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BVV-Vorsteherin in Zeiten von Corona: Kerstin Köppen auf dem gewohnten Platz im Ratssaal im Rathaus in Wittenau: Aber ihr Gegenüber sind nicht die 55 BVV-Mitglieder, sondern ein Bildschirm.

© Gerd Appenzeller

Digitalisierung in Berlins Rathäusern: "Erst Corona hat uns von der Notwendigkeit überzeugt"

Hier spricht die BVV-Chefin aus Berlin-Reinickendorf über politische Arbeit während der Pandemie, den Youtube-Kanal, Skepsis und einen Senats-Lacher.

Noch nie hat ein BVV-Vorsitzender oder eine BVV-Vorsitzende vor solchen Herausforderungen gestanden. Es begann mit einem Zuschaueransturm bei einer Sitzung im Rathaus von Berlin-Reinickendorf, wütende Gäste ließen sich kaum aus dem Saal drängen, als ihnen bedeutet wurde, dass sonst wegen Überfüllung geräumt werden müsse. Dann fielen ganze Sitzungen aus.

Darf das denn sein? Dann wurden neue Räume gesucht, und schließlich Menschen mit einer neuen Technik vertraut gemacht, die eine Tagung ohne physische Präsenz möglich machte. Wie hat Kerstin Köppen das geschafft? Ich habe sie gefragt - für den aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Reinickendorf.

Wann wurde Ihnen zum ersten Mal klar, dass Corona den üblichen BVV-Betrieb auf den Kopf stellen würde? 
„Am Tag der BVV-Sitzung vom 11.März 2020. Die Sitzung musste aufgrund eines Demonstrationsansturms von sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern im Hinblick auf die Sicherheit aller Anwesenden von mir (nach Rücksprache im Ältestenrat) kurz nach 17 Uhr abgesagt werden.“

Fiel auch eine Sitzung komplett aus?
„Die Sitzungen im März und April 2020 fanden leider aufgrund der Corona-Pandemie nicht statt. Dann haben wir für die Transparenz und Information zur aktuellen Lage bezüglich Corona und die Auswirkungen auf den Sitzungsbetrieb der BVV gemeinsam mit dem Bezirksamt am 22. April 2020 eine Informationsveranstaltung über „Zoom“ für die Bürgerinnen und Bürger sowie Bezirksverordneten durchgeführt.“

Wie haben Sie das organisatorisch vorbereitet – und mit wem –, dass die Sitzung nur noch per Zoom oder Teams stattfinden könne?
„Die Durchführung der digitalen BVV-Sitzungen habe ich mit der Unterstützung meines Teams aus dem BVV-Büro sowie einigen Bezirksverordneten, die sich mit digitalen Sitzungssystemen auskannten, organisiert. Zu Beginn haben wir alle uns bekannten digitalen Sitzungssysteme getestet. Da wir spezielle Anforderungen haben (Abstimmungsmöglichkeit, Auflistung der gewünschten Redebeiträge nach zeitlicher Meldung, etc.), blieb nur Zoom als System übrig.“ Es wurden viele Testsitzungen mit dem Anbieter „zoom“ durchgeführt, um das Programm ausführlich zu erproben. Auch die Bezirksverordneten und Dezernenten, die erstmalig damit zu tun hatten, konnten sich somit vor der ersten BVV-Sitzung mit dem Programm vertraut machen. Zusätzlich wurden den Bezirksverordneten eine persönliche Schulung bei Bedarf sowie eine Anleitung zur Durchführung von Ausschusssitzungen an die Hand gegeben.“

