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Mit seinen etwa 70 Quadratmetern erinnert das Geschäft eher an einen kleinen Tante-Emma-Laden als an einen Supermarkt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

Testkauf bei "Original unverpackt" in Kreuzberg: Kein Kleckern, kein Fleisch und jede Menge Müsli

Im ersten Laden, der ohne Verpackungen verkauft, müssen die Kunden ihren Einkauf selbst abfüllen. Wie sieht es da mit der Hygiene aus? Und ist das "Original-unverpackt-Konzept" wirklich nicht teurer als der herkömmliche Supermarkt? Ein Testkauf in Kreuzberg.

Die Idee von Sara Wolf und Milena Glimbovski, in Berlin einen Supermarkt ohne Verpackungen zu eröffnen, hat offenbar einen Nerv getroffen, die Resonanz ist riesig. Seit mehr als einer Woche ist die erste Filiale von „Original unverpackt“ geöffnet.

In der Wiener Straße in Kreuzberg können Kunden in einer ehemaligen Metzgerei mit Stuck und blau-weißen Fliesen unverpackt einkaufen. Der Laden ist mit 70 Quadratmetern überschaubar und kommt eher wie ein Tante-Emma-Laden daher, als ein klassischer Supermarkt. Von den geplanten 600 Lebens- und Hausmitteln haben es zum Verkaufsstart 350 ins Regal geschafft; etwa 80 Prozent sind Bio-Produkte. Doch was kann das Konzept „Weg-mit-dem-Verpackungsmüll“? Zeit für einen Probe-Einkauf mit einer Einkaufsliste von zehn Standard-Lebensmitteln: Milch, Mozzarella, Tomate, Ruccola, Brot, Käse, Eier, Joghurt, Müsli und Shampoo.

Und da geht das Problem schon los. Shampoo gibt es nicht. Genauso wenig wie Öl, Balsamico oder Wein - "Original Unverpackt" ist gerade nicht flüssig. Schilder weisen den Kunden darauf hin, dass es derzeit keine Flüssigkeiten gibt. Warum? Die Verkäuferin erklärt, dass das Eichamt darauf aufmerksam gemacht hat, dass Flüssigkeiten den Vorschriften nach nur in Millilitern verkauft werden dürfen, nicht in Gramm. „Jetzt muss unser Kassensystem überholt werden.“ Das könne einige Tage dauern.

Eine junge rothaarige Frau zeigt sich enttäuscht, als sie vor dem Regal mit den Ölen steht. „Ich war gestern schon mal da und bin heute extra mit Behältern wiedergekommen.“ Mit ihren kleinen und großen Vorratsdosen setzt sie ihren Einkauf bei den Trockenprodukten fort. In großen Kugelgläsern gibt es Gewürze und Tees zum Selbstabfüllen: Einfach den Deckel abschrauben und mit einem Löffel so viel schöpfen wie man braucht. Ein Schild verrät: Sollte einmal zu viel von einem Produkt abgefüllt worden sein, kann man es an der Kasse zurückgeben. Gut für die Mitarbeiter: Die dürfen die Produkte nach Feierabend mit nach Hause nehmen.

Ein Schild erklärt, wie es funktioniert, wenn man seine eigenen Behälter mitbringt: Man wiegt sie, bekommt einen Aufkleber und kann sie dann befüllen.
Ein Schild erklärt, wie es funktioniert, wenn man seine eigenen Behälter mitbringt: Man wiegt sie, bekommt einen Aufkleber und kann sie dann befüllen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ist das Preisniveau mit anderen Supermärkten vergleichbar?

