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Joachim Gleich leitet seit 25 Jahren Berlins größte Musikschule: Er freut sich auf 18 neue festangestellte Mitarbeiter.

© Anett Kirchner

Leo-Borchard-Musikschule Steglitz-Zehlendorf: Verlorenes Vertrauen zurück gewinnen

Die Musikschule in Steglitz-Zehlendorf ist mit 7000 Schülern die größte Berlins. Nach einer Verwaltungskrise will Musikschulleiter Joachim Gleich mit mehr Personal neue Angebote entwickeln - und Schüler zurückgewinnen. Ein Interview

Erste wichtige Schritte sind getan. Gleichwohl gilt es noch eine große Wegstrecke zurückzulegen, bis die Musikschule Steglitz-Zehlendorf wieder auf gesicherten Beinen steht. Vor etwa drei Jahren wurde ihr sinnbildlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Wegen einer Haushaltssperre im Bezirk konnten keine Schüler mehr aufgenommen werden. Die bis dahin ohnehin angespannte personelle und finanzielle Lage in der Musikschule entwickelte sich zu einer dramatischen Verwaltungskrise (wir berichteten). Was sich seitdem verändert hat und wie die Situation heute aussieht, erzählt uns Joachim Gleich in einem Interview. Er ist seit mehr als 25 Jahren der Leiter der Leo-Borchard-Musikschule.

Verglichen mit den Vorjahren ist es in letzter Zeit ruhig geworden um die Musikschule. Wie kommt es?

Die Lage in der Verwaltung hat sich deutlich stabilisiert. Gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mit externer Unterstützung haben wir Geschäftsprozesse neu definiert und aufgeteilt sowie die Arbeitsschritte optimiert. Das fängt beispielsweise bei den Neuanmeldungen an, geht weiter mit den monatlichen Abrechnungen der Honorare bis hin zu den telefonischen Sprechzeiten, die wir erweitert haben.

Warum wurde das nicht schon früher gemacht?

Weil jahrzehntelang gespart wurde, bis es quietschte – vor allem beim Personal. Inzwischen hat sich die Situation ein wenig entspannt. Wir haben zwei neue Mitarbeiterinnen in der Verwaltung und sind jetzt insgesamt zehn Leute im Team. Zudem waren wir die erste von den zwölf Berliner Musikschulen, die mit einer neuen Software arbeitete. Wir konnten nicht auf die Erfahrung anderer zurückgreifen. Noch dazu die Software gewisse Mängel hatte und ständig abstürzte. Inzwischen wurden diese Probleme behoben. Sie sehen, wie so oft gibt es nicht nur eine Ursache. Ich könnte noch viele weitere Gründe nennen, die letztlich die schwere Krise in unserer Verwaltung auslösten…

… also mich würden alle Gründe interessieren?

Genau genommen ist schon alles darüber geschrieben und gesagt worden. Ich schaue lieber nach vorn in die Zukunft.

Die Geschäftsstelle der Leo-Borchard-Musikschule in der Martin-Buber-Straße in Zehlendorf.
Die Geschäftsstelle der Leo-Borchard-Musikschule in der Martin-Buber-Straße in Zehlendorf.

© Anett Kirchner

Wie sieht denn die nahe Zukunft der Musikschule in Steglitz-Zehlendorf konkret aus?

Wir werden bis Ende des Jahres 18 Musikschullehrkräfte fest anstellen. Die ersten Bewerbungsverfahren laufen bereits. Das ist zwar zunächst der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, aber zumindest ein erster Schritt. Damit werden wir das Ziel erreichen, das auch der Senat in seiner Koalitionsvereinbarung festgelegt hat, nämlich 20 Prozent der Lehrkräfte fest anzustellen. Bisher arbeiteten bei uns 97 Prozent der circa 300 Musikschullehrer auf Honorarbasis.

18 feste Stellen bei 300 freien Lehrern ergeben aber weniger als 20 Prozent Festangestellte.

Das stimmt. Danach müssten es circa 60 feste Stellen sein. Hier wird aber nicht nach Köpfen gerechnet sondern nach Unterrichtsstunden. Denn manche Lehrkräfte unterrichten nur wenige Stunden im Monat, andere täglich viel mehr.

Und wie finanzieren sich die 18 neuen Stellen?

