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Der Trog für die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A100.

© Stefan Jacobs

Diskussion über A100-Ausbau in Berlin: Kommt die Autobahn nach Prenzlauer Berg?

Die A100 soll bald bis Prenzlauer Berg führen. Linke, Grüne und auch die Pankower SPD lehnen das ab. CDU, FDP und AfD sehen eine „Entlastung“ der Wohnkieze.

Von Christian Hönicke

Bekommt Berlin-Pankow bald einen zweiten Autobahn-Anschluss? Neben der A114 im Norden walzt sich die A100 von Süden gen Prenzlauer Berg. Aktuell wird trotz massiver Schwierigkeiten am 16. Bauabschnitt gebuddelt, der an der Elsenbrücke in Treptow enden soll.

Aber damit soll noch nicht Ende sein. Denn der Bundesverkehrswegeplan sieht noch einen 17. Bauabschnitt vor: von der Elsenbrücke unter das Ostkreuz, über die Frankfurter Allee bis zur Storkower Straße.

Der letzte A100-Abschnitt soll dabei genau an der Pankower Bezirksgrenze verlaufen und direkt an den Südzipfel Prenzlauer Bergs führen. Dort soll die A100 dann in eine "leistungsfähige Stadtstraße" durch Pankow übergehen – gemeint ist der Straßenzug Kniprode-/Michelangelo-/Ostsee-/Wisbyer/Bornholmer Straße. Doch während Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und seine neue "Autobahn GmbH" schon mit dem Gasfuß wippen, regt sich Widerstand.

Berlins Grüne und die Linkspartei stellen sich vehement gegen einen Autobahn-Weiterbau in die Stadt. Sie wollen nicht nur den 17. Bauabschnitt verhindern, sondern am liebsten die aktuell im Bau befindliche Trasse zwischen Neukölln und Treptow abreißen oder umnutzen. SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey wiederum findet das "völlig irre" und befürwortet die Autobahnschneise durch die Innenstadt. Das und noch viel mehr können Sie im Artikel meines Kollegen Stefan Jacobs mit einem Tagesspiegel-Plus-Abo lesen.

Und was sagt man im "Verkehrswendebezirk" Pankow dazu? Was halten das Bezirksamt und die Parteien in der BVV davon, dass es hier bald einen neuen Autobahn-Anschluss geben soll? Und wie stehen sie zur Idee des "Ringschlusses", der die A100 sogar einmal komplett durch Prenzlauer Berg führen würde?

"Ausbau würde autozentrierte Politik vergangener Senate zementieren"

Das Bezirksamt "hat sich dazu bisher nicht positioniert", teilt Pankows für Straßen zuständiger Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) auf Anfrage mit. Doch: "Ich selbst lehne die Realisierung ab." Er verweist dabei auf den Pankower "Mobilitätsbericht" sowie die Aktivitäten des Bezirks zur Förderung des Radverkehrs und zur Verkehrsberuhigung in Wohnkiezen. "Diese verfolgen auch das Ziel, mehr Flächengerechtigkeit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen herzustellen", sagt Kuhn. "Ein Autobahnbau geht in eine völlig andere Richtung und würde die verfehlte autozentrierte Politik vergangener Berliner Senate zementieren."

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Die AfD dagegen ist "klar für die Führung der Autobahn bis in den Bezirk Pankow", teilt Fraktionschef Stephan Wirtensohn mit. Da hier die Kompetenz beim Bund liege, werde die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft in Pankow und auch der Berliner Senat dies letztendlich nicht verhindern können.

Wirtensohn verweist auch auf den AfD-Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) aus dem Jahr 2017. Der forderte die Verlängerung der Stadtautobahn bis zur Storkower Straße. Dieser Antrag wurde jedoch in der BVV mit breiter Mehrheit abgelehnt. Zuvor hatte die BVV schon im Jahr 2009 eine Resolution gegen die Verlängerung der Autobahn beschlossen.

Auch die Pankower SPD votierte noch vor zehn Jahren intern gegen den Weiterbau bis an die Bezirksgrenze. "Die mehrheitliche Haltung der SPD Pankow zum 16. Bauabschnitt war damals kritisch, zum 17. Bauabschnitt ablehnend", teilen die Pankower SPD-Vorsitzenden Dennis Buchner und Rona Tietje mit.

"Das ist der reine Schwachsinn"

Man unterstütze nun den Beschluss der Landes-SPD, den Abschnitt 16 abzuschließen und "eine breite Debatte in der Stadt darüber zu führen, wie es danach weitergeht". Der 17. Abschnitt wäre "ein verkehrliches und finanzielles Mammutprojekt". Grundsätzlich wolle die SPD insbesondere Wohngebiete von Autoverkehr entlasten. "Aus unserer Sicht sind deshalb zwingend Alternativen zur Weiterführung der Autobahn zu prüfen."

Auch die Linkspartei lehnt einen Weiterbau geschlossen ab. "Das ist der reine Schwachsinn", sagt Wolfram Kempe, der dem BVV-Verkehrsausschuss in Pankow vorsitzt. "Es ist eine Planung aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, die sogar noch auf die 1930er Jahre zurückgeht, und die die beiden Spitzenkandidaten der SPD jetzt für ein bisschen Theaterdonner wieder hervorkramen."