An der nächsten Wand hängen in Reih und Glied die sogenannten Bulk Bins, große Aufbewahrungsbehältern, in denen sich Nüsse, Müsli, Reis und Nudeln in allen möglichen Varianten befinden. Mittels Hebelsystem füllt sich der Kunde die gewünschte Menge in sein mitgebrachtes Gefäß. Ein bisschen wie früher beim Kaugummi-Automaten. Ein Kontakt zwischen Ware und Mensch wird so vermieden. Das Gefäß wird vorher gewogen und bekommt einen Aufkleber. Falls man kein Behältnis dabei hat, liegen verschiedene Bio-Papiertüten, Vorratsdosen oder Baumwollbeutel aus. Die Tüten kosten 20 Cent, die Vorratsbehälter beginnen bei einem Preis von zwei Euro. Spaghetti oder Lasagne-Platten kann der Kunde mit einem Plastikhandschuh umfüllen.

Schnell ist die gewünschte Menge Basis-Müsli in eine Papiertüte abgefüllt, zu einem Kilopreis von 4,35 Euro. Die beiden Unternehmerinnen Sara Wolf und Milena Glimbovski sagen, das Preisniveau ihres Ladens unterscheide sich nicht von dem anderer Supermärkte. Das stimmt nicht ganz. In einem anderen Supermarkt nachgeschaut, findet sich hier ein Bio-Basismüsli bereits zu einem Kilopreis von 3,78 Euro -  allerdings nur in der 500-Gramm-Verpackung aus Plastik. Genau diese Verpackung will aber das „Original-unverpackt“-Konzept vermeiden. Im Fokus steht der Precycling-Gedanke: Von Anfang an soll Abfall vermieden werden, um so die Millionen Tonnen Verpackungsmüll, die die Deutschen jährlich produzieren, zu bekämpfen.

Wie funktioniert der Einkauf bei Milch oder Joghurt?

Selbstzapfen oder kleckern – etwa bei Milch oder Joghurt – ist deshalb aber nicht angesagt: Hier sind Pfandgläser die Lösung. Allerdings ist diese Verkaufsmethode auch in anderen Supermärkten etabliert. Beim Preisvergleich zeigt sich allerdings, dass die gleiche Sorte Joghurt im Pfandglas (andere Marke) bei „Original unverpackt“ um 50 Cent teurer ist.

Auch die Eier sind etwas teurer, leider aber ausverkauft. „Der Ansturm der letzten Tage war einfach sehr groß“, heißt es auf Anfrage. Man sei bemüht, immer schnellstmöglich die Waren wieder aufzufüllen.

Nicht ins tägliche Sortiment des ersten Ladens haben es Käse, Wurst und Fleisch geschafft. Ein Platzproblem, meint Sprecherin Sarah Boeck. Dafür käme ab dem 27. September jeden Samstag ein „Käsemann“ mit einer Auswahl an deutschen Käse.

Eine Auswahl an Brot- und Brötchen gibt es hinter der Kassentheke. Hier wird – wie anderswo auch – der Brotlaib in eine Papiertüte versenkt. Aufgrund des Abwiegens der einzelnen Produkte nimmt das Kassieren etwas mehr Zeit in Anspruch, als in anderen Supermärkten.

Ein Fazit des unverpackten Einkaufens

Stefanie Laudenbach, die zum ersten Mal das Konzept testet ist „zwiegespalten“ wie sie sagt: „Auf der einen Seite finde ich es gut, weil es Verpackungsmüll spart, andererseits bin ich skeptisch was die Hygiene angeht, denn jeder kann mit seinen Händen hinein fassen.“ Sie würde sich Mitarbeiter wünschen, die die Waren abfüllen.

Am Ende fällt beim Blick in den Einkaufsbeutel auf: Von den zehn gesuchten Produkten sind nur fünf erhältlich gewesen. Beim Preis kann das Unverpackt-Konzept nicht mit einem normalen Supermarkt mithalten: Drei von fünf Produkten sind dort billiger. Lediglich bei den lose gekauften Tomaten ist „Original unverpackt“ mit einem Kilopreis von 2,16 Euro erheblich günstiger (Supermarktpreis: 4,98 bis 5,98 Euro).

Beim Auspacken des Einkaufs steht aber noch etwas anderes fest: Es gibt eindeutig weniger Verpackungsmüll, der weggeworfen werden muss.

Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.

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