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So plant Architektin Janine Washington vom Büro „Die Brücke“ das Foyer mit Beratungszimmern.

© Simulation: promo

Berlin-Charlottenburg: Bahnhofsmission bekommt neues Zentrum für Obdachlose

Die Deutsche Bahn und Außenminister Frank-Walter Steinmeier finanzieren zusätzliche Beratungs- und Veranstaltungsräume der sozialen Anlaufstelle am Zoo.

So viel hohen Besuch innerhalb von nur zwei Tagen hatte die Bahnhofsmission am Zoo wohl noch nie. Erst am Mittwoch war Bundespräsident Joachim Gauck dort, nahm an einer Andacht teil, sprach mit Wohnungslosen und dankte den ehrenamtlichen Helfern. Und am Freitag kam nun auch sein voraussichtlicher Nachfolger als Bundespräsident, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), in die soziale Anlaufstelle an der Charlottenburger Jebensstraße.

Dafür gab es einen besonderen Anlass: Die Bahnhofsmission bekommt ein „Beratungs- und Veranstaltungszentrum“ auf 500 Quadratmetern Fläche, die Eröffnung ist für das Frühjahr 2018 geplant.

Den größten Teil der Kosten übernimmt die Deutsche Bahn, aber auch von Steinmeier kam ein finanzieller Beitrag: Im August hatte er 50.000 Euro aus einem Preisgeld gespendet. Deshalb sagte Bahnchef Rüdiger Grube: „Lieber Frank, du hast den Grundstein aus deiner Privatschatulle gelegt.“

Der Minister schmierte auch schon Stullen in der Bahnhofsmission

Für Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission, ist Steinmeier ein alter Bekannter. Vor drei Jahren hatte der SPD-Politiker bei der Essensausgabe an Obdachlose mit angepackt und Brote geschmiert. Er fuhr auch mal eine Nacht lang im Kältebus der evangelischen Berliner Stadtmission mit, der Wohnungslosen im Winter hilft.

Die Stadtmission ist der Träger der Einrichtung am Zoo. Vorstandsmitglied Joachim Lenz erläuterte, das Ziel der Erweiterung seien neue Hilfsangebote. Es gehe allerdings nicht darum, noch mehr Bedürftige mit Essen zu versorgen. Täglich würden bereits rund 600 bis 700 Speisen ausgegeben.

Hilfe bei der Wohnungs- und Jobsuche

Auf einem Teil der zusätzlichen Flächen entstehen Beratungszimmer, in denen man Obdachlosen beispielsweise bei der Suche nach einer Wohnung und Arbeit helfen will. Außerdem kommt ein Veranstaltungssaal hinzu, der mit einem Kreuz an der Wand ein wenig an eine Kapelle erinnert. Unter anderem sollen hier die jährlich etwa 130 Gruppen von Besuchern aus aller Welt empfangen werden, die sich für die Arbeit der Bahnhofsmission interessieren oder diese unterstützen wollen. Auch Kultur- und Bildungsangebote seien angedacht, sagte der Leiter der Bildungsabteilung der Stadtmission, Andreas Schlamm.

Der künftige Veranstaltungssaal für Empfänge, Kultur und Bildungsangebote.
Der künftige Veranstaltungssaal für Empfänge, Kultur und Bildungsangebote.

© Simulation: promo

Arrestzellen werden zu Ruhe-Oasen

Als neue Nutzer ziehen ein Hilfsprojekt für demenzkranke Wohnungslose und der evangelische Blindendienst mit ein. Die Lagerfläche der Bahnhofsmission für Lebensmittel, Hygieneartikel und andere Waren des täglichen Bedarfs wächst ebenfalls. Die alten Räume und die neuen dahinter sind direkt miteinander verbunden. Zusätzlich ist ein zweiter Eingang am Hardenbergplatz geplant. Früher residierte die Bundespolizei in dem Gebäudeteil. Daran erinnern noch zwei Arrestzellen, die nun einladender gestaltet werden. Laut