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Sinnvoll oder nicht? An der Dämmung scheiden sich die Geister.

© imago/McPHOTO

Energetische Sanierung in Pankow: Glaubenskrieg ums Dämmen

Viele Mieter kämpfen gegen Dämmmaßnahmen an ihren Häusern. Dafür gibt es gute Gründe. Die Debatte zu dem Thema trägt mitunter aber skurrile Züge, wie eine Veranstaltung in Pankow zeigte.

Das Dämmen ist in Verruf geraten. Auch in Pankow wehren sich Mieter gegen die energetische Sanierung ihrer Häuser. Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) versucht seit geraumer Zeit, zwischen Wohnungsbaugesellschaften und Bewohnern zu vermitteln. Im vergangenen Jahr hat er zudem ein Forum ins Leben gerufen, in dem Bürger mit Fachleuten über das Für und Wider der Wärmedämmung diskutieren können. Auf Wunsch des Pankower Mieterprotests war zur dritten Veranstaltung der Reihe kürzlich einer der wohl schillerndsten Dämmgegner in Deutschland eingeladen worden: der Architekt Konrad Fischer. Der Mann ist nicht unumstritten, denn er zieht auch schon mal Holocaust-Vergleiche heran, wenn er gegen die "Dämmlobby" zu Felde zieht. Doch er erntet eben auch viel Beifall. Beim Pankower Publikum kamen seine Thesen ebenfalls gut an. Fischer hält Dämmen nicht nur für Gift für Haus und Bewohner, er ist außerdem überzeugt, dass es gar nichts bringt. "Gedämmte Häuser verbrauchen sogar mehr Energie als ungedämmte", sagte Fischer bei der Veranstaltung im Saal der Pankower Bezirksverordnetenversammlung. Zum Beweis zeigte er zahllose Grafiken und Fotos und zitierte auch aus wissenschaftlichen Forschungsberichten. Auch eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zog er als Beleg heran. Dass die dortigen Fachleute seiner Interpretation ihrer Tests schon 2014 in einer Stellungnahme öffentlich widersprochen haben und ausdrücklich betonen, dass sie sehr wohl einen positiven Effekt von Außendämmungen sehen, erwähnte Fischer in Pankow nicht. Dafür präsentierte er Wärmebilder, die er selbst von einem Doppelhaus gemacht haben will, das seinen Angaben nach nur zur Hälfte gedämmt ist. Das überraschende Ergebnis: Die angeblich gedämmte Haushälfte - "die hat ein Türke gekauft, und der Türke hat sie dämmen lassen" - ist auf Fischers Aufnahmen tief rot eingefärbt, strahlt demnach also Wärme ab, die ungedämmte hingegen verliert angeblich kaum Energie und ist entsprechend in Grün getaucht. Im Publikum nickten viele zustimmend. Widerspruch kam nur vom zweiten Referenten des Abends, dem Berliner Architekten Ulrich Zink.

Verhärtete Fronten

Um das Dämmen, so scheint es, tobt inzwischen eine Art Glaubenskrieg, der eher emotional denn sachlich geführt wird. Dabei gibt es durchaus auch sachliche Kritikpunkte an der vom Gesetzgeber gewünschten energetischen Sanierung von Gebäuden. Denn dem klimatischen Nutzen stehen gravierende Nachteile gegenüber. So verlieren Altbauten jeglichen Charme, wenn die Fassaden hinter Styroporplatten verschwinden und alte Kastenfenster durch Kunststofffenster ersetzt werden. Viele Dämmmaterialien sind zudem ökologisch hoch problematisch, und wirtschaftlich ist eine energetische Sanierung auch nicht. Die Energieeinsparungen wiegen die mit der Sanierung einhergehenden Mieterhöhungen meist nicht auf. Mietervereine laufen daher Sturm gegen die energetische Sanierung.

In Pankow haben sich die Fronten zwischen den Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Gebäude energetisch sanieren wollen, und den betroffenen Mietern und ihren Interessenvertretern in den vergangenen Jahren teilweise völlig verhärtet. Gerichte entscheiden nun, ob die Mieter die geplanten Maßnahmen dulden müssen. Das von Baustadtrat Kirchner ins Leben gerufene Forum soll dazu beitragen, die Debatte zu versachlichen. Am vergangenen Mittwoch ging es daher auch um die Frage, ob Kastenfenster in jedem Fall ausgetauscht werden müssen. Ein Thema, das bei den aktuellen Bauprojekten in Pankow eine große Rolle spielt. Referent Ulrich Zink hat schon viele Altbauten saniert und dabei Kastenfenster gerettet. Seiner Erfahrung nach ist die Aufarbeitung der alten Fenster oft sogar billiger als ein Austausch. Und gute Dämmwerte ließen sich mit ihnen ebenfalls erreichen. Das haben inzwischen offenbar auch die Berliner Wohnungsbaugesellschaften eingesehen. "Wir sehen ganz klar, dass es hier ein Umdenken gibt", sagt Stadtrat Kirchner. Bei der Fassadendämmung sieht er ebenfalls eine wachsende Kompromissbereitschaft - und einen Trend weg vom Polystyrol. Inzwischen werde auch mit mineralischen Dämmstoffen geplant. Bei den aktuell umstrittenen Projekten hofft Kirchner auf eine Annäherung der streitenden Parteien. "Dafür muss es auf allen Seiten die Bereitschaft zum Dialog geben."

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