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Gut getarnt. Vinzent Britz mit seinem prägnanten Turnbeutel.

© Alicia Epp

Mode bei der BVG in Berlin: Der Turnbeutel im U-Bahn-Look - abgefahren

Der Kreuzberger Vincent Britz entwirft Taschen im U-Bahn-Sitz-Muster. Tarnbeutel nennt er sie. Nur vergessen sollte man sie nicht - denn die Dinger sind rar.

Wenn Vinzent Britz in der U-Bahn auf seinen Turnbeutel angesprochen wird, hört er Sätze wie: „Dann vergiss mal nicht deine Tasche auf dem Sitz.“ Oder: „Mach doch mal ’nen Overall daraus, dann muss ich keine Fahrkarte mehr kaufen.“ Wenn der 27-Jährige auf der Straße mit dem Beutel unterwegs ist, merkt er oft, wie Leute auf das Muster starren und sich offensichtlich fragen: Woher kenne ich das?

Beschreiben lässt es sich so: ein vierfarbiges Tarnmuster, aus den Farben Weiß, Blau, Schwarz und Rot. Es ist eines der Muster der Sitzbezüge in der Berliner U-Bahn – und zwar das mit dem wohl höchsten Wiedererkennungswert. Auf der Webseite „Sitzmuster des Todes“, die die hässlichsten Sitzbezüge der Welt archiviert, findet es jedenfalls häufig Erwähnung.

Vinzent Britz ist damit aufgewachsen. Als gebürtiger Kreuzberger kennt er das Todesmuster schon lange. Es ist ein Gegensatz wie die Berliner ihn gerne haben, ganz im Stil von: arm, aber sexy. Hässlich, aber doch so liebenswert. Selbst die BVG hat in ihrer aktuellen Image-Kampagne die zärtlichen Lästereien über die Sitzbezüge aufgegriffen und plakatiert das Muster meterhoch in der Stadt. Ein Motiv zeigt ein Mädchen von hinten auf einem der U-Bahn-Sitze – ihr Oberteil ist im vierfarbigen Tarnmuster bedruckt. Dazu die Zeile: „Du lebst unseren Stil.“

Die erste Auflage: 500 Stück - auf der Warteliste: 400 Fans

Tatsächlich gibt es ein T-Shirt des Berliner Künstlerkollektivs „Wurstbande“, auf dem auf weißem Grund ein Rechteck im Todesmuster prangt. Dieses T-Shirt hat Britz auch auf den Beutel gebracht. Er fand die Idee gut, nur eben nicht zu Ende gedacht. Wenn schon Todesmuster, dann ganz. Also stellte er den Prototyp seines „Tarnbeutels“ her: der Beutel komplett im U-Bahnmuster, darauf ein Aufnäher mit dem Victory-Zeichen – sein Logo als selbstständiger Grafikdesigner.

Der Beutel in den BVG-Tarnfarben sollte eigentlich nur ein Witz sein. Doch die nächsten zwanzig Exemplare, die eine Freundin von ihm nähte, gingen unter Freunden und Bekannten so schnell weg, dass er weitere 500 Stück machen ließ. „Das würde sich wohl keiner als Bettwäsche kaufen“, sagt Britz. „Dafür ist das Muster viel zu aggressiv.“ Doch als Beutel offenbar noch aushaltbar.

Auch die Auflage von 500 Exemplaren war schnell weg. „Ich war eigentlich erst mal happy, meine Freunde waren alle versorgt“, sagt Britz. Doch dann fragte Lukas Kampfmann, ein Freund von ihm, ob sie nicht gemeinsam einen Internet-Shop mit eigener Webseite aufziehen wollten. Neben der Produktion lagerten sie auch Bestellung und Vertrieb aus. Die neue Serie von 500 Exemplaren war innerhalb von drei Wochen ausverkauft. Jetzt gibt es eine Warteliste für neue Anfragen. Fast 400 Bestellungen warten.

Der Turnbeutel ist "der neue Jutebeutel"

Den Erfolg schreibt Britz verschiedenen Faktoren zu. Zum einen sei der Turnbeutel „der neue Jutebeutel“ – beliebt bei Berliner Hipstern. Berlin sei ja sowieso cool und auffällige Muster liegen ebenfalls schon lange im Trend. Auch wenn die natürlich meist von einem höheren ästhetischen Anspruch sind als die berüchtigten „Sitzmuster des Todes“.

Der Sinn, der sich hinter all den Geschmacklosigkeiten verbirgt, die als Bezüge in Bahnwaggons, Bussen, auf Bahnhöfen und Flughäfen in der ganzen Welt herumgeistern, ist: Auf Mustern lassen sich Verunreinigungen schwerer erkennen. Die Farben der Berliner U-Bahnsitze seien dabei ganz pragmatisch gewählt, hat Britz sich einmal sagen lassen. „Es sind einfach die vier häufigsten Farben, die Sprayer benutzen.“ Vermutlich kennt fast jeder Berliner Fahrgast, der regelmäßig in einem der U-Bahnwagen sitzt, die hypnotische Wirkung des Tarnmusters. Auch er habe schon minutenlang daraufgestarrt, sagt Britz, um zu sehen, an welchen Stellen sich das Muster wiederholt.

Das Muster funktioniert wie ein Code

Einmal ist Britz vom Starren kaum noch weggekommen. Eine Lieferung Tarnbeutel war eingetroffen und er hatte das unbestimmte Gefühl, „dass etwas nicht stimmt“. Er guckte und guckte. Minute um Minute. Und kam irgendwann beim Vergleich mit einem anderen Exemplar darauf: Bei der Produktion waren die Farben Blau und Rot vertauscht worden.

Das Muster funktioniert auch wie ein Code. Wer es erkennt, ist Teil des Clubs. Das ist vielleicht das entscheidende Erfolgsrezept der Tarnbeutel, glaubt auch Vinzent Britz. „Es signalisiert: Du gehörst dazu.“ Damit sei der Tarnbeutel so etwas wie der Berliner Bär oder das Brandenburger Tor – „nur besser“.

Er habe auch überlegt, den Beutel in Souvenir-Shops anzubieten, sagt Britz. „Aber es funktioniert ja nur, wenn den nicht jeder hat.“ Wann die nächste Auflage erscheint, ist unklar – vielleicht im Sommer. Für die Interessenten auf der Liste heißt es also erst einmal: warten. Aber das sind die Berliner Fahrgäste ja ohnehin gewohnt.

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