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Auch Ilona Bredel und Colin Dorn kämpfen um ihre Idylle.

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Pächter bangen um Idylle am Havelcasino in Gatow: Amt in Spandau will Lauben abreißen

Wenn es nach dem Bezirksamt geht, sollen das traditionsreiche Havelcasino und die benachbarten Lauben in Gatow plattgemacht werden – deren Pächter wehren sich.

Jahrzehntelang war das Havelcasino - am Kladower Damm versteckt im Wald gelegen - ein beliebtes Ziel von Ausflüglern. Ebenso lange sind die Nebengebäude mit den darum liegenden Grundstücken als Wochenendhäuschen verpachtet, daneben neue Lauben entstanden. Doch für drei bis fünf der Laubenpieper soll jetzt Schluss mit der Idylle sein. Ihr Pech ist, dass ihre Lauben ganz oder zum Teil auf dem eher winzige Randstreifen des riesigen Geländes stehen, der dem Land Berlin gehört und vom Spandauer Grünflächenamt verwaltet wird. Das hat den Vertrag mit der Hauptpächterin gekündigt und will die Gebäude abreißen, um neben dem neuen, hier vorbeiführenden Havel-Radweg einen Grünstreifen zu schaffen. Am Ausblick der Radler wird das nichts verändern, denn unmittelbar dahinter stehen die nächsten Lauben, auf dem viel größeren Teil des Areals, der dem Bund gehört und von diesem auch weiterhin verpachtet wird.

Warum soll unser Häuschen weichen, fragt das Ehepaar Hoffmann.
Warum soll unser Häuschen weichen, fragt das Ehepaar Hoffmann.

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Hauptpächterin des gesamten Geländes ist Dagmar Rehberg. Sie hat das Havelcasino18 Jahre lang selbst betrieben. Es war nur in den Sommermonaten geöffnet, in denen es sich großer Beliebtheit erfreute. 2014 hat sich die Wirtin aus der Gaststätte zurückgezogen, aus Altersgründen wie sie sagt. Während sie das übrige Areal mit den Laubenpiepern als Unterpächtern behielt, ging die Gaststätte zurück ans Bezirksamt. Das schloss einen neuen Pachtvertrag mit der Firma SpeiseGut, die eine solidarische Landwirtschaft betreibt. Deren Gemüse und Fleisch vom Bio-Bauern kamen auf die Speisekarte des nunmehr als „HavelGut“ firmierenden Restaurants.

Stromversorgung müsste erneuert werden

Das Restaurant sei „gut angenommen“ worden, doch habe man bald festgestellt, dass das Gebäude „seine Macken“ hat, sagt Antje Matthes von SpeiseGut. So hätte es starke Stromschwankungen gegeben, weil nur eine provisorische Versorgungsleitung vom benachbarten Krankenhaus existiert. Laut Dagmar Rehberg hatte dies in den 18 Jahren ihrer Tätigkeit allerdings nie zu Problemen geführt. Auch sei der Boden im Gastraum an einer Stelle aufgebrochen, so Matthes. Für die Vorpächterin unerklärlich. Man sei nicht bereit gewesen, zur Finanzierung der auf mindestens 50 000 Euro geschätzten Sanierungskosten einen Kredit aufzunehmen, heißt es bei SpeiseGut. Das Casino wurde im Herbst 2015 geschlossen, der Pachtvertrag mit dem Bezirk in diesem Frühjahr aufgelöst.

Kurz danach kündigte das Grünflächenamt den Pachtvertrag mit Dagmar Rehberg für den landeseigenen Teil des angrenzenden Areals zum Jahresende. Sie war daraufhin gezwungen, ihrerseits den insgesamt fünf betroffenen Unterpächtern zu kündigen. Zwei der bezirkseigenen Nebengebäude des Casinos werden von insgesamt vier Parteien jeweils zur Hälfte als Wochenendhäuschen genutzt. „Ich habe noch im Frühjahr im Rathaus nachgefragt und die Auskunft erhalten, dass es keinen Alleingang ohne den Bund geben werde“, sagt Ilona Bredel. Daraufhin habe sie noch das Dach reparieren und einen neuen Schornstein anbauen lassen.

