zum Hauptinhalt
Etwa ein Fünftel der Berliner Obdachlosen sind Frauen. Sie sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert – etwa fehlenden Hygieneräumen.

© Paul Zinken/dpa

Notunterkunft in Berlin-Neukölln: Evas Obdach bietet obdachlosen Frauen ganzjährig einen Rückzugsort

Etwa ein Fünftel der Berliner Obdachlosen sind Frauen. Für sie ist die Situation auf der Straße besonders herausfordernd. Evas Obdach hilft jenen, die durch alle Raster fallen. 

Bis zu 30 obdachlose Frauen finden ganzjährig eine sichere Unterkunft bei Evas Obdach in der Fuldastraße 9. Seit Anfang 2020 gibt es die Notunterkunft vom Sozialdienst Katholischer Frauen in Neukölln, vorher befanden sich die Räumlichkeiten in Mitte. Im ersten Obergeschoss und Parterre des Wohnhauses in Nord-Neukölln gibt es mehrere Mehrbettzimmer, Aufenthaltsräume, Dusch- und Waschräume und eine Großküche.

Coronabedingt kann Eva’s Obdach aktuell nur 17 Plätze anbieten, dafür hat das Team die Aufenthaltszeiten verlängert: Statt von 19 bis 9 Uhr können die Frauen sich aktuell von 17 bis 11 Uhr in den Räumen aufhalten.

„Die Regelung haben wir eingeführt, weil pandemiebedingt weniger Aufenthaltsmöglichkeiten zur Verfügung stehen“, erzählt Sozialarbeiterin Anna Birthler. Evas Obdach soll Frauen einen Schutzraum bieten, in dem sie vor potentieller Gewalt sicher sind.

„Viele Frauen, die hier her kommen, haben sexualisierte und/oder körperliche Gewalt erlebt, oft durch Männer“, erzählt Birthler. Neben Gewalterfahrungen hätten obdachlose Frauen aber ein weiteres großes Problem: „Besonders dramatisch ist die Hygienesituation“, sagt Birthler – denn im öffentlichen Raum gebe es praktisch keine Hygieneeinrichtungen, die Frauen kostenlos nutzen können. 

So sei es zwar gut und wichtig, dass sich einige Organisationen für kostenlose Menstruationsprodukte einsetzen – „real haben die Frauen aber kaum eine Möglichkeit, diese anzuwenden“, sagt Birthler.

Daher appelliert sie an die Politik: Es gebe einen dringenden Bedarf an öffentlichen, kostenlosen Hygieneräumen und Toiletten. Denn während öffentliche WCs für Männer meist kostenlose Urinale bieten, sind geschlossene Waschräume und WCs fast ausschließlich kostenpflichtig. Die wenigen Angebote sozialer Einrichtungen, etwa mobile Duschräume, decken den Bedarf bei weitem nicht.

[Dieser Text stammt aus unserem Leute-Newsletter für Berlin-Neukölln. Zum kostenlosen Abo geht es hier: leute.tagesspiegel.de]

Expert:innen schätzen, dass etwa 20 Prozent der Obdachlosen in Berlin Frauen sind. Wie viele obdachlose Menschen es tatsächlich gibt, ist allerdings unklar: Viele Expert:innen gehen von bis zu 10.000 Betroffenen aus.

Franca Löhr, Anna Birthler und Catherine Fritze vom Team von Evas Obdach.
Franca Löhr, Anna Birthler und Catherine Fritze vom Team von Evas Obdach.

© Madlen Haarbach

„Der Frauenanteil bei verdeckter Wohnungslosigkeit ist aber deutlich höher“, sagt Birthler: „Viele Frauen gehen zweifelhafte Beziehungen ein, um überhaupt eine Unterkunft zu haben.“ Insofern schützen Einrichtungen wie Evas Obdach Frauen auch vor fragwürdigen Kompromissen, etwa dem Austausch von Sex gegen einen Schlafplatz.

[Lesen Sie mehr mit T+: „Ist da auch Zucker drin?“ – Unterwegs mit dem Obdachlosenbus des Roten Kreuzes in Berlin]

Aus Birthlers Sicht gibt es zwei große Risikofaktoren für Frauen, auf der Straße zu landen: Einerseits unglückliche Migrationsgeschichten, etwa wenn Frauen mit unrealistischen Vorstellungen oder Versprechungen nach Deutschland kommen. Die zweite große Gruppe sind Frauen, die, wie Birthler sagt, aus Ämtersicht als psychisch krank gelten – das aber selbst nicht akzeptieren können oder wollen. 

Viele psychisch Kranke fallen durchs Raster

Wer sich selbst nicht als psychisch krank betrachtet, nehme keine Angebote für psychisch Kranke wahr und falle damit durch das Raster. Die verschiedenen Persönlichkeiten, Probleme und Bedürfnisse der Frauen führen auch bei Evas Obdach zu Konflikten und stellen sowohl die Gäste als auch die Mitarbeiter:innen immer wieder vor Herausforderungen.

Das Team aus drei Sozialarbeiterinnen berät die Frauen auch zu ihrer sozialen Lage, hilft beim Problemen mit dem Jobcenter und der Bürokratie. Tagsüber gibt es im selben Haus eine separate Beratungsstelle. Ist der Fall zu komplex oder gibt es Sprachprobleme, vermitteln die Mitarbeiterinnen die Frauen an weitere Hilfsangebote. 

Finanziert wird Evas Obdach hauptsächlich aus Mitteln der Senatsverwaltung. Gleichzeitig benötigt die Notunterkunft auch Spenden: Neben finanziellen Spenden gibt es einen hohen Bedarf an Fahrkarten für BVG und S-Bahn, Einkaufsgutscheinen etwa für Drogerieartikel und an ungetragenen, neu verpackten Unterhosen. Weitere Infos und die Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false