Vertrauen der Bürger riskieren, dass sie als Repräsentant des Rechtsstaates eine gesetzestreue Verwaltung sichern.

In der Coronakrise und den angeordneten Einschränkungen für die Bürger kommt den Repräsentanten eine noch größere Verantwortung zu. Die Freiheiten der Bürger wurden massiv eingeschränkt, um die Ausbreitung der Pandemie zu verlangsamen. Sie konnten keine Begräbnisse besuchen, konnten nur einen beschränkten Kreis an Personen treffen, der Geburtstag der Großmutter fiel aus, sie müssen Maske tragen, konnten ihr Kinder nicht in die Schule schicken. Und sie konnten lange auch nicht ins Ausland reisen.

Der Bezirksbürgermeister aber schon, auch wenn er erklärte, er sei in eine abgelegene Gegend gefahren, habe das Ansteckungsrisiko im Corona-Hotspot Schweden also minimiert. Nun handelt es sich bei der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes nicht um ein Reiseverbot, sondern um einen „dringenden Appell“.

Appelle des Auswärtigen Amtes gelten wohl nicht für Bürgermeister

Das Außenamt warnt ausdrücklich vor „nicht notwendigen, touristischen Reisen“ in Länder wie Schweden, da „mit drastischen Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und weltweiten Einreisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen und der Einschränkung des öffentlichen Lebens in vielen Ländern zu rechnen ist“. Reisende entscheiden in jedem Fall in eigener Verantwortung, ob sie eine Reise antreten.

Doch was soll der Bürger davon halten, wenn ein Repräsentant des Staates auf Großstadtebene sich selbst nicht an amtliche Warnungen hält? Wie soll der Bürger darauf vertrauen, dass die Corona-Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens gerechtfertigt waren, wenn sich nicht mal der Bezirksbürgermeister an den Appell des Auswärtigen Amtes hält?

Dazu hätten wir gern auch Antworten des Bezirksbürgermeisters. Doch die Pressesprecherin des Bezirksamts fügte lediglich Naumanns Antwort auf die Anfrage des Bezirksverordneten Johannes Heyne (FDP) bei, in der es um eine mögliche Vorzugsbehandlung für Naumann bei den Corona-Tests ging. Und einen Link zu einem Tagesspiegel-Bericht über die Kritik an Naumann und mögliche Vorteile.

Fragen? Will Naumann lieber nicht mehr beantworten

„Damit ist der Themenkomplex aus unserer Sicht abschließend beantwortet“, schrieb die Bezirksamts-Sprecherin – ohne auf die konkreten Fragen des Tagesspiegel einzugehen. Es blieb eine Nicht-Antwort.

Der Tagesspiegel hatte genau vier Fragen gestellt. Wir veröffentlichen sie hier:

Warum hat Herr Naumann trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amtes die Reise unternommen?

Wie bewertet Herr Naumann die Folgen seiner Reise für das Vertrauen der Bürger in ihn und in die Rechtsmäßigkeit der Corona-Einschränkungen und ihrer Durchsetzung durch das Bezirksamt, wenn er sich selbst nicht an amtliche Warnungen hält?

[Die Recherche zum Kommentar stand zuerst im Newsletter Checkpoint: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und über Berlins Irrungen und Wirrungen. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]

Wie erklärt Herr Naumann Bürgern, dass sie die angeordneten Einschränkungen zur Eindämmung der Coronapandemie einhalten und die Appelle des Senats zum persönlichen Verhalten beachten sollten, wenn er selbst amtliche Warnungen nicht berücksichtigt?

Hält Herr Naumann die Reise auch vor dem Hintergrund der besonderen Verantwortung, die sich aus seinem Statusamt (B6) auch für sein Privatleben ergibt, im Nachhinein angesichts der fortbestehenden Reisewarnung für gerechtfertigt und angemessen? Warum – oder warum nicht?

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