Grenze verläuft zwischen Küche und Schlafzimmer

Im Gebäude dahinter könnte der aus London stammende Colin Dorn laut Aktenlage wohl nur seine Küche behalten. Die Grenze zwischen Bundes- und Landesgrundstück verläuft quer durch das Häuschen, das Schlafzimmer gehört zum Spandauer „Hoheitsgebiet“. „Wir sind hier, weil wir die Umwelt lieben“, sagt der Komponist und Musiker. So habe er schon diverse Feuer gelöscht, die Waldbesucher entzündet hatten. Auch der hintere Teil seines Gartens gehört der bundeseigenen Immobiliengesellschaft BIMA. Für deren Teilbereiche hat Dagmar Rehberg neue Pachtverträge in Aussicht gestellt. Angeblich hat das Grünflächenamt sich bereit erklärt, auf einen Abriss der halben Laube zu verzichten. Wie es genau laufen soll, ist aber noch unklar.

Das Havelcasino soll nach dem Willen des Grünflächenamtes abgerissen werden.
Das Havelcasino soll nach dem Willen des Grünflächenamtes abgerissen werden.

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Besonders hart trifft es Bettina Hoffmann, die mit Ehemann Gerd gleich nebenan eine bereits von ihren Eltern errichtete Laube nutzt. „Ich habe meine ganze Kindheit hier verbracht, das hier ist mein Zuhause“, sagt sie. Weil es sich um einen privaten Bau handelt, soll das Ehepaar das Häuschen sogar noch auf eigene Kosten abreißen. Auch bei den Hoffmanns läuft die Grenze quer durch das Grundstück, ein Großteil des Gartens mit dem separaten Sanitärhäuschen befindet sich auf der Fläche des Bundes. Beim hinteren „Nebengebäude“, durch dass die Eigentümergrenze verläuft, sei das Grünflächenamt bereit, auf einen Abriss zu verzichten und mit der Hauptpächterin einen neuen Vertrag abzuschließen, sagte Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD), der derzeit den zuständigen Baustadtrat Carsten Röding (CDU) vertritt, auf Anfrage des Tagesspiegel. Das Ehepaar Hoffmann habe die Möglichkeit, für den bundeseigenen Teil ihres Grundstücks einen neuen Pachtvertrag abzuschließen. Doch das nützt ihm wenig, denn verschieben lässt sich ihre Laube nicht. Alternativ haben die Hoffmanns dem Bezirk angeboten, auf einen vorstehenden Teil ihres Grundstücks zu verzichten, um den Verlauf der Parzellengrenzen zu begradigen.

Interessenten wurden im Rathaus abgewiesen

Im Kündigungsschreiben ist laut Dagmar Rehberg die Rede vom „langjährigen Ziel“ des Bezirks, das in einem Landschaftsschutzgebiet liegende Gelände zu „renaturieren“. Dass man dann noch vor zwei Jahren das „SpeiseGut“ als neuen Pächter mit offenen Armen begrüßte, verwundert nicht nur die Betroffenen. Von einem nicht sanierungsfähigen Gebäude und einem notwendigen Abriss aus „naturschutzfachlichen Gründen“ war da noch keine Rede. Noch heute kommen fast täglich potentielle Gäste um zu schauen, wann endlich wieder geöffnet wird. Daran, dass die Gaststätte nicht zu retten ist, haben Kenner erhebliche Zweifel. Selbst beim Grünflächenamt heißt es, dass eine Sanierung einschließlich neuer Strom- und Wasserversorgung für 70 000 bis 80 000 Euro möglich sei. Diverse Interessenten haben sich vor Ort immer wieder erkundigt und sind an das Bezirksamt verwiesen worden. Dort räumt man ein, dass es zumindest eine Anfrage gab, die aber abgewiesen wurde.

Blick durchs Fenster in den Gastraum des Restaurants.
Blick durchs Fenster in den Gastraum des Restaurants.

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Dabei würde das Havelcasino als Raststätte am neuen Havelradweg noch an Bedeutung gewinnen. Um das Kuriosum komplett zu machen, will der Bezirk im besagten Landschaftsschutzgebiet nach dem Abriss der strittigen Bauten einen neuen Rastplatz für den Havelradweg anlegen. Kein Abriss meiner Laube“ steht an einem der Gebäude, „Warum?“ fragt ein anderes Transparent. Die Betroffenen wollen weiter um ihre Idylle kämpfen und haben sich an Politiker verschiedener Parteien mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Bürgermeister Kleebank hat das Grünflächenamt gebeten zu prüfen, ob man den Unterpächtern entgegenkommen kann.

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