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Didi Hallervorden, Schauspieler und Intendant, neuer Hausherr im "Schlossparktheater" in Berlin-Steglitz. Foto: Thilo Rückeis

© Thilo Rückeis

Dieter Hallervorden wird 80: Eine Flasche Pommes mit Folgen

Happy Birthday, Didi! Heute wird der große Komödiant Dieter Hallervorden 80 Jahre alt. Feiern will er, wo auch sonst, auf der Bühne seines Schlossparktheaters.

Wenn einer 80 wird und immer noch das große Rad dreht, dann fragen natürlich alle: Wie lange geht das denn gut? Bei Dieter Hallervorden nicht. Er federt in den Knien lockerer als mancher Frührentner, macht sich mit dem weißen Rauschebart sogar vorsätzlich älter, und dass er in der Programmvorschau vor der Presse Bette Davis nennt, wenn er eigentlich Doris Day sucht, ist ein klassisch branchentypischer Hänger und jedenfalls kein Honig im Kopf.

Das Leben der Schauspielerin auf die Bühne zu bringen, sagt er, sei aber bislang nur eine Projektidee, die nicht funktioniere, wenn die Hauptrolle nicht prominent besetzt sei – und das sei ihm noch nicht gelungen: „Helene Fischer wird es wohl nicht machen.“

Ein echter Hans im Glück

Einmal Rampensau, immer Rampensau – daran wird sich, den berühmten Berliner Komödianten betreffend, auch nichts mehr ändern. Sein Leben war, wie es scheint und wie er es selbst in seiner Biografie schildert, bei allen anfänglichen Beschwernissen vor allem eine Reihung von knackigen Pointen, die meist auf ein glückliches Ende hinausliefen. Haben sie ihn nicht alle für verrückt erklärt, als er 2008 sein millionenschweres Erspartes in das verrottete Schlossparktheater steckte, alles auf eine Karte setzte?

Nun marschiert der Spielbetrieb sogar erstmals in die schwarzen Zahlen, weil die Lottostiftung mithilft und auch der Senat ein kleines Subventiönchen lockergemacht hat. Doch vom Staatstheater ist er, ein echter Hans im Glück, bislang so weit entfernt wie eh und je: Die ganze Spielzeit 2015/16 „liegt auf meinen Schultern, alle Verträge habe ich unterschrieben“. Und mit „Amadeus“ steht ein Stück im Mittelpunkt, das das Haus bis an die Grenzen fordert.

Der Lacher galt auf den Bühnen

Unangepasst angepasst: Es gab früher immer eine gewaltige Lücke zwischen dem, was Dieter Hallervorden tat und dem, was er gern tun wollte. Als Didi in „Nonstop Nonsens“ und Knallcharge in unzähligen ähnlichen Programmen hat er alles durchexerziert, was sich für eine echte Nervensäge gehört, hat grimassiert und scheußliche Klamotten getragen und grausam doofe Brillen aufgesetzt und über Jahrzehnte keine Pointe weggegeben, auch wenn sie noch so flach war – alles hochprofessionell, aber eingestandenermaßen, um Geld zu verdienen und Spaß zu haben, als Clown, der wusste, dass auf seinen Bühnen der Lacher galt und nicht das Niveau.

Der Charakterdarsteller blitzte nur alle paar Jahre mal durch, erst das eigene große Traditionstheater konnte schließlich klarstellen, dass ihm vor allem auch ernste Stoffe und ernste Rollen am Herzen liegen.

Nostalgische Erheiterung und großes Staunen

Und trotzdem sagen immer noch alle, die den Namen Hallervorden hören: „Palim, palim.“ Das klebt an ihm seit Jahrzehnten, er muss da wirklich ein Erdbeben der entfesselten Komik losgetreten haben, nicht wahr? Wenn man das Stückchen, in dem es ja wesentlich um die Unmöglichkeit einer Flasche Pommes frites geht, heute wieder sieht, dann mischt sich unter die nostalgische Erheiterung auch großes Staunen: Ach, so einfach war es damals, die Straßen leer zu fegen? Mit Sketchen dieser Flughöhe?

