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Auszubildende des Lehrbauhofs Berlin versetzten die Gedenksteine um einige Zentimeter auf den öffentlichen Gehweg.

© Cay Dobberke

Streit um Holocaust-Gedenken in Berlin: Stolpersteine mussten ein paar Zentimeter versetzt werden

Es ging nur um wenige Zentimeter: In Charlottenburg wurden Stolpersteine für NS-Opfer irrtümlich auf Privatgelände verlegt. Der Hauseigentümer drohte mit der Entfernung.

Vor dem Haus Dahlmannstraße 1 am S-Bahnhof Charlottenburg bietet sich am Donnerstag ein seltsames Bild. Im Nieselregen klopfen junge Männer in Arbeitskleidung das Pflaster am Gehwegrand auf und holen sieben goldfarbene Steine heraus – es sind „Stolpersteine“, die an die Verfolgung dreier jüdischer Familien in der NS-Zeit erinnern. Dann versiegeln die jungen Männer die Löcher und heben neue aus, nur wenige Zentimeter von den alten entfernt. Dort werden die Gedenksteine eingelassen und sorgfältig geputzt.

Die vom Künstler Gunter Demnig erfundenen Stolpersteine gibt es inzwischen europaweit. Allein in Berlin wurden schon fast 7000 verlegt, Charlottenburg-Wilmersdorf steht mit rund 3000 davon an der Spitze der Bezirke. Doch nun wurden erstmals bestehende Stolpersteine versetzt – wegen eines Irrtums und des streitbaren Hauseigentümers.

So waren die Gedenksteine an der Dahlmannstraße ursprünglich verlegt. Das Pflaster gehört an dieser Stelle zum Haus.
So waren die Gedenksteine an der Dahlmannstraße ursprünglich verlegt. Das Pflaster gehört an dieser Stelle zum Haus.

© Kai-Uwe Heinrich

Etwas zu nah am Haus

Von 2009 bis 2014 hatte die Stolperstein-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf an der Dahlmannstraße die Gedenksteine für ein Ehepaar und zwei Familien verlegt, die einst dort wohnten. Man übersah aber, dass die Pflasterung links und rechts des Hauseingangs nicht zum öffentlichen Gehweg gehört. Die Steine lagen 20 bis 40 Zentimeter zu nah am Mietshaus auf dem Privatgrundstück des Eigentümers.

Zum Aufsehen erregenden Eklat kam es Ende 2014, als der Hausbesitzer schriftlich androhte, die Stolpersteine zu entfernen und zu „entsorgen“. Der damals 89-Jährige nannte „versicherungsrechtliche Gründe“, Passanten könnten auf den polierten Steinen ausrutschen.

Künstler Gunter Demnig regte die Neuverlegung an

Es folgte eine Welle der Empörung. Unter anderem stellten sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sowie der Anwalt und Kunstmäzen Peter Raue auf die Seite der bezirklichen Stolperstein-Initiative um Ex-Senatssprecher Helmut Lölhöffel. Dieser lehnte eine Umsetzung als pietätlos ab. Doch Künstler Gunter Demnig riet seinen Unterstützern dazu. Er hatte nicht selbst an den Verlegungen teilgenommen. Der Hauseigentümer meldete sich nicht mehr. Trotzdem entschlossen sich Lölhöffel und seine Mitstreiter nun zur Verlagerung, damit es nicht erneut zum „kleinlichen Streit mit einem verständnislosen Grundbesitzer” komme.

Bei den Bauarbeitern handelte es sich um Auszubildende des Lehrbauhofs Berlin, der in der Regel alle Stolpersteine in der City West verlegt.

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