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Seit 2012 steht das Haus in der Schmarjestraße 14 schon leer.

© Raack

Berlin-Zehlendorf: Das Geisterhaus von der Schmarjestraße

Ein Kindergarten musste auf Druck des Bezirksamts schließen, weil es Streit um die Miete gab. Seither steht das Haus allerdings leer - Nachbarn befürchten Schäden in Millionenhöhe.

„Die Lage ist eigentlich hoffnungslos. Da drüben dürfte alles kaputt sein.“ Ulrich Eckhardt biegt Fliederzweige zurück und zeigt über die Grundstücksgrenze hinüber. Ein Wald aus kleinen Kastanien, etwa kniehoch, wächst im Nachbargarten, Efeu reckt im Gras die Tentakeln nach Halt. Die Rollläden im Erdgeschoss sind heruntergelassen, von der Fassade ist an einigen Stellen Putz abgeplatzt und auf die Terrassenplatten gerieselt. Eckhardt schüttelt den Kopf, blickt freudlos auf das Nachbarhaus. „Ich nenne es nur noch das Geisterhaus von der Schmarjestraße.“

111 Jahre ist das Haus in der Schmarjestraße 14 nun alt. Viele verschiedene Bewohner beherbergte es in all den Jahren. Doch seit vier Jahren steht es leer. Dabei sollte es nach dem letzten Willen seiner verstorbenen Besitzer einem sozialen Zweck zugeführt werden. Der Tagesspiegel hatte seinerzeit den jahrelangen Konflikt um die Schließung des Kindergartens in der Schmarjestraße begleitet: Eine Kita, die schließen musste, obwohl sich auch Prominente wie Eberhard Diepgen und Herbert Grönemeyer, der drei Häuser weiter wohnt, für ihren Verbleib eingesetzt hatten.

Nachbar Ulrich Eckhardt kannte die verstorbenen Besitzer noch persönlich und scheint sich ein wenig mitverantwortlich zu fühlen für das, was aus dem Haus wird. „Dort drin ist ganz viel vom Stuck und von den Stofftapeten erhalten; das Haus ist ein Schmuckstück! Aber seit Jahren wird hier nicht geheizt.“ Er und der Nachbar auf der anderen Seite des Hauses hätten doch bemerkt, wenn Öl geliefert worden wäre. Er vermutet immense Schäden, eventuell Wasser im Keller und hinter der Fassade.

Die einstigen Besitzer, das Ehepaar Mehnert, waren kinderlose Musikpädagogen „ganz rührend und sehr philanthropisch“, erzählt Eckhardt zurück in seinem Wohnzimmer. Sie hatten in den achtziger Jahren, noch zu Lebzeiten, das Haus dem Bezirk vermacht, mit der Auflage, es für soziale und kulturelle Zwecke zu nutzen. Am liebsten für alternde Musiker.

Schließlich einigte sich der Bezirk mit der Witwe des in der Zwischenzeit verstorbenen Erblassers, den Verein „Weg der Mitte“ als Mieter einzusetzen. Das sei ein Verein „mit anthroposophischem Touch“, wie Eckhardt sagt, der Yogaausbildungen und Wellnesskurse anbietet – und in dem Haus in der Schmarjestraße von 1988 an einen Kindergarten unterhalten hat. „Da haben die Kinder gegärtnert und musiziert“, erinnert sich Eckhardt. „Das war der Idealzustand für dieses Haus und für das Vermächtnis der Mehnerts.“ Bis der Kindergarten Mitte 2012 das Haus nach langem Hin und Her schließen musste. Seither steht das Haus leer. Am Straßenrand steht noch immer das Schild „Vorsicht Kinder“.

