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Der Große Abendsegler steht auf der roten Liste der gefährdeten Arten.

© imago/imagebroker

Winterquartier von Fledermäusen abgesägt: Naturschutzbund zeigt Berliner Bezirk wegen Baumfällung an

Pankows Grünflächenamt kappt eine Linde mit geschützten Fledermäusen ohne Genehmigung. Das ist kein Einzelfall in Berlin.

Von Christian Hönicke

Der Berliner Naturschutzbund (Nabu) geht rechtlich gegen das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) Pankow vor. Am Montag erstattete der Naturschutzbund Anzeige wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz gegen die Behörde. Anlass ist die Kappung eines Baumes im Bürgerpark, in dem Exemplare der streng geschützten Fledermausart Großer Abendsegler ihr Quartier hatten.

Dies sei ein vorsätzlicher Verstoß gegen das Bundesnaturschutzrecht, kritisiert Nabu-Sprecherin Janna Einöder. "Wir reden hier nicht von einem Einzelfall, sondern von systematischen Verstößen. Die zeigen wir ab jetzt bei der Polizei an."

Generell kritisiert der Nabu den Umgang des SGA mit den Bäumen im Bezirk scharf. Regelmäßig würden rechtswidrige Fällungen durchgeführt, sagte Einöder: "Vom SGA Pankow wissen wir, dass in den letzten Jahren keine einzige artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung beantragt wurde."

Dabei sei die Rechtslage eindeutig. Wenn ein Baum nur ein Spechtloch habe, müsse das SGA einen Gutachter einschalten und zur Unteren Naturschutzbehörde Kontakt aufnehmen, um eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, und sich um eine Ersatzstätte kümmern, erklärt Einöder: "Aber das passiert einfach nicht."

Der nun zur Anzeige gebrachte Fall im Bürgerpark hatte sich nach Nabu-Angaben bereits am 10. Dezember 2020 ereignet. Im Zuge von Baumpflegemaßnahmen habe das SGA die Krone einer Linde gekappt und dabei ein Winterquartier streng geschützter Fledermäuse angesägt.

Die gekappte Linde mit dem Fledermausquartier im Pankower Bürgerpark.
Die gekappte Linde mit dem Fledermausquartier im Pankower Bürgerpark.

© NABU

"Darin befanden sich noch zwei Tage zuvor mindestens acht Große Abendsegler, die in einem Spalt im Baumstamm Winterschlaf hielten", heißt es in einer Nabu-Mitteilung. Wie alle Fledermäuse steht der Große Abendsegler in Berlin auf der Roten Liste und ist streng geschützt.

Nabu will künftig alle Verstöße anzeigen

"Der Vorgang ist umso haarsträubender, als der Nabu Berlin das Grünflächenamt wiederholt auf das Fledermausquartier hingewiesen hat", sagte Rainer Altenkamp, der Vorsitzende des NABU Berlin. Zudem habe man die SGA-MitarbeiterInnen "gerade erst bei einer Schulung im November 2020 über die Rechtslage informiert".

Die Baumkrone sei dennoch im Dezember gekappt worden. Bei einer Begehung Ende Januar sei nur noch ein Großer Abendsegler gesichtet worden, der Verbleib der anderen Tiere sei unklar. Der angesägte Hohlraum des Fledermaus-Quartiers sei erst auf Drängen des Nabu am 4. Februar provisorisch mit Folie abgedichtet worden, um von oben eindringende Feuchtigkeit abzuhalten.

Leider sei der Zwischenfall im Bürgerpark "keine Ausnahme", heißt es vom NABU. Bereits 2019 sei dort ein Nachbarbaum mit ähnlichem Hohlraum gefällt worden, der wahrscheinlich ebenfalls Fledermäuse beherbergt habe.

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„Wir beobachten immer wieder solche rechtswidrigen Aktionen seitens der Berliner Grünflächenämter, und zwar keineswegs nur in Pankow“, klagt Altenkamp. So sei im Mai 2020 am Kreuzberger Landwehrkanal eine Weide mit einer Buntspechthöhle gefällt worden.