Wie waren die ersten Sitzungen vor dem Präsenzstopp im Reuter-Saal? Wie lief das organisatorisch?
„Die Organisation der Präsenzsitzungen im Ernst-Reuter Saal war eine Herausforderung. Die Durchführung der BVV-Sitzung musste von Grund auf neu geplant werden. Angefangen bei der Erstellung des Sitzplans für Bezirksverordnete (für jede Sitzung neu, da immer einige fehlten und wir dann die weiter hinten sitzenden Verordneten in die vorderen Reihen umgesetzt und auch spezielle Wünsche berücksichtigt haben – z.B. schlecht hören, nah an der Tür sitzen, etc.). Dann ging es darum, die Vertreter des Bezirksamtes und Gäste unter Berücksichtigung der AHA-Regeln unterzubringen, über die Einweisung von externem Personal, welches sich um die Einlasskontrolle zur Registrierung aller Teilnehmer kümmern musste, bis hin zur Organisation eines Livestreams für Interessierte, die nicht an der Präsenzsitzung teilnehmen konnten. Hier habe ich ein umfassendes Hygienekonzept entwickelt, so dass wir sogar ein Catering im Foyer anbieten konnten.“

[Nicht verpassen! Am Montag kommen die Spezial-Newsletter zu den 4 Wahlen in Berliner Bezirken raus - hier vom Tagesspiegel: leute.tagesspiegel.de]

Haben die BVV-Mitglieder schnell begriffen, dass es ohne viel Disziplin nicht gehen würde?
„Ohne Disziplin sind BVV-Sitzungen generell nicht geregelt durchführbar. Ich bin sehr stolz auf die Bezirksverordneten der BVV Reinickendorf. Sie haben sich auf die neue Situation eingestellt und sich bei Schwierigkeiten mit dem Umgang von „Zoom“ oder bei fehlenden technischen Voraussetzungen in den eigenen Fraktionen und dem BVV-Büro Unterstützung geholt.“

Was waren die größten Hindernisse?
„Am Anfang fanden viele Bezirksverordnete digitale Sitzungen nicht unbedingt erstrebenswert. Da bedurfte es vieler Gespräche. Um überhaupt digital tagen zu können, musste erst die Geschäftsordnung geändert werden. Ferner war die technische Infrastruktur eine echte Herausforderung. Zoom war im Bezirksamt nicht über die PCs verfügbar, so dass wir auf private Hardware zurückgreifen mussten. Und die Internetleitung ist nicht immer stabil, so dass ich teilweise während der Sitzungen das WLan wechseln musste.“

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Haben Sie auch über etwas lachen müssen?
„Ja, über die verbindlichen Ausführungsvorschriften des Senats zu digitalen Sitzungen, die nach einem Jahr Pandemie im Frühling 2021 in Kraft traten. Daraufhin mussten wir diverse Abläufe ändern, obwohl wir sehr erfolgreich seit Monaten bereits digital tagten.“

Hatten die Älteren mehr Probleme als die Jüngeren?
„Das kann ich so nicht bestätigen. Einige Bezirksverordnete benötigten Unterstützung zur Teilnahme an den digitalen Sitzungen, unabhängig vom Alter. Daher haben wir auch immer wieder am Tag der BVV mittags Testsitzungen angeboten, um mit denen zu üben.“

Gibt es eine Lehre, die Sie aus dieser Zeit ziehen? Wird der BVV-Saal im alten Rathaus zum Beispiel eine bessere Lüftung und eine bessere Akustik bekommen? 
„Unseren eigenen BVV-Youtube-Kanal hätten wir schon früher einrichten können. Aber erst die Pandemie hat uns von der Notwendigkeit überzeugt, um noch mehr Bürger teilhaben zu lassen. Die Zugriffe auf unseren Kanal geben uns Recht. Der BVV-Saal steht unter Denkmalschutz, so dass sämtliche Änderungen großen Herausforderungen gegenüberstehen. Aufgrund der Deckenwölbung ist die Akustik nicht optimal. Das kann aber nicht geändert werden. Meine persönliche Bilanz: Man kann nicht immer auf alles vorbereitet sein. Manchmal muss man aber einfach handeln und darf nicht abwarten und die Hände in den Schoß legen – ganz nach dem Motto „geht nicht – gibt’s nicht“. Und mit dem tollen Team an meiner Seite, was sich immer auf Neues eingelassen hat und mir mit Rat und Tat zur Seite stand, haben wir bisher alles gemeistert.“

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