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Am AFN-Denkmal. Die neue Tafel vor dem Ex-Studio des US-Soldatensenders an der Dahlemer Podbielskiallee. Unter den Gästen war Moderator Rik De Lisle (2. von links).

© Cay Dobberke

Sender AFN in Berlin-Zehlendorf: Gedenktafel für „The Great 88“

Die Moderatoren des AFN Berlin wurden von deutschen Jugendlichen wie Stars verehrt und brachten ganz neue Musik in die Stadt. Nun hat der frühere US-Soldatensender ein Denkmal in Dahlem erhalten.

Für zwei Fans des früheren US-Soldatensenders AFN Berlin kam am Dienstag in Dahlem ein ganz besonderer Moment: Bei der Enthüllung einer Gedenktafel vor dem ersten Funkhaus an der Podbielskiallee begegneten sie dem bekannten AFN- und Rias-Moderator Rik De Lisle, der heute Programmdirektor beim Radiosender „94,3 rs2“ ist. De Lisle umarmte den Mann und seine Begleiterin. „Ich krieg’ Gänsehaut – unser Idol von früher!“, entfuhr es dem Berliner.

Damit bestätigte er, was Kurator Bernd von Kostka vom Alliiertenmuseum in seiner Festrede sagte: „Der AFN war ein Novum in der deutschen Radiolandschaft“, die Moderatoren seien „von deutschen Jugendlichen wie Stars verehrt“ worden.

Hörerpost kam vor allem von Deutschen

Ob Jazz, Blues, Swing, Rock, Pop oder Hip-Hop und Rap – das Programm blieb jahrzehntelang wegweisend für alle in der Stadt, die musikalisch Neues suchten. Der Sound schien viel cooler als die Schlager, die in ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg das deutsche Radioprogramm prägten. Und die Moderatoren waren lässiger. Die meiste Hörerpost erhielt der Sender nicht von den amerikanischen GIs, für die er eigentlich gedacht war, sondern vom deutschen Publikum.

Beliebt blieb das Programm auch noch, als die USA in den 1960er bis 1970er Jahren wegen des Vietnamkriegs in der Kritik standen: „Amis raus. Außer AFN.“, stand lange auf einem Graffito an der Westseite der Berliner Mauer am Potsdamer Platz.

Sendestart in beschlagnahmter Ribbentrop-Villa

Im vorigen Jahr hatte die Steglitz-Zehlendorfer Bezirksverordnete Sabine Lehmann-Brauns (CDU) die Gedenktafel angeregt, es folgte ein einstimmiger BVV-Beschluss. Nun steht die rote Tafel mit einem Erläuterungstext und historischen Fotos an der Podbielskiallee 28. Das heutige Mehrfamilienhaus war in der Nazizeit die Villa des deutschen Außenministers Joachim von Ribbentrop, danach wurde sie von den Amerikanern besetzt.

Der AFN war in Europa bereits während des Krieges gegründet worden – am 4. August 1945 ging es im Dahlemer Studio los. Die eigentliche Sendeanlage war anfangs draußen in zwei Lkws untergebracht, als Antenne diente ein zwischen Bäumen gespannter Draht. Die UKW-Frequenz bewarben Moderatoren flott als „The Great 88“, durch die reichweitenstärkere Ausstrahlung auf Mittelwelle gewann man später auch Fans in Ost-Berlin und im Umland.

Während der Berliner Luftbrücke 1948/49 sendete man erstmals 24 Stunden am Tag. Das Signal erleichterte Piloten ihre Ortung und half ihnen sowie dem Bodenpersonal dabei, wach zu bleiben. Ab 1962 lief das Programm ständig rund um die Uhr. Dazu trug ein Kuriosum des Kalten Krieges bei: Nach dem abendlichen Sendeschluss hatte Radio Moskau damit begonnen, auf der Frequenz eigene englischsprachige Propaganda zu verbreiten.

Präsidenten und Stars vor dem Mikro

Dem AFN gaben alle US-Präsidenten und viele Hollywoodstars, die in die Stadt kamen, Interviews. Als 1960 Marlene Dietrich anreiste und von vielen Berlinern kühl empfangen wurde, gewährte sie deutschen Reportern nur wenige Worte – und zog sich lieber mit dem langjährigen Berliner AFN-Programmchef Mark White für ein ausführliches Gespräch zurück.

Als der AFN später auch Fernsehen ausstrahlte, zog er in die Saargemünder Straße um; dort stehen heute neue Wohnhäuser. Außerdem entstand eine 125-Meter-Antenne auf dem heutigen Gelände der Domäne Dahlem. 1994 stellten die USA das Programm wegen des Alliierten-Abzugs ein.

Zwei Jahre später, bei der Sprengung des Sendemasts, zeigte sich erneut der legendäre Ruf des AFN: Berliner kauften der Abrissfirma sogar noch Teile des Stahlturms als Souvenir ab.

Der Autor ist Reporter im Tagesspiegel-Ressort Berlin-Brandenburg. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin der Zeitung.

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