Unsere Musikschule wird ohnehin zu fünfzig Prozent vom Land Berlin subventioniert. Im aktuellen Haushalt stellt der Senat für die zwölf Musikschulen zusätzlich 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Gelder sind zweckgebunden für 105 fest angestellte Musikschullehrer in ganz Berlin. Wie viel Geld wir für unsere 18 Stellen davon bekommen und wann das sein wird, weiß ich bis jetzt noch nicht. Im Moment erfasst der Senat die Daten, um einen Schlüssel für den jeweiligen Finanzbedarf der einzelnen Musikschulen zu berechnen.

In welchen Bereichen werden Sie Musikschullehrer fest anstellen?

Wichtig sind uns vor allem Kompetenzen im schulischen Bereich, denn wir haben Kooperationen mit rund 30 Schulen in Steglitz-Zehlendorf - im außerschulischen Unterricht. Das soll künftig noch mehr ein inhaltlicher Schwerpunkt unserer Musikschule sein. Zusätzlich haben wir jetzt ganz aktuell zum Beispiel eine interne Orchesterschule mit drei Unterrichtsstufen aufgebaut.

Was versprechen Sie sich von festen Lehrkräften?

Mit ihnen können wir unsere pädagogischen Konzepte ausbauen und umsetzen. Sie werden die Eltern beraten; etwa wenn ein Kind besonders musisch begabt ist. All das können wir von Honorarkräften nicht verlangen, denn diese sind in ihren Unterrichtskonzepten frei.

Es gab in der Vergangenheit schwere Vorwürfe von den Musikschullehrern, weil Honorare unregelmäßig gezahlt wurden und sie um ihre Existenz bangen mussten. Wie sieht das heute aus?

Seit eineinhalb Jahren zahlen wir die Honorare pünktlich. Doch bis dahin war es ein steiniger Weg und wir mussten uns damit auseinandersetzen, ob wir als Verwaltung versagt haben. Die Antwort ist: nein. Denn die Schmerzgrenze des Machbaren mit unserem Personal war lange überschritten. Je höher die Arbeitsdichte desto höher der Krankenstand. Das ist ein Teufelskreis. Jetzt versuchen wir Stück für Stück das verlorene Vertrauen der freien Mitarbeiter zurück zu gewinnen. Ich kann ihren Frust nachvollziehen, denn ich war früher selbst freier Mitarbeiter und habe an unserer Musikschule unter anderem Schlagzeug unterrichtet.

Wie viele Musikschullehrer und Schüler haben Sie in der schweren Zeit der Verwaltungskrise verloren?

Lehrer sehr wenige, vielleicht zwei oder drei. Die meisten haben die Zähne zusammen gebissen und durchgehalten. Zum Glück. Schüler waren es hingegen mehr – aufgrund des Aufnahmestopps. Hier haben wir einen Rückgang von acht bis zehn Prozent verzeichnet.

… und wie viele Schüler sind es derzeit insgesamt?

Knapp 7000 Schüler werden bei uns derzeit unterrichtet. Unsere Musikschule in Steglitz-Zehlendorf ist die größte in Berlin und deutschlandweit teilen wir uns den ersten Platz abwechselnd mit Hamburg. Nichts desto trotz wollen wir die verlorenen Schülerinnen und Schüler zurückgewinnen und sind jetzt dabei, neue Angebote zu entwickeln.

Welche sind das zum Beispiel?

Im März wird es ein Musikfestival mit den Ensembles und Bands der Schulkooperationen geben. Überdies gibt es eine neue Konzertreihe „Happy Fridays – Jazz meets Klassik“, die jeweils im Bali-Kino in Zehlendorf stattfindet. Und auch für Erwachsene haben wir gerade ein neues Angebot unter dem Motto „Zeit für Musik“ entwickelt.

Ein Bezirksverordneter hat die Musikschule einmal als „Leuchtturm der musikalischen Bildung in Berlin“ bezeichnet. Ihre Meinung dazu?

Das zeigt die Wertschätzung der Bezirkspolitik für unser Haus und macht deutlich, dass keine finsteren Mächte am Werk sind, um die Musikschule zu demontieren. Das hatten manche Musikschullehrer befürchtet. Wir werden Schritt für Schritt unser Haus strukturell weiter entwickeln, bitten aber auch um Verständnis, dass jahrzehntelange Versäumnisse nicht mit einem Handstreich wegzumachen sind.

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