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David Bowie bei seinem Konzert vor dem Reichstag im Jahr 1987.

© dpa

David Bowie in Berlin: Im Schatten der Mauer

Sein dreijähriger Aufenthalt in Berlin war für David Bowie eine prägende Zeit. Anlässlich seines Todes veröffentlichen wir einen Text wieder, der sich auf Spurensuche in der Stadt begab.

Das Konzert ist legendär. Eine Provokation. Es ist das Jahr 1987 – knapp zweieinhalb Jahre vor dem Fall der Mauer. Pfingsten. David Bowie macht den Auftakt für eine Reihe von Open-Air-Konzerten vor dem Reichstag – andere Gruppen wie Eurythmics oder Genesis sind ebenfalls dabei. Nicht nur die Zehntausende Besucher im Westen hören die Musik. Auch im Ostteil ist sie zu hören. Einige Lautsprecher schallen Richtung Ost-Berlin. „Heroes“ – auch das berühmteste Stück des Briten aus seiner Berliner Phase über eine Liebe im Schatten der Mauer weht nach drüben: „I can remember, Standing, by the wall. And the guns shot above our heads. And we kissed, as though nothing could fall“. Hunderte junger Ost-Berliner versammeln sich unter den Linden und wollen zumindest hören, wenn sie schon nicht zusehen können. Der Staatssicherheit und der Volkspolizei ist dies ein Dorn im Auge; im Laufe der drei Konzerttage kommt es zu Übergriffen der staatlichen Sicherheitskräfte.

Produziert worden war „Heroes“ schon Jahre zuvor – 1977. Nur rund 1500 Meter Luftlinie vom Reichstag entfernt. In den legendären Hansa Studios in der Köthener Straße in Kreuzberg. Dort aufzunehmen war ein Adelsschlag für Musiker aus der Rock- und der damals starken Punkszene. Heute mitten im Herzen der Stadt am Potsdamer Platz gelegen; damals am Rande West-Berlins mit Blick auf die Wüstenei eines verlassenen Platzes, dem die Bedeutung als zentraler, pulsierender Ort durch die Teilung abhanden gekommen war. Die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, sind in diesen Jahren überall sichtbar. In unmittelbarer Nähe an der Stresemannstraße verläuft die Mauer. Hier fand das westliche Kreuzberg damals sein Ende. Im Studio 2, dem „Meistersaal“ des Gebäudes, wo einst die Meisterfeiern des Bauhandwerks stattfanden, wird „Heroes“ aufgenommen. Die beinahe antik anmutende „Achtspur-Bandmaschine“ steht heute noch in den Studios und ist ein beliebtes Fotoobjekt der Musik-Fans bei den Touren durch die Hansa-Studios.

Thilo Schmied bietet diese seit einigen Jahren an. Im Mittelpunkt steht David Bowie, aber auch Iggy Pop, Depeche Mode, Nick Cave oder U2 waren wichtig für die Studios. Schmied, selber gelernter Toningenieur, ist ein ausgewiesener Bowie-Experte. Und zur jetzigen großen Ausstellung im Martin-Gropius-Bau bietet der 40-jährige besondere Touren an – sowohl zu Fuß als auch im Bus. David Bowies Berliner Jahre sind seit dem vergangenen Jahr ohnehin wieder in den Blickpunkt geraten. Nach vielen Jahren präsentierte er 2013 wieder ein Album – mit der wehmütigen, melancholischen Ballade „Where are we now?“, einer Reminiszenz an das West-Berlin der Siebziger und Achtziger. Er erinnert sich an den damals angesagtesten Club – „sitting in the Dschungel on Nurnberger Strasse, a man lost in time near KaDeWe“. Und der Potsdamer Platz – im Video kurioserweise Potzdamer Platz geschrieben – findet seine Erwähnung ebenso wie die Maueröffnung: „twenty thousand people cross Bosebrucke, fingers are crossed just in case“.

Wer sich auf den Weg macht, Bowies Spuren in Berlin zu verfolgen, sieht oft nicht mehr viel. Heutzutage werden Blumen verkauft, wo einst der Dschungel war. In dem saß Bowie gerne oben auf der Galerie und konnte Frauen nur mit einem langen Blick herauf zu sich hin lotsen, wie Schmied erzählt. Bei seiner früheren Wohnung, Hauptstraße 155, einem etwas schäbig wirkenden Altbau mit schwerer brauner Haustür, erinnert nichts an den heute 67-Jährigen, der schon seit vielen Jahren in New York lebt. Den Haustürschlüssel, einen damals für diese Altbauten ohne Gegensprechanlage typischen Durchsteckschlüssel, kann man im Gropius-Bau bewundern. Tourguide Schmied kennt aber hinreichend viele Anekdoten aus Bowies Berliner Tagen, so dass auch dieser triste Bau lebendig wird und Geschichten aus vergangenen Jahren erzählt.

Nur einige Häuser weiter zeigt er auf das heutige Café Neues Ufer, damals Café Anderes Ufer, das als erstes offenes Kaffeehaus in Deutschland von Schwulen betrieben wurde. Bowie, der den Kaffee aus einer der damals noch seltenen italienischen Kaffeemaschinen schätzte, gehörte zu den Stammgästen; er stand dem Besitzer nach einer homophoben Attacke bei, auch finanziell. „Und noch immer kommen Leute hierhin, um die Luft zu inhalieren, die auch Bowie schon geatmet hat“, sagt Schmied.

Heroes ist die Hymne von Christiane F.

Auf seiner Bustour fährt er auch den Bahnhof Zoo an. Dessen Bezug zu Bowie ist eher indirekt. Aber der Bahnhof ist der Handlungsort von Christiane F.’s „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo.“ Und in der Geschichte der jugendlichen Fixerin, die Ende der Siebziger Furore macht, ist David Bowie ein wesentliches Element; und „Heroes“ ist ihre Hymne. Christiane F. schreibt davon, wie sie auf seinem Berliner Konzert der „Station to Station“-Tour in der Deuschlandhalle das erste Mal Heroin gespritzt hat. Als das Buch 1981 von Regisseur Uli Edel verfilmt wird, sagt Bowie seine Unterstützung zu. Eine Konzertausschnitt wird in New York nachgedreht, da der Sänger nicht zu den Dreharbeiten nach Deutschland kommen kann; das Publikum wird allerdings aus einem AC/DC-Konzert hineingeschnitten. Die Authentizität der Szene beeinträchtigt das nicht; die Intensität von „Heroes“ ist stärker.

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