Die Einhaltung des Naturschutzrechts durch die Berliner Grünflächenämter sei "derzeit offensichtlich nicht gewährleistet". Daher werde man "in Zukunft jeden derartigen Verstoß anzeigen". Der Nabu ruft Bürgerinnen und Bürger dazu auf, "uns zu informieren, wenn Bäume mit Höhlen gefällt werden".

Bezirksamt beruft sich auf Sicherheitsbedenken

Das Pankower Grünflächenamt fühlt sich zu Unrecht angezeigt. Die Linde habe "einen Stammriss und Faulstellen in der Krone" aufgewiesen, teilt der zuständige Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) mit.

"Die Fäulnis war soweit fortgeschritten, dass der Baumkontrolleur eine Fällung für notwendig erachtete." Für die Parkbesucher habe "eine entsprechende Gefahr" bestanden. Dass ein Teil des Stammes von Fledermäusen besetzt war, "war dem SGA dabei in der Tat bekannt".

Als Alternative zum schnellen Absägen sei nur infrage gekommen, den betreffenden Parkteil abzusperren, damit der Baum von selbst auseinanderfallen könne. Dies jedoch hätte "aller Erwartung nach zum zeitnahen Verlust der Lebensstätte geführt", sagte Kuhn.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Also sei der Baum gekappt worden: "Damit kann die Lebensstätte kann noch eine Weile erhalten werden." Das SGA habe keine Beschädigung des Fledermausquartiers feststellen können.

Warum keine Ausnahmegenehmigung beantragt wurde, erklärte Kuhn nicht. Auch in Zukunft könne bei "durchzusetzender Verkehrssicherheit einerseits und gleichzeitigem Artenschutz andererseits keine vollständige Problemfreiheit erreicht werden".

Kuhn verweist außerdem darauf, dass die Pankower Parkanlagen "durch den Einsatz der Mitarbeiter*innen die höchsten Artendichten neben den Naturschutzschutzgebieten" aufwiesen. "Ich habe insoweit die Hoffnung, dass der Nabu eines Tages die Grünflächenämter eher als Partner und nicht als Gegner beim gemeinsamen Ziel des Artenerhalts ansieht."

„In Pankow wird ziemlich viel gerodet“

Gerade das Pankower Grünflächenamt sieht der Nabu bisher keineswegs als Partner. "In Pankow wird generell ziemlich viel gerodet", sagt Einöder. "Wir haben Schulungen gegeben und mit SGA-MitarbeiterInnen gesprochen, es gibt einen neuen Revierleiter, aber es hat sich wenig geändert. Es scheint schlicht zu einfach zu sein, in Pankow Bäume zu kappen."

Das Thema Bäume sei den Menschen sehr wichtig, sagt Einöder. "Wir haben das Gefühl, dass es dem Straßen- und Grünflächenamt dagegen nicht so sehr um die Natur geht." Oft werde etwa der Schutz von Wegen höher gewichtet, wie zum Beispiel im Paule-Park.

"Wenn ein Baum in einen Weg ragt, muss man ihn nicht unbedingt absägen. Man könnte auch einfach eine Absperrung anbringen." Oft gebe es auch große Wissenslücken in Naturfragen bei den SGA-MitarbeiterInnen, sagt Einöder: "Wir haben das Gefühl, dass das auch an der Ausbildung liegt und da einfach mehr geschult werden muss."

Naturschützer beklagen Wissenslücken

Diese Wissenslücken macht der NABU auch für die seit Jahren dramatische Schrumpfung des Baumbestands in Berlin und Pankow verantwortlich. Es müsse mehr Augenmerk darauf gelegt werden, die Natur zu erhalten. "Wir reden vom Klimawandel, und dann hackt man die Bäume einfach weg", sagt Einöder. "Das kann nicht sein."

Im Bürgerpark wacht der NABU nun mit Falkenaugen über zwei weitere gefährdete Bäume. Direkt nach der Kappung der Fledermaus-Linde habe man das SGA auf einen Baum mit einem weiteren Fledermaus-Quartier und einen mit einem Specht-Quartier hingewiesen.

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