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Auto-Rückstau in Fußgängerfurt bei grüner Fußgängerampel, Schulkinder und Eltern müssen sich zwischen Autos durchschlängeln.

© Markus Hesselmann

Gegen die autogerechte Stadt: Schaltet Ampeln fußgängerfreundlich!

Berliner Kreuzungen stehen sinnbildlich für die Unterwerfung der Stadt durch das Auto. Es gilt das Gesetz der stärkeren Knautschzone. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Markus Hesselmann

Schulweg, ein beliebiger Morgen: Kinder rennen über die Bundesallee, einige allein, andere an der Hand ihrer Eltern, um die kiezzerteilende Autoschneise bei Grün zu überqueren und nicht auf der Mittelinsel ein zweites Mal in Lärm und Abgasen stehen und warten zu müssen. Abbiegende Autofahrer haben gleichzeitig Grün und rücken den Kindern tonnenschwer auf die Pelle. Fußgänger haben sich ja nach herrschender Meinung in Luft aufzulösen, sobald deren Ampel auf Rot springt.

Meine Kinder und ich sind an der Bundesallee Ecke Trautenaustraße schon zweimal bei Fußgängergrün von solchen Dränglern und Rasern fast angefahren worden. Jetzt wird die Situation noch verschärft durch eine Langzeitbaustelle, deren Auto-Rückstau die Fußgängerfurt trotz Grün bei fast jeder Ampelphase blockiert. Die Kinder schlängeln sich dann durch die teils stehenden, teils vor- und zurückrangierenden Autos, siehe Video. Auch dass es unzulässig und gefährlich ist, noch bis zum Anschlag in eine Kreuzung zu rauschen und dort dann stumpf zu stranden, scheint sich unter Autofahrern nicht rumgesprochen zu haben.

Berliner Ampelkreuzungen stehen sinnbildlich für die Unterwerfung der Stadt durch das Auto. Es gilt das Gesetz der stärkeren Knautschzone. Das muss sich ändern, wenn wir es mit der Verkehrswende ernst meinen in Berlin. Schon vor dem an einigen Stellen zum Glück bereits geplanten, aber langwierigen Umbau von Kreuzungen weg von bloßen Autobedürfnissen wären längere Grünphasen für Fußgänger eine rasch umsetzbare Idee. Geht nicht wegen der „Grünen Welle“, heißt es derzeit noch. Fließender Autoverkehr sei auch für die Umwelt besser als stockender, teilt reflexhaft die Berliner „Verkehrslenkungsbehörde“ mit, in Wahrheit ja immer eine Autobevorzugungsbehörde und jetzt Gott sei Dank in Auflösung.

Grüne Welle nur noch für Fußgänger und Radfahrer!

Das mit der „Grünen Welle“ für Autos scheint mir schlicht zu kurz gedacht. Wäre es für den Umweltschutz nicht viel sinnvoller, die Zahl der Autos in der Stadt endlich zu reduzieren? Dann sollten wir die vielen Spaß- und Bequemlichkeitsfahrer, die in Berlin unterwegs sind, oft auf unnötigen Kurzstreckenfahrten, nicht auch noch durch das Heilsversprechen „fließender Verkehr“ ermuntern. Grüne Welle nur noch für Fußgänger und Radfahrer! Da passt der schön klingende Begriff auch besser.

Fußgänger können problemlos von einem Augenblick zum nächsten stehen bleiben. Bei Automobilen ist dies eine enorme Energievernichtung.

schreibt NutzerIn sandbaenker

Andere Ampelschaltungen wären ein erstes deutliches Zeichen, dass in Berlin nicht zuerst die Autofahrer, Autofahrer, Autofahrer kommen, dann lange nichts, dann neuerdings Radfahrer ein bisschen, weil die ja immer so laut protestieren, und dann unter Sonstige irgendwann Fußgänger. Andere Ampelschaltungen wären ein Signal für neue Fairness im Straßenverkehr, dafür, dass es im zivilen Zusammenleben unserer Stadt keinen Raum mehr für das Recht des Stärkeren gibt.

Rücksichtslose Autofahrer bleiben unbehelligt

Nach Elternprotesten stehen an unserer Ampel jetzt übrigens manchmal morgens um kurz vor acht Polizisten. Deren Job? Kleine und große Fußgänger an der gefährlichen Kreuzung zur Vorsicht zu mahnen. Die rücksichtslosen Autofahrer bleiben, wie meist in Berlin, unbehelligt.

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