Da spielte er dann auch noch den Butler, der dem Dienstherren den Tod der Kuh Elsa mitteilt und erst häppchenweise auf die dahinterliegende Brandkatastrophe zu sprechen kommt, er verkaufte den Scheuerlappen, der eigentlich ein „Zumsel“ sei und auf Napoleon zurückgehe, und er stieg ins Wasser zum krassen Duett „Die Wanne ist voll“ mit Helga Feddersen, für das das Wort „Fremdschämen“ vermutlich erfunden wurde – auf ewig im Gedächtnis gehalten durch YouTube und die Dauerwiederholungsschleifen im Fernsehen.

Wo kommt das alles her?

Heute macht man diese Art Komik eigentlich nicht mehr, Sketche und „gespielte Witze“ sind generell und zu Recht verboten. Aber man macht ja auch die Art Komik von Loriot nicht mehr, und vielleicht ist es gerade diese doppelte Leerstelle, die die Erinnerung an beides so lebendig hält.

Wo kommt das alles her? Hallervorden ist kein gebürtiger Berliner, wurde geboren am 5. September 1935 in Dessau. Bei den Pimpfen war er der kleine Dieter, mit dem sich niemand hauen wollte, sein Vater trug krankheitshalber zwei Beinprothesen. Der Scherzkeks in der Familie war die Mutter, die alle mit drastischen Späßen unterhielt – nachzulesen in Hallervordens Biografie „Wer immer schmunzelnd sich bemüht“ von 2005.

Die Liebe zum Kabarett - lange einseitig

Vokuhila-Didi 1995 in einem ARD-Spot.
Vokuhila-Didi 1995 in einem ARD-Spot.

© dpa

Ein reicher Onkel zeigte ihm Berlin und die Lockrufe der Metropole, in die er 1953 nach dem Abitur umzog, um Romanistik an der Humboldt-Universität zu studieren. Fünf Jahre später setzte er sich nach West-Berlin ab, belegte an der FU zusätzlich die Fächer Publizistik und Theaterwissenschaft – und plante, wie er selbst berichtet, mit einem Freund ein Attentat auf Walter Ulbricht, das aber über das Projektstadium nicht hinauskam.

Er spielte erfolglos und verschuldet

Im Studium wuchs die Liebe zum Kabarett, das ihn nicht zurückliebte, denn bei den „Stachelschweinen“ wollte man ihn nicht haben. Also gab er das Studieren auf, blitzte beim Max-Reinhardt-Seminar ab, nahm privat Schauspielunterricht, arbeitete dann an der „Tribüne“ und bei den „Vaganten“ und machte schließlich, es half ja nichts, 1960 die „Wühlmäuse“ auf, seinen eigenen Laden.

Dort allerdings spielte er, verschuldet und erfolglos, oft vor zehn Leuten – und erfand deshalb den Narren Didi, der ihm eigentlich fernsteht, weil er eher zur Niedergeschlagenheit als zum Albernsein neige.

Der leicht irre Ausdruck, den er auf seinem irregulären Gesicht jederzeit erzeugen konnte, brachte ihm aber auch erste Charakterrollen im Fernsehen ein, als Gangsterboss im „Millionenspiel“ und als aus der Anstalt entflohener Anhalter im Thriller „Der Springteufel“.

Millionen rührte er zu Tränen

Dann kam 1975 „Nonstop Nonsens“ mit allen späteren Kollateralschäden, zu denen schließlich auch die Moderationstätigkeit für „Verstehen Sie Spaß“ gehörte. Seit er sich aber mit dem Theaterkauf in Steglitz ganz fürs eher seriöse Fach entschieden hat, läuft es auch mit anderen Filmrollen.

Dieter Hallervorden auf der Bühne des Schlosspark-Theaters.
Dieter Hallervorden auf der Bühne des Schlosspark-Theaters.

© dpa

Seine Glanznummer ist der fidele Alte, der es noch mal allen zeigt. Als fitter Hallodri in „Die Spätzünder 2“, als gegen den Tod ankämpfender Marathonläufer in „Sein letztes Rennen“ und natürlich als langsam in die Demenz driftender Rentner in Til Schweigers „Honig im Kopf“, eine Darstellung, mit der er Millionen Kinobesucher zu Tränen rührte.

Zum 80. Geburtstag spendiert ihm die ARD den Film „Chuzpe“, die Geschichte eines Holocaust-Überlebenden, der nach sechs Jahrzehnten von Australien zurück nach Berlin zieht, wo seine Tochter lebt. Dort tut er sich mit zwei lebenslustigen Polinnen zusammen und gründet ein Fleischklops-Restaurant.

Ein Song klinge nach Pegida

Bei alldem bleibt Hallervorden nicht nur in seinen Rollen, sondern auch privat ein seltsamer Dickkopf. Als im Schlosspark-Stück „Mein Name ist Rappaport“ ein Schauspieler mit geschwärztem Gesicht auftrat, ließ er den Rassismus-Vorwurf an sich abtropfen – mit dem zweifellos zutreffenden, aber etwas kurz greifenden Argument, er sei nun wirklich kein Rassist.

In Wien nahm er kürzlich die „Romy“ für „Honig im Kopf“ entgegen und provozierte mit der irgendwie österreich-kritisch gedachten Bemerkung, er nehme diese Trophäe nun „heim ins Reich“. Alles Absicht, sagte er hinterher, eine satirische Pointe mit Vorbedacht.

Ähnliche Folgen könnte der Song „Ihr macht mir Mut“ haben, der ebenfalls am 5. September, seinem Geburtstag, erscheinen soll, und den er mit seinem 17-jährigen Sohn ausgedacht hat. In einem Interview der „Bild am Sonntag“ wurde ihm gerade vorgehalten, der Text klinge in seinem Rundumschlag gegen alle und jeden leicht nach Pegida.

Im kommenden Jahr wieder auf der Bühne

Nein, antwortet er, „ich bin dafür bekannt, dass ich alles andere als auf der rechten Seite stehe, ich würde da nicht nur mitmarschieren, ich würde dagegen demonstrieren.“ Aber er wolle versuchen, das Flüchtlingsthema noch einzubauen und auch den Erlös des Liedes Flüchtlingen zukommen zu lassen.

Kurve gekriegt. Wohin geht es weiter? Filmrollen sind nicht in Sicht; er bezweifle, sagt er, dass Til Schweiger wieder mit ihm drehen wolle – da sind zwei Alpha-Tiere bei den Dreharbeiten hart aneinandergerasselt. Und dann redet er bei der Programmvorstellung am Dienstag im Schlosspark-Theater über eine Schwächeperiode: Von Mai bis Juli habe er sich den Kopf freimachen, die Batterien aufladen müssen, was wohl auf der abgeschiedenen Privatinsel in der Bretagne geschah.

Doch dabei sei ihm klar geworden, dass er nicht einfach aussteigen könne: Nun wird er im kommenden Januar wieder selbst auf der Bühne stehen, als Geheimrat Clausen in Gerhart Hauptmanns Drama „Vor Sonnenuntergang“.

Der neue Spielplan steht, und Hallervorden hat neben sich selbst bekannte Kollegen wie Jürgen Heinrich, Katja Weitzenböck und Michaela May verpflichten können, die bei ihm sicher keine Traumgagen verdienen. Entscheidend für die kommenden Jahre aber ist der Senat.

Eine Neuauflage von "Sunny Boys"

„Tim Renner ist ja nicht gerade als großer Freund der Privattheater bekannt“, sagt Hallervorden skeptisch über den Kulturstaatssekretär und äußert die Befürchtung, dass der Topf mit den öffentlichen Mitteln wie bisher vor allem vom Renaissance-Theater geleert werde, das im gleichen Rollenfach unterwegs ist. Und auch Lottogelder sind nie sicher.

Ach, Herr Hallervorden, wie wäre es denn mal mit einer Neuauflage von „Sunny Boys“, Neil Simons Boulevard-Klassiker, der 2013 in Steglitz so erfolgreich war? Es käme auf die Nachfrage an, sagt er, „das Bühnenbild steht noch, und die Darsteller leben noch“. Seinen Geburtstag feiert er, stilgerecht, auf der Bühne: bei der Premiere von „Amadeus“.

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