Er vermisse den Kindergarten, sagt Eckhardt. Die Kinder waren brav und die Einrichtung gut geführt. „Die haben sich liebevoll gekümmert um Haus und Garten.“ Er habe sich bei Besuchen im Nachbarhaus mehrmals davon überzeugt. Und fragt sich seit nunmehr vier Jahren: „Warum schmeißt man die raus, ohne einen anderen Mieter oder auch nur eine Idee für die weitere Nutzung zu haben?“ Für Eckhardt ein "Totalversagen des Bezirks."

Blick aus dem Garten von Professor Eckhardt in das Nachbargrundstück: Wo bis vor vier Jahren Kinder tollten und erste Berührung mit Blumen und Pflanzen bekamen, wuchert das Unkraut, Bäumchen wachsen in die Höhe
Blick aus dem Garten von Professor Eckhardt in das Nachbargrundstück: Wo bis vor vier Jahren Kinder tollten und erste Berührung mit Blumen und Pflanzen bekamen, wuchert das Unkraut, Bäumchen wachsen in die Höhe

© Raack

Percy MacLean, der ehemalige Vorsitzende der Kita und Mitglied beim Verein Weg der Mitte, sagt dem Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf, er wisse bis heute nicht, weshalb die Kita ausziehen musste; bis 2006 sei ja alles bestens gelaufen: „Wir haben 1988 die Villa von Frau Mehnert für die Nutzung als Kindergarten gemietet. Die Witwe fand die Idee mit dem Kindergarten prima.“ Die Kita zog in das Untergeschoss ein und im Obergeschoss wohnten die Erzieherinnen. Es habe sechzehn Plätze gegeben und die Kinder seien unter anderem mit Lehrbeeten und Kinderyoga mit der Natur und gesunder Lebensweise vertraut gemacht worden. „Wir fanden es wichtig, unserer hektischen, überdrehten Zeit etwas entgegenzusetzen.“

Dann verkaufte der Bezirk plötzlich über den Verein als Kita-Betreiber hinweg einen Teil des Grundstücks, nämlich 600 Quadratmeter des insgesamt 1600 Quadratmeter großen Gartens, an einen Nachbarn, der sein Grundstück überbaut hatte und sonst sein Haus hätte zurückbauen müssen. Der Verein habe sich gewehrt, einen Teil des Gartens unter diesen Umständen abgeben zu müssen. Auch sei der Preis viel zu niedrig angesetzt gewesen.

"Wir haben Miete bezahlt", sagt der ehemalige Kita-Vorsitzende

Und dann, erinnert sich MacLean, sei der Mietpreis plötzlich um 30 Prozent erhöht worden. Und das Bezirksamt wollte den Wohnmietvertrag in einen Gewerbemietvertrag ändern, der jederzeit kündbar gewesen wäre. Der Weg der Mitte habe aber nicht akzeptieren wollen, dass die Erzieherinnen auf ihren Kündigungsschutz verzichten sollten. In der Öffentlichkeit sei dann behauptet worden, der Weg der Mitte habe gar keinen Mietvertrag gehabt. „Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz wären wir gar nicht verpflichtet gewesen, Miete zu zahlen. Wir haben aber bezahlt.“ Überhaupt sei das Haus bei Einzug der Kita ziemlich abgewohnt gewesen und der Verein hätte alles "in liebevoller Eigenarbeit gestaltet und erhalten".

Das Bezirksamt habe dann mitten im Kitajahr die Kita räumen lassen wollen, erzählt MacLean, aber sie konnten die Räumung durch einen Entscheid des Landgerichts abwenden.

