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Die Neuen Kammerspiele in Kleinmachnow an der Karl-Marx-Straße.

© Anett Kirchner

Neues Kammertheater jenseits von Zehlendorf: Höher, besser, schneller: nicht mit uns

Kleinmachnow hat jetzt seine eigene feste Laienspielgruppe. Denn zum Konzept der „Neuen Kammerspiele Kleinmachnow“ gehört es, Kultur vor Ort zu leben.

Handgemacht, ehrlich, raffiniert: Wenn sie Theater spielen, vergessen sie die Welt um sich herum, geben alles, was sie emotional zu bieten haben. Die Bühne wird dann zu ihrem zweiten Zuhause. Sie leben das Stück, spielen sich geradezu in Trance. So beschreiben es zumindest die Mitglieder eines neuen Theaterensembles in Kleinmachnow. Einen Steinwurf von Zehlendorf entfernt haben sie seit Anfang des Jahres ihre Heimstätte im kleinen Saal der Neuen Kammerspiele Kleinmachnow aufgebaut. Das sogenannte „Kammertheater“ ist das erste Laientheater in dieser Form in Kleinmachnow überhaupt.

Sechs Theaterbegeisterte aus der Region haben sich hier zusammengefunden. Drei davon sind alte Bekannte aus Zehlendorf: Jörg Klein, Dagmar Keck (ehemals Ostermann) und Detlef Keck haben zuvor bei der Laientheatergruppe „Schattenlichter“ in Zehlendorf mitgespielt. Nun gehen sie neue, eigene Wege.

Das erste Stück, das sie auf die Bühne bringen wollen, ist Woody Allans Komödie „Spiel’s noch einmal Sam“. Darin geht es um den Filmkritiker Allan Felix, dessen Ego einen enormen Knacks erleidet, weil er von seiner Frau verlassen wird. Seine Freunde Dick und Linda machen sich auf die Suche nach einer neuen Partnerin für ihn. Doch sobald Allan mit einer Dame zusammentrifft, schafft er es nicht, sich zu entspannen und macht sich lächerlich. Zum Glück steht ihm aber sein großes Vorbild Humphrey Bogart, der ihm ständig im Traum erscheint, mit Ratschlägen zur Seite.

Kleinod in einer kommerzialisierten Welt

Die Geschichte verspricht, amüsant zu werden. Und das ist pure Absicht, oder vielmehr, sie soll urkomisch sein, hofft Jörg Klein, der den Allan spielen wird. „Im Grunde handelt das Stück in einer Traum- und Fantasiewelt“, beschreibt er. Und besonders grotesk seien die Auftritte des Humphrey Bogart, gespielt von Detlef Keck. Ebenso mit auf der Bühne stehen Dagmar Keck, Marcus Adebahr und Cornelia von Hammerstein. Einmal wöchentlich, jeweils dienstags, wird geprobt. Premiere soll im März 2018 sein.

Probe des Kammertheaters im kleinen Saal der Neuen Kammerspiele.
Probe des Kammertheaters im kleinen Saal der Neuen Kammerspiele.

© Anett Kirchner

Das sechste Mitglied im Team ist Petra Ostrowski, die sich vornehmlich um organisatorische Dinge hinter der Bühne kümmert. Seit ihrer Kindheit lebt sie in Kleinmachnow und kann einschätzen, wie die Menschen hier ticken. In dem Ort gebe es eine starke, traditionelle Kulturszene, viele Künstler lebten hier. „Ein Laientheater fehlte bislang und das wollen wir jetzt fest etablieren“, sagt sie. Denn ein solches Kleinod sei selten geworden, in der heutigen Zeit, in der vielmals wirtschaftliche Zwänge dominierten.

Größer, höher, besser, schneller: nicht mit und bei ihnen. „Wir glauben, dass wir aus eigener schöpferischer Kraft uns hier etwas aufbauen können“, erklärt sie. 80 Plätze in dem kleinen Saal müssen jedoch erst einmal gefüllt werden. Ihre Herangehensweise: publikumsnah sein; während und nach den Auftritten. „Uns kann man persönlich erleben, wir sind nicht einfach weg“, ergänzt Petra Ostrowski.

Kultur zum Anfassen

Und mit dieser Einstellung verkörpert die Theatergruppe auch die Philosophie des Hauses der Neuen Kammerspiele in Kleinmachnow. Hier gelten ein unkomplizierter Umgang miteinander und Nahbarkeit als höchstes Gebot. „Wir sind nicht so unglaublich professionalisiert“, sagt Carolin Huder, die Geschäftsführerin. Sie und die Kinoleiterin Valeska Hanel packen selbst mit an, wollen Menschen zum Anfassen sein. Man kennt sich hier. „Ich werde häufig im Supermarkt angesprochen und gefragt, was heute Abend bei uns im Programm läuft“, schildert sie und sagt mit Stolz, dass die Neuen Kammerspiele mittlerweile wieder das kulturelle Herz von Kleinmachnow seien – mit Kino, Theater und Kneipe.

Geschäftsführerin Carolin Huder (links) und Kinoleiterin Valeska Hanel.
Geschäftsführerin Carolin Huder (links) und Kinoleiterin Valeska Hanel.

© Anett Kirchner

Denn das Traditionshaus an der Karl-Marx-Straße hat eine bewegte Geschichte. 1936 als reines Lichtspielhaus erbaut, überstand es den Zweiten Weltkrieg, den Mauerbau und den Mauerfall. Bauherr und Betreiber war Karl Bornemann, der Großvater des heutigen Eigentümers. In den 1960er Jahren wurden die Kammerspiele verstaatlicht, nach dem Ende der DDR an den Erben des Erbauers rückübertragen. Neben Kinovorführungen nutzte man das Haus seither auch für politische Veranstaltungen, Tanzkurse, Lesungen und als Künstlertreff. Nach dem Mauerfall schwand das Interesse an den Veranstaltungen hier. Es drohte die Schließung.

Im Sommer 2012 gründeten Carolin Huder und Michael Martens die erste Kulturgenossenschaft Brandenburgs, im darauf folgenden November übernahm die Genossenschaft als neue Pächterin den Betrieb der Kammerspiele. Als Zeichen eines Neuanfangs nannten sie das Traditionshaus fortan „Neue Kammerspiele Kleinmachnow“.

Berlinale-Kino vor den Toren Berlins

Carolin Huder führt inzwischen die Geschäfte allein, seit sechs Jahren wird sie von Valeska Hanel unterstützt. Das Haus zählt jährlich etwa 60.000 Besucher. Es hat zwei Mal den Kinoprogrammpreis bekommen und gehört zu den Berlinale-Goes-Kiez-Kinos. Auf der Bühne im großen Saal standen bereits Persönlichkeiten wie Harry Rowohlt, Axel Hacke, Martin Sonneborn, Sarah Kuttner und Herbert Köfer.

Besonders wichtig ist den Betreiberinnen aber zudem die Förderung lokaler Projekte, wie sie sagen: „Wir leben Kultur vor Ort.“ So gibt es hier beispielsweise eine eigene kleine Oper, eine Musical-Manufaktur, Gesangsunterricht und jetzt eben auch das Kammertheater. All das wird vor allem von dem 2014 gegründeten Förderverein „Freundeskreis der Neuen Kammerspiele Kleinmachnow“ unterstützt.

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