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Örtchen für alle. Noch ist offen, wer ab 2019 die 172 öffentlichen „City-Toiletten“ in Berlin betreibt.

© Stefanie Pilick / dpa / picture-alliance

Öffentliche Toiletten in Berlin: CDU und AfD wollen Vertrag über City-Toiletten verlängern

Der Senat habe den Vertrag über die City-Toiletten vorschnell gekündigt, finden CDU und AfD. Dagegen denkt die Regierungskoalition über einen Landesbetrieb für „stille Örtchen“ nach.

Rund 25 Jahre ist es her, dass die Wall AG in Friedrichshain ihre erste „City Toilette“ eröffnete – die automatischen und barrierefreien Anlagen waren damals eine technische Neuheit. Heute gibt es 172 Standorte. Zusätzlich übernahm die Außenwerbefirma 86 weitere öffentliche Bedürfnisanstalten. Doch Ende 2018 endet der Vertrag mit dem Land Berlin. Die Fraktionen der CDU und der AfD im Abgeordnetenhaus wollen das verhindern, ihre Vorstöße werden aber wohl an der rot-rot-grünen Koalition scheitern.

„Es gibt keinen Grund, eine bewährte öffentlich-private Partnerschaft in Frage zu stellen“, begründen die CDU-Abgeordneten Stefan Evers und Stephan Schmidt einen Antrag ihrer Fraktion, über den am Mittwoch der Stadtentwicklungsausschuss berät. In dieselbe Richtung geht ein AfD-Antrag für die Plenumssitzung am Donnerstag. Das „erprobte und funktionierende“ System sei so erfolgreich, dass es „von anderen Städten wie Hamburg, Köln, Stockholm und Paris kopiert worden ist“. Hilfreich seien City-Toiletten besonders für Eltern mit Kleinkindern, weil sie beim Windelwechseln den Kinderwagen mit hineinnehmen könnten. Auch für Menschen mit Behinderungen seien die Anlagen wichtig.

Rechnungshof rügte Verstoß gegen Koppelungsverbot

Der Senat hat alle Verträge mit Wall gekündigt, um das vom Landesrechnungshof gerügte „Koppelungsgeschäft“ zu beenden. Bisher entstehen durch den Toilettenbetrieb keine Kosten für den Landeshaushalt, dafür darf Wall diverse Reklameflächen an anderen Stellen auf öffentlichem Straßenland nutzen. Die Verwaltung von Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) hat die Werbeflächen neu ausgeschrieben, um „mehr Transparenz“ zu erreichen – und vielleicht sogar Mehreinnahmen. Für die Toiletten wird derzeit ein Betreiberkonzept erarbeitet.

SPD, Grüne und Linke unterstützen dies. „Die Koppelung ist für das Land Berlin ein ganz großes Minusgeschäft“, glaubt der SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz. Wall lege die Kalkulationen zwar nicht offen, doch zeige „die Erfahrung vieler anderer Städte“, dass eine Trennung zwischen dem WC-Betrieb und der Werbeflächenvermarktung besser sei. Der „Dschungel“ aus „undurchsichtigen und extrem komplizierten Verträgen“, die zum Teil von Bezirksämtern geschlossen wurden, sei nicht länger hinnehmbar. Buchholz wundert sich über den Widerstand der CDU. In der früheren rot-schwarzen Koalition habe diese die Pläne doch „mit vorangetrieben“.

Die SPD-Fraktion hält es für denkbar, für die Toiletten einen Landesbetrieb zu gründen, der sich an einer Ausschreibung beteiligen könne. Im Haushaltsentwurf der Landesregierung sind 130 Millionen Euro für den Toilettenbetrieb im Laufe von 15 Jahren eingeplant. Zu den Einnahmen aus der Werbeflächen-Vermarktung gibt es noch keine Schätzungen.

W-Lan und Wasserspender?

Ob Berlin die 172 von Wall gebauten City-Toiletten kauft, will Buchholz von deren Zustand und Preis abhängig machen. Wall sei „nicht der einzige Anbieter barrierefreier Toiletten“. Man werde auch über die Anschaffung neuer Modelle nachdenken. Diese könnten beispielsweise zu „öffentlichen W-Lan-Punkten“ aufgerüstet werden. Dabei gehe es nicht um Internetsurfen, während man auf dem Klo sitzt – vielmehr sollten die Standorte als „Hotspots“ für die Umgebung dienen. Auch kostenlose Wasserspender hält Buchholz für sinnvoll. Die Benutzung öffentlicher Toiletten solle außerdem nicht mehr als 20 Cent kosten (bei den City-Toiletten werden bisher 50 Cent fällig).

Bezirksbürgermeister fordern Aufschub

Nicht alle in der Berliner SPD zeigen sich so zuversichtlich. Auf Initiative des sozialdemokratischen Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeisters Reinhard Naumann hat der Rat der Bürgermeister den Senat aufgefordert, die Verträge mit Wall um „mindestens ein Jahr zu verlängern“. Unter den Rathauschefs herrsche „erhebliche Skepsis“ über den Zeitplan für die Neuausschreibung, sagte Naumann. Zumindest in einem Punkt stimmt Buchholz ihm zu: „Es muss sichergestellt werden, dass die Toiletten ab 2019 ohne Unterbrechung zur Verfügung stehen.“

Der FDP-Abgeordnete Thomas Seering wünscht sich ein „Moratorium“ sowie die Beteiligung der Bezirke und der Behindertenverbände vor einer Neuausschreibung. Die FDP unterstütze das Ziel stärkerer Transparenz, lehne aber ein „Staats-Toilettenkombinat“ ab.

Ohne Gegenleistung hält Wall die Toiletten für unwirtschaftlich

Die Wall AG hätte sich laut einer Sprecherin gewünscht, dass bei der Neuausschreibung auch das bisherige Modell zur Wahl steht. Die WCs nur aus Nutzungsgebühren zu finanzieren, sei unmöglich. Das Land Berlin könne die City-Toiletten zum Vertragsende kaufen – andernfalls baue man diese dann ab. Bisher lässt das Unternehmen als Sponsor auch viele Brunnen sprudeln und finanziert die Weihnachtsbeleuchtung auf dem Kurfürstendamm.

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