Professor Ulrich Eckhardt, der 27 Jahre Lang die Berliner Festspiele leitete, würde eine Nutzung des Nachbarhauses im Sinne des Erblassers, etwa als Altersstätte für Musiker, begrüßen
Professor Ulrich Eckhardt, der 27 Jahre Lang die Berliner Festspiele leitete, würde eine Nutzung des Nachbarhauses im Sinne des Erblassers, etwa als Altersstätte für Musiker, begrüßen

© Raack

Im Jahr 2009 sei es schließlich zu einem Vergleich beim Oberverwaltungsgericht gekommen, mit dem Ergebnis, dass die Kita bis 2012 in den Räumlichkeiten in der Schmarjestraße bleiben durfte. Das Ganze sei „ein Livekrimi auf dem Rücken der Kinder“ gewesen. „Es ging nur darum, uns rauszuwerfen“, resümiert Percy MacLean, und noch heute, vier Jahre danach, hört man seiner Stimme eine gewisse Bitterkeit an. Vielleicht auch, weil die Kita nach dem Auszug keine finanzierbaren Räume mehr fand. „Für mich ist es ein Unding, sechzehn existierende Plätze zu zerstören, wenn man bedenkt, was es nun kostet, neue Kitaplätze einzurichten.“

Aber, sagt MacLean zum Abschluss, er denke, dass der Bezirk inzwischen eingesehen hat, „dass das nicht optimal gelaufen ist. Sie müssen nun den Willen des Erblassers umsetzen und Bedingungen stellen, die soziale Träger auch erfüllen können - und für entstandene Schäden aufkommen.“ 

Markl-Vieto: Der Verein wollte keine Miete bezahlen

Die zuständige Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto erklärt dem Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf die Zusammenhänge aus der Sicht des Bezirksamts: „Der Kindergarten befand sich im Untergeschoss, aber im ersten Stock wohnten die Mitarbeiter. Miete zahlen wollte der Verein dafür nicht. Damit hatten sie einen geldwerten Vorteil. Das ging dann ein paar Jahre hin und her.“ Das Haus stehe seither leer; es sei eben leider sehr schwierig, dieses Gebäude zu bespielen, sagt Markl-Vieto. „Die Bedingungen, die der Erblasser gestellt hat, nämlich das Gebäude für einen sozialen Zweck zu nutzen, und andererseits die baulichen Voraussetzungen, machen das Ganze nicht einfach. Die Denkmalschutzauflagen sind sehr hoch, wenn man die erste Etage barrierefrei und mit Fluchtweg nutzbar machen möchte.“ Außerdem liege auf der ganzen Zeile eine Grunddienstbarkeit von 1912, die reines Wohnen für das Areal vorschreibt. So seien viele Ideen für die Nutzung „immer wieder gestorben“. Sie sei aber fest entschlossen, das Thema bis Herbst zu lösen. Denn das Gebäude sei zwar sanierungsbedürftig, aber es sei auch „relativ schnell nutzbar“. Ihr Plan sei, eine Verwaltungseinheit reinzunehmen, die sich um die psychosoziale Versorgung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge kümmert.

„Ein Fall für die Dienstaufsichtsbehörde.“

Und was sagt der Nachbar Ulrich Eckhardt dazu? Er war selbst vor über einem Jahr bei Bezirksbürgermeister Norbert Kopp und Stadträtin Markl-Vieto. Eckhardt, der 27 Jahre die Berliner Festspiele geleitet hat, machte bei dieser Gelegenheit eigene Vorschläge: „Ich dachte mir, wenn denen nichts einfällt, könnte man doch ein Künstlergästehaus unterbringen. Als „Villa Mehnert - Gästehaus für Künstler“, mit drei bis vier Wohnungen für Menschen, die im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms temporär in Berlin sind. Im Erdgeschoss könnten Lesungen und Kammerkonzerte im kleinen Rahmen stattfinden. Das käme den Vorstellungen des Vermächtnisgebers am nächsten." Frau Markl-Vieto habe das sehr charmant gefunden und gesagt, darauf würde sie im Zweifel gerne als Plan B zurückkommen. Sie habe aber bereits einen passenden Interessenten gefunden, und die Nachnutzung des Gebäudes stehe kurz bevor. „Seither, ein Jahr später, ist nichts passiert.“ Er überlegt mittlerweile, Strafanzeige zu stellen wegen Untreue im Amt. "Das ist ein Fall für die Dienstaufsichtsbehörde.“

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