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Das Haus kennt jeder, sieht jeder. Steht ja auch direkt am Landwehrkanal an der Hochbahntrasse der U-Bahn.

© Imago

Berlin-Kreuzberg: Wohnen im alten Post-Turm: Möckernkiez wird umgekrempelt

Das Gelände des Postscheckamtes wird neu bebaut – das Hochhaus bleibt. Auch 30.000 Quadratmeter Gewerbefläche sind hier am Ufer des Landwehrkanals geplant.

Freundlich wirkt es nicht gerade, das 89 Meter hohe Hochhaus am U-Bahnhof Möckernbrücke mit seinen dunkel getönten Fenstern. In dem 1971 als Postscheckamt Berlin West gebauten Turm arbeiten heute Mitarbeiter der Postbank. 2016 werden sie an die Otto-Suhr-Allee in Charlottenburg (vormals Deutsche Bank-Gebäude) umziehen. Doch der Postbank- Turm am Halleschen Ufer in Berlin-Kreuzberg wird danach nicht leer stehen – ganz im Gegenteil: Er soll zum Mittelpunkt eines neuen Quartiers werden. Das jedenfalls sehen die Pläne der neuen Eigentümerin der Immobilie, der CG Gruppe aus Leipzig, vor.

Die jetzt vom Unternehmen bekannt gegebenen Details machen deutlich: Am Halleschen Ufer soll ein Megaprojekt Gestalt entstehen. Etwa 720 unterschiedlich große Wohnungen sowie 30.000 Quadratmeter Gewerbefläche sind geplant. Das Investitionsvolumen beziffert das Unternehmen auf rund 270 Millionen Euro.

Kernstück des Konzepts ist das bestehende Hochhaus, das die CG Gruppe zu einem Wohnturm umbauen will. Auf den 18.000 Quadratmetern Nutzfläche sollen etwa 320 Apartments entstehen, die zwischen 45 und 60 Quadratmeter groß sein werden. Sie richten sich an Berufstätige, die von vornherein wissen, dass sie bald in einer anderen Stadt leben werden, und deshalb mit möglichst wenig Aufwand umziehen wollen. Drei Hauptzielgruppen nennt Markus Selinger, Geschäftsführer der CG-Tochtergesellschaft Artists Living: „Tiger-Women, Silverpreneure und Business-Freestyler.“ Verständlicher ausgedrückt: beruflich engagierte Frauen zwischen 25 und 45 Jahren, ältere Selbstständige ab 55 Jahre sowie junge Menschen zwischen 20 und 35, die ihren ersten oder zweiten Job angetreten haben.

Alles, was eine richtige Wohnung hat – nur auf kleinerer Fläche

Ihnen will CG-Chef Christoph Gröner ganz oder teilweise möblierte Apartments anbieten. Für die Basisvariante mit Einbauküche, Garderobe und Schlafzimmerschrank wird eine Kaltmiete von 12,50 bis 15 Euro fällig. Wer die Wohnung komplett möbliert haben will, bezahlt weitere zwei Euro pro Quadratmeter. Für zusätzliche 0,50 Euro pro Quadratmeter bekommt der Mieter auch noch Kaffeemaschine, Geschirr und Bettwäsche gestellt.

Berlin-Kreuzberg, Möckernbrücke. Überall Neubauten - und mittendrin die alte Post-Zentrale.
Berlin-Kreuzberg, Möckernbrücke. Überall Neubauten - und mittendrin die alte Post-Zentrale.

© Simulation: promo

Ein ähnliches Konzept verfolgen auch andere Projektentwickler, die derzeit in deutschen Großstädten Mikroapartments für flexible Berufstätige errichten. Von diesen in der Regel nur etwa 25 Quadratmeter kleinen Einheiten distanziert sich Markus Selinger: Die Apartments der CG Gruppe seien keine Mini-Absteigen, sondern böten alles, was eine richtige Wohnung habe – nur auf kleinerer Fläche. Erreicht wird diese Reduktion, indem einzelne Funktionen ausgelagert werden. So soll es zum Beispiel moderne Gemeinschaftsbüros („Co-Working-Spaces“), gemeinsame Fitnessflächen und einen sogenannten Marktplatz mit Café und kleinem Laden geben. „Wenn der Mieter Gäste einlädt, muss er nicht in seinem Apartment kochen, sondern kann die große Küche auf dem Marktplatz nutzen“, verdeutlicht Gröner das Prinzip.

Für den Investor hat dieser Ansatz einen angenehmen Nebeneffekt: Er kann eine höhere Quadratmetermiete verlangen, da die Gesamtbelastung für den Mieter wegen der geringeren Wohnfläche im Rahmen bleibt. „Die Miete liegt in der Regel etwa zwei Euro über der Marktmiete“, sagt Gröner. Umsetzen wollen er und Selinger dieses unter der Marke „Vau Vau Vertical Village“ vermarktete Konzept nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Großstädten.

Baustadtrat Hans Panhoff begrüßt die Entwicklung des Areals

Am Halleschen Ufer sollen außerdem weitere 400 Wohnungen in Neubauten entstehen. Platz dafür ist auf dem vier Hektar großen Grundstück, weil vier Nebengebäude abgerissen werden sollen. Bei den Neubauten verfolgt die CG Gruppe ein preislich abgestuftes Konzept: „180 Wohnungen werden Flächen von etwa 55 bis 90 Quadratmeter haben und zu ortsüblichen Mieten von 11,50 bis 14 Euro pro Quadratmeter angeboten“, sagt Selinger. Wobei die „ortsübliche Miete“ zu relativieren ist: Der Mietspiegelwert in dieser – als einfache Wohnlage eingestuften – Gegend beträgt für eine Wohnung der Baujahre 2003 bis 2011 lediglich um die acht Euro.

Im Hochhaus der Postbank sind Apartments für mobile Berufstätige geplant.
Im Hochhaus der Postbank sind Apartments für mobile Berufstätige geplant.

© en: CG Gruppe

Hinzu kommen 70 familienfreundliche Vier- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen für zehn Euro pro Quadratmeter. Ebenfalls geplant: rund 150 öffentlich geförderte Wohnungen für 6,50 Euro. An deren Errichtung hat die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo Interesse, wie deren Pressesprecher Lutz Ackermann bestätigt, der allerdings von lediglich „mindestens einhundert Wohnungen“ spricht. Mit dieser Kooperation kommt die CG Gruppe den Wünschen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg entgegen.

Dieser will im vorgesehenen Bebauungsplan einen Anteil von 30 Prozent an preiswerten Wohnungen festschreiben. Beginnen wird das Bebauungsplanverfahren laut Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach spätestens Anfang 2015. Grundsätzlich begrüße Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis 90/Die Grünen) die Entwicklung des Areals, sagt Langenbach. Die Zusammenarbeit mit dem Investor sei bisher „vernünftig und fachlich fundiert“ gewesen. Wie die Neubauten aussehen werden, steht indes noch nicht fest.

Der Investor hat einen städtebaulichen Ideenwettbewerb mit sechs Architekturbüros gestartet, dessen Ergebnisse er im November vorstellen will. Eine zentrale Aufgabe der Planer besteht laut CG-Chef Gröner darin, den Lärmschutz zum viel befahrenen Halleschen Ufer sicherzustellen – zum Beispiel durch Gewerbebauten. Bei den geplanten 30.000 Quadratmeter Gewerbefläche werde es sich nur zum kleinen Teil um Büroflächen handeln, sagt Gröner; gedacht sei vielmehr an Läden für die Nahversorgung, ein Ärztehaus und ein Hotel oder Boarding-House.

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