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Pankows Bürgermeister Sören Benn.

© Sven Darmer

Kaum Laptops für Homeoffice im Bezirksamt Pankow: Kritik an "Kapitulationserklärung" des Bürgermeisters

In Pankows Bezirksamt arbeiten gerade 30 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice. Bürgermeister Benn bittet per Mail um "Nachsicht" - und erntet Kritik.

Von Christian Hönicke

Ganz Deutschland befindet sich im harten Lockdown, in Berlin wird's ab Sonnabend mit der neuen Verordnung noch härter (alle Regel-Verschärfungen finden Sie hier). Nur die Büro-Wirtschaft läuft in großen Teilen weiter wie gehabt. Während die Regeln im Privaten immer kleinteiliger werden, belässt die Politik es bei freundlichen Appellen an Arbeitgeber, die Mitarbeitenden "wenn möglich" doch "unbürokratisch" ins Homeoffice zu schicken. Viele Chefs sehen dazu keine Möglichkeit oder mitunter einfach schlicht keine Notwendigkeit.

Überraschend niedrig ist dabei der Homeoffice-Anteil in den öffentlichen Behörden selbst, schreibt mein Kollege Robert Kiesel in seinem Artikel. Pankow macht da keine Ausnahme: Laut Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) arbeiten aktuell etwa nur "25 bis 30 Prozent" der Belegschaft des Bezirksamts im Homeoffice.

Bürgermeister bittet um "Nachsicht"

Für diese niedrige Quote entschuldigte sich Benn am Dienstag bei allen Bezirksamts-Mitarbeitenden mittels einer internen Mail. Wir geben sie hier im Wortlaut wieder:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst wünsche ich Ihnen allen noch ein gutes neues Jahr!

Die Arbeit unter Pandemiebedingungen, die wechselnden Verordnungen bzw. Lockdowns, unterschiedliche Regelungen in Behörden und Schwierigkeiten in der persönlichen Lebensführung, ob als Elternteil oder weil man einer Risikogruppe angehört – all das wird immer schwerer auszuhalten und zu verstehen. Das gilt für uns alle.

Wie viele von Ihnen bin ich mit bestimmten politischen Entscheidungen nicht einverstanden, unzufrieden und werde mitunter auch sarkastisch.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

In Pankow versuchen wir im Krisenstab, die jeweiligen Vorgaben und technischen Möglichkeiten soweit wie möglich sinnvoll und vernunftgeleitet umzusetzen. Dabei kommt es zu objektiven Widersprüchen. Gern würden wir z.B. möglichst alle Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken. Gern würde ich alle Eltern von der Dienstpflicht befreien.

Für das Erste, das flächendeckende Homeoffice der am PC Arbeitenden, fehlen uns die technischen Voraussetzungen. Wir bemühen uns mit Nachdruck um die entsprechenden Geräte, Zertifikate und Anpassung der Fachverfahren. Aber ich will Ihnen nichts vormachen. Das wird so schnell im erforderlichen Umfang nicht gelingen. Es wird besser werden, aber nicht gut.

Die überwiegende Zahl der Aufgaben, die wir erledigen, haben zwingende Rechtsgrundlagen. Das heißt, wir haben nicht die Freiheit zu entscheiden, dass wir das jetzt für einen Zeitraum x sein lassen. Steht Homeoffice für die Erfüllung der konkreten Aufgabe aus oben genannten Gründen nicht zur Verfügung, muss die Arbeit vor Ort erledigt werden. Sollte das Land Berlin uns ermöglichen, bestimmte, zeitnah nicht notwendige, Leistungen für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen, hätten wir andere Spielräume. Aber gegenwärtig ist das nicht so. Wir setzen uns aber dafür ein.

Wir können auch nicht alle Eltern, die ihre Kinder im Unterricht zu Hause unterstützen wollen, von der Dienstpflicht befreien. Denn bestimmte Eltern sind nicht ersetzbar in systemrelevanten Bereichen, wie dem Gesundheitsschutz, in der Schulplatzplanung, beim Kinderschutz etc. Das heißt aber nicht, dass wir die Not nicht sehen. Nur haben wir momentan dafür keine Lösung zur Hand.

Ich sage Ihnen zu: Das Bezirksamt wird immer wieder nachsteuern, Verwaltungsaufgaben, Gesundheitsschutz und Familienfreundlichkeit immer wieder sehr sorgsam abwägen, Spielräume nutzen, so lebensnah und detailliert wie irgend möglich. Dennoch wird es uns wohl nicht gelingen, immer widerspruchsfreie, allen gerecht werdende und jederzeit konsistente und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. Weil wir wissen, dass Sie Ihr Bestes tun, wollen wir das auch tun. Das wird nicht immer gut genug sein. Dafür bitte ich nicht um Verständnis, aber doch um Nachsicht.

