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Um einen Platz im Bus zu ergattern, muss man jetzt oft 20 Minuten warten.

© Kitty Kleist-Heinrich

BVG kontra Einwohner: Die Bus-Posse von Zehlendorf

"Gelebte Routine" nennt die BVG ihren Fahrplanwechsel auf der Clayallee. Dabei müssen die Einwohner trotz vieler Busse nun längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Der Zehlendorf Blog ist dem Problem nachgegangen.

Der ältere Herr versteht die Welt nicht mehr: „Früher ist hier doch ständig ein Bus gefahren“, beschwert sich der Rentner beim Busfahrer, „jetzt kommt gar keiner mehr.“

Hier, das ist die Strecke zwischen dem U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim und Zehlendorf Eiche, dem Zehlendorfer Zentrum. Vier Buslinien verkehren auf der Clayallee: der Expressbus X10 sowie die Linien 285, 115 und 623. Das Problem: Trotz der vielen Linien werden seit einiger Zeit bestimmte Haltestellen nur noch im 20-Minuten-Takt angefahren. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember verkehrt der 285er-Bus nach Steglitz nicht mehr im 10-, sondern nur noch im 20-Minuten-Rhythmus. Dafür fährt zwar der X10er jetzt im 10-Minuten-Takt, doch zwischen U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim und Schützallee hält der Bus nicht. Und auch an der Haltestelle Scharfe Straße braust der X10er fahrplanmäßig durch. Wer in der Zehlendorfer Welle einkaufen oder Sport treiben will, kann den Expressbus daher nicht gebrauchen.

Besonders ärgerlich ist die Umstellung aber für die Zehlendorfer, die an den Haltestellen Clayallee 229, Leichhardtstraße oder Scharfestraße wohnen. Das betrifft etwa die Bewohner der Dreipfuhlsiedlung. Sie müssen jetzt lange Wartezeiten in Kauf nehmen, wenn sie die Fahrzeiten der Busse nicht genau abpassen. Der X10er stoppt an diesen Haltestellen nicht. Man ist also auf die anderen Linien und damit auf den 20-Minuten-Rhythmus angewiesen. Und der ist durchaus ernst gemeint. Denn zu allem Unglück kommen die Busse, die diese Haltestellen ansteuern, fast alle zur gleichen Zeit. Und: Der 623er fährt werktags nach 20 Uhr und samstags und sonntags auf diesem Teilstück nicht. Das Nachsehen haben nicht nur die Menschen, die per Bus zum Einkaufen nach Zehlendorf-Mitte oder zum U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim fahren wollen, sondern auch die Schulkinder, die auf die Busse angewiesen sind.

Warten auf den Bus am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim in der Clayallee.
Warten auf den Bus am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim in der Clayallee.

© Tsp/Archiv/J. Cornelius / Creative Commons

Die BVG wirbt für die Vorteile der Fahrplanumstellung. Sie verweist auf den engeren Takt bei den Expressbuslinien X10 und X11 (Krumme Lanke - Schöneweide) und die damit verbundene bessere Anbindung Zehlendorfs an Gropiusstadt und Schöneweide. Zudem würden mehr Verbindungen im 10-Minuten-Takt bedient als vorher. Doch diese Vorteile werden mit Einbußen an anderer Stelle erkauft. "Da im Rahmen der bestellten Verkehrsleistung seitens des Auftraggebers, des Landes Berlin, keine zusätzlichen Leistungen bestellt und bezahlt werden, mussten an anderer Stelle im Netz Änderungen vorgenommen werden, um die Mehrleistungen zu kompensieren", sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Das sei für ein Unternehmen wie die BVG "gelebte Routine" und erfolge immer nach sorgfältiger Prüfung der Fahrgastnachfrage.

Tagesspiegel-Redakteurin Heike Jahberg.
Tagesspiegel-Redakteurin Heike Jahberg.

© Kai-Uwe Heinrich

Die Nachfrage wird die BVG aber in Zukunft erneut überprüfen müssen. Denn die Gegend rund um den U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim ist Boomtown. Auf dem Gelände der Truman Plaza, auf der sich früher das Riesenrad für das Deutsch-Amerikanische Volksfest drehte, entstehen derzeit die „Fünf Morgen“ - Geschäfte, Praxen und Wohnhäuser. Gleich gegenüber wird die frühere Alliierte Kommandatur zur Kanzleien und Lofts umgebaut. Auf dem Gelände des früheren Krankenhauses Oskar-Helene-Heim, auf dem Bagger bereits einen Großteil der Bäume abgeräumt haben, werden 128 Wohneinheiten – Häuser und Wohnungen – errichtet. Auf dem Gelände sind zudem zahlreiche Arztpraxen geplant, eine Privatklinik, ein Wellness-Zentrum, eine Kita sowie ein 110-Betten-Hotel. Die nächste Bushaltestelle: Clayallee 229 – alle 20 Minuten.

Die Autorin arbeitet im Tagesspiegel für das Ressort Wirtschaft und ist unter anderem für Verbraucherthemen zuständig. Der Artikel erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

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