Auch die Grünen senken den Daumen. Die A100 passe nicht zur Mobilitätswende, sagt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Pankower Grünen, Almuth Tharan. "Wie soll das zusammenpassen – wir wollen den Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr stärken und gleichzeitig wird das Angebot für den Autoverkehr erweitert?" Der Bundesverkehrswegeplan mit der A100 schreibe "Verkehrspolitik von vorgestern in die Zukunft fort, deshalb muss er mit hoffentlich neuen Mehrheiten nach der Bundestagswahl dringend überarbeitet werden".

"Entlastet die Wohnkieze vom massiven Durchgangsverkehr"

Die Pankower CDU findet die A100 dagegen gut. "Die aktuelle Position der CDU Pankow ist, dass wir den 16. und 17. Bauabschnitt befürworten", sagt Fraktionschef Johannes Kraft. Es sei "zwingend notwendig, dass die gesamte Vekehrsinfrastruktur über alle Verkehrsträger hinweg deutlich leistungsfähiger wird". Dazu gehöre neben Tram, S-, U-, und Regionalbahn eben auch das Auto. Die A100 "entlastet die innerstädtischen Wohnkieze auch in Pankow vom massiven Durchgangsverkehr", sagt Kraft. "Es wird nicht mehr Fahrten nur durch eine neue Straße geben."

Das sieht auch die FDP so. "Gut erreichbare Schnellstraßen entlasten die Kieze von unnötigem Durchfahrverkehr und verbessern damit die Wohnqualität in der Stadt", teilt Fraktionschef Thomas Enge mit. Vor allem der Berliner Nordosten sei bislang unzureichend an das Hauptstraßennetz angeschlossen. "Deshalb befürworten wir die zügige Fertigstellung des 17. Bauabschnitts bis zur zukünftigen Anschlussstelle Storkower Straße unter Beachtung der Anwohnerbelange."

Natürlich gebe es viele Verkehrsprobleme zu lösen, sagt Wolfram Kempe von der Linkspartei. Doch neue Straßen würden "keine Entlastung verschaffen, sondern erzeugen stets mehr Verkehr. Deswegen muss der ÖPNV so ausgebaut werden, so dass man kein eigenes Auto für innerstädtische Fahrten braucht." Auch die Grüne Tharan sagt: "Die von Autobahnfans als Argument angeführte Entlastung bestehender Straßen tritt in der Praxis nie ein, weil ein erweitertes Angebot an Straßenfläche zu einer größeren Menge an motorisiertem Verkehr führt."

Der jetzt diskutierte 17. Bauabschnitt würde von Süden kommend in Prenzlauer Berg insbesondere "den Straßenzug Storkower-Michelangelo-Ostsee-Wisbyer-Bornholmer Straße mit motorisiertem Verkehr fluten", kritisiert Tharan. Das würde zu einer "drastischen Verschlechterung der Lebensqualität für die dort Wohnenden führen" und sei daher "inakzeptabel".

"Deutliche Verkehrszunahmen und damit verbundene Lärm- und Schadstoffbelastungen"

Auch der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg sagt im Falle des Weiterbaus für diesen Straßenzug und die Prenzlauer Promenade bis zur A 114 und angrenzende Kieze "deutliche Verkehrszunahmen und damit verbundene Lärm- und Schadstoffbelastungen" voraus: "Allein für die Michelangelostraße werden 25 Prozent Mehrverkehre prognostiziert."

Eine echte Autobahn quer durch Prenzlauer Berg lehnt denn aber auch die CDU ab - zumindest oberirdisch. Gemeint ist die Idee der "Schließung des Autobahn-Innenrings" in Berlin, die noch nach der Wiedervereinigung der A100-Planung zugrunde gelegt wurde. Demnach sollte die A100 über den genannten Straßenzug in Prenzlauer Berg und weiter über die Osloer und Seestraße bis zum heutigen Westende der A100 nach Wedding geführt werden. Das wurde inzwischen offiziell wieder aus dem Flächennutzungsplan gestrichen - doch zuletzt forderte ihn die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus unter dem Motto "Wenn schon, denn schon".

"Der Ringschluss ist ein Riesenprojekt, das wir jetzt nicht fordern würden", sagt CDU-Politiker Kraft. "Das geht zumindest im Bestand nicht, sonst würde man nur noch mehr Verkehr in diese Straßen wie die Wisbyer oder Ostseestraße ziehen." Die A100 durch Prenzlauer Berg wäre laut Kraft "nur unterirdisch möglich. Aber das würde sehr lange dauern und wäre extrem teuer."

Pankow habe sich bereits deutlich gegen die Autobahn und auch die Idee des "Ringschlusses" positioniert, erklärt Linkspolitiker Kempe: "Dazu gibt es klare BVV-Beschlusslagen aus mehreren Wahlperioden. Wir haben uns auch gegen einen Ausbau der anschließenden Straßen Storkower, Kniprode- und Michelangelostraße ausgesprochen. Ich sehe keinen Grund, warum sich das nun ändern sollte."

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