Freundliche Grüße,

Sören Benn"

Mitarbeitende des Bezirksamts äußern anonym scharfe Kritik an dieser Nachricht. Sie sei eine „Kapitulationserklärung“, heißt es etwa aus dem Jugendamt: „Die Mail ist ein Hohn, gerade für Angehörige von Risikogruppen. Von der gewünschten 'Nachsicht' kann sich niemand was kaufen, wenn er an Corona stirbt.“ Unverständlich sei dies vor allem, weil Benn selbst schon früh einen harten Lockdown gefordert habe. „Da ist so eine Doppelzüngigkeit drin. Nach außen sagt man das eine, nach innen passiert nichts.“

Aktuell fordert Benn sogar einen "europaweiten solidarischen Shutdown". Er verweist auf eine entsprechende Petition namens "#ZeroCovid" und teilt mit: "Ich bin einer der Erstunterzeichner:innen." In der Petition heißt es, das Ziel, die Kurve nur zu verflachen, sei "gescheitert": Neues Primärziel müsse es daher sein, "die Ansteckungen auf Null zu reduzieren. Um einen Pingpong-Effekt zwischen den Ländern und Regionen zu vermeiden, muss in allen europäischen Ländern schnell und gleichzeitig gehandelt werden. Wenn dieses Ziel erreicht ist, können in einem zweiten Schritt die Einschränkungen vorsichtig gelockert werden."

Benn fordert europaweiten Shutdown

In der Petition steht dabei gefettet an zentraler Stelle: "Shutdown heißt: Wir schränken unsere direkten Kontakte auf ein Minimum ein – und zwar auch am Arbeitsplatz!" Genau damit solle das Pankower Bezirksamt erst einmal selbst anfangen, kritisieren Mitarbeitende. Seit März 2020 bestehe Handlungsbedarf, „man hatte fast ein Jahr Zeit“. Doch zumindest im Jugendamt sei „auch weiter nichts geplant. Hier findet alles weiter im Normalmodus statt, als wenn es Corona nicht geben würde.“ Die Mitarbeitenden versuchten, sich irgendwie selbst zu schützen. FFP2-Masken habe man erstmals am 11. Januar 2021 vom Arbeitgeber erhalten.

Natürlich seien manche Aufgaben wie der Kindernotdienst nicht im Homeoffice möglich. „Aber wir fragen uns: Warum müssen wir denn alle hier herumhüpfen? Warum gibt es keine wechselnden Teams, um Mitarbeiter zu schützen? Wir können uns ja nicht ständig aus dem Weg gehen.“ Es gebe Konferenzen mit bis zu acht Bürgern in kleinsten Räumen. Und im Warteraum säßen teilweise 40 Menschen.

"Wir arbeiten hier, als gäbe es Corona nicht"

Zwar gebe es seit Dezember Diensthandys im Jugendamt, aber weiterhin keine Laptops für Mitarbeitende. „In anderen Bezirken, in Neukölln, in Charlottenburg-Wilmersdorf, auch in Lichtenberg, Spandau, Treptow-Köpenick, Mitte, da kriegt man das hin. Warum kriegt das Pankow nicht hin?“

Benn wollte sich auf Anfrage zur Kritik der Mitarbeitenden nicht in der Öffentlichkeit äußern. Er teilte stattdessen mit, dass „alle Dienstkräfte, die über Telearbeitsplätze verfügen oder mit mobilen Arbeitsgeräten ausgestattet sind und deren Präsenz im Dienstgebäude aus dienstlichen Gründen nicht zwingend erforderlich ist“, von zu Hause aus arbeiten sollen. „Vielfach schließt jedoch der notwendige Zugriff auf IT-Fachverfahren eine Arbeit im Homeoffice aus, weil dies entweder nicht zulässig ist oder es aber an der erforderlichen IT-Ausstattung fehlt.“

Zwar sei die Zahl etwa von Dienstlaptops „gegenüber dem Frühjahr verbessert“ worden, so Benn, sie „bleibt aber immer noch deutlich hinter dem Bedarf zurück“. Es gebe aber „Kontaktreduzierungen z.B. durch geteilte Dienste, so dass die Zahl der gleichzeitig in Büros anwesenden Mitarbeiter auch dadurch geringer als im Normalbetrieb ist".

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