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Flüchtlingsunterkunft oder Turnhalle: CDU-Fraktionschef Torsten Hippe behauptet, es gäbe keinen Ersatzstandort.

© Anett Kirchner

BVV Steglitz-Zehlendorf: Flüchtlingsunterkunft Osteweg: Die Suche nach einem Ersatzstandort

Alle Fraktionen sind sich einig: Am Osteweg 63 soll keine Flüchtlingsunterkunft entstehen, hier soll eine Schulturnhalle gebaut werden. Und doch gibt es Streit - über mögliche Ersatzstandorte.

Die Bedeutung des Wortes "perfide" beschreibt der Duden mit "niederträchtig, in besonders übler Weise gemein". Das schien Torsten Hippe, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Steglitz-Zehlendorf, nicht ganz zu genügen. In der BVV-Sitzung am Mittwoch sprach er sogar von der "Krone der Perfidität", die die SPD-Fraktion mit einem Dringlichkeitsantrag schaffe. Darin verlangt die SPD von der Bezirksbürgermeisterin, Ersatzstandorte zur Unterbringung Geflüchteter für den vom Senat vorgeschlagenen Standort Osteweg zu benennen. Die Zeit dränge. Bis Sommer müsse eine Lösung her. "Aber wir haben keinen Ersatzstandort", konstatierte Hippe.

Weil sich die Dringlichkeit des SPD-Antrages der AfD-Fraktion nicht erschloss, wie sie sagte, widersprach sie dieser und es musste darüber abgestimmt werden. Da die CDU sich enthielt, erreichten die Stimmen von SPD, Grüne, FDP und Linke nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit. "Die Dringlichkeit des Antrags ist somit nicht gegeben", erklärte Bezirksverordnetenvorsteher René Rögner-Francke (CDU). Doch die Debatte zum Thema "Unterkunft für Geflüchtete am Osteweg 63" war damit an diesem Abend nicht vom Tisch. Im Gegenteil. Eine Große Anfrage der CDU dazu wurde fast zwei Stunden diskutiert.

Sporthalle statt Flüchtlingsunterkunft

"Wir alle wissen doch, dass am Osteweg 63 eine dringend benötigte Sporthalle errichtet werden soll", erzählte Torsten Hippe. Zudem erfülle der Standort nicht die Kriterien für eine solche Unterkunft. Obwohl der Senat all das wisse und ihm bekannt sei, dass der Bezirk keine Ersatzgrundstücke habe, schlage er diesen Standort vor. Für Hippe sei das, "sich an der Not anderer zu weiden." Das klang durchaus emotional aus dem Munde des CDU-Fraktionschefs. Noch dazu er im Verlauf der Debatte um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema warb und sagte, dass das Gefühl der Feind jeder rechtlichen Betrachtung sei.

"Sie geben vor, sachlich zu sein, doch ich höre auch viel Gefühl", bemerkte Carolina Böhm (SPD), Bezirksstadträtin unter anderem für Integration. Sie bestätigte, dass es nicht im bezirklichen Interesse sei, am Osteweg eine Unterkunft für Geflüchtete errichten zu lassen. Der Standort sei für schulische Zwecke vorgesehen; am Osteweg 53 für einen Schulneubau und am Osteweg 63 für eine Sporthalle. "Die Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski hat deshalb gegen den Standort Widerspruch eingelegt", erklärte Böhm. Richter-Kotowski (CDU) war am Mittwoch nicht anwesend, weil sie sich auf einer Reise in Israel befand.

Ersatzstandorte sind im Bezirksamt im Gespräch

Dass Senat und Bezirk hier gegeneinander ausgespielt würden, wies die Bezirksstadträtin zurück. Der Bezirk habe sich der Aufgabe der Unterbringung von Geflüchteten zu stellen. Es seien einige Grundstücke als Ersatzstandorte im Gespräch. "Die befinden sich aber noch in der Abstimmung im Bezirksamt und deshalb möchte ich sie heute noch nicht öffentlich nennen", erklärte sie. Wenn die Bürgermeisterin von ihrer Reise zurück sei, werde darüber entschieden.

Am Osteweg 63 ist eine Turnhalle geplant; auf einem Nachbargrundstück soll eine neue Schule entstehen.
Am Osteweg 63 ist eine Turnhalle geplant; auf einem Nachbargrundstück soll eine neue Schule entstehen.

© Anett Kirchner

Jan Kellermann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, kritisierte das zögerliche Vorgehen des Bezirkes in dieser Sache. Er hatte eine Art Chronik von BVV-Anträgen, Großen und Kleinen Anfragen der letzten Jahre zu dem Thema zusammengestellt. Bereits seit 2013 werde über die Unterbringung von Geflüchteten in der BVV diskutiert. Stets nach demselben Muster: der Bezirk melde die Grundstücke nicht, danach benenne der Senat einfach Grundstücke. Jetzt hoffe er, dass das Bezirksamt endlich alternative Standorte vorschlage. "Sonst profitieren am Ende davon wieder Leute, die nur Ängste schüren wollen", resümierte er.

Linke: CDU blockiere die Unterbringung von Geflüchteten

Während Jan Kellermann die Fehler eher im Bezirksamt sah, richtete Volker Graffstädt von der AfD-Fraktion seine Kritik vor allem gegen den Senat. "Das Vorgehen zeigt, das dem Senat die Interessen der Anwohner und die Planungen des Bezirkes unwichtig sind", verdeutlichte er. In Bezug auf die Ausführungen von der Bezirksstadträtin Carolina Böhm ergänzte seine Fraktionskollegin Yvonne Cremer noch, dass sie es traurig finde, dass die möglichen Ersatzstandorte hier nicht öffentlich diskutiert würden. "Damit lassen sie die Anwohner wieder im Ungewissen", erklärte sie.

Rund um den Osteweg in Lichterfelde liegt ein Wohngebiet, das Gewerbegebiet Goerzallee befindet sich in unmittelbarer Nähe.
Rund um den Osteweg in Lichterfelde liegt ein Wohngebiet, das Gewerbegebiet Goerzallee befindet sich in unmittelbarer Nähe.

© Anett Kirchner

Senat oder Bezirk? Immer wieder wurde der Ball hin und her gespielt. Dem Gegenüber hatte die Linksfraktion einen anderen "Blockierer" ausgemacht. "Dass sich die CDU bei dem Dringlichkeitsantrag heute enthalten hat, das finde ich unverantwortlich und peinlich", meinte Hans-Walter Krause. Denn damit blockiere die CDU, dass hier im Bezirk weitere Geflüchtete untergebracht werden könnten.

In der Grundfrage einig: anderer Standort muss her

"Ich habe diese Zankerei, dieses hin- und herschieben der Schuld satt", erläuterte daraufhin die sichtlich aufgebrachte Fraktionsvorsitzende der Grünen, Tonka Wojahn. Wir seien es den geflüchteten Menschen schuldig, endlich zu liefern. Dafür müssten sich alle zusammensetzen und Standorte suchen. Schulkinder gegen Flüchtlinge. Naturschutz gegen Flüchtlinge. Auf diese Diskussionen lasse sie sich nicht ein. Seit 2013 werde darüber debattiert, wiederholte sie noch einmal und ergänzte: "Wir machen uns lächerlich, wenn wir die Menschen hier im Bezirk nicht unterbringen."

Eine Art Zusammenfassung lieferte anschließend noch Rolf Breidenbach, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender. Er habe sich über die CDU gewundert, dass sie sich bei dem Dringlichkeitsantrag enthielt. "Mit dem Beschluss der BVV hätten sie doch der Bezirksbürgermeistern wunderbar den Rücken stärken können", bemerkte er. Dass Carolina Böhm die denkbaren Ersatzstandorte jetzt noch nicht nenne, dafür habe er Verständnis. Denn diese müssten zunächst geprüft werden. "Transparenz nützt hier nichts, wenn die Standorte übermorgen wieder verworfen werden", erklärte er. In der Grundfrage aber seien sich doch alle einig: möglichst eine Alternative für den Standort Osteweg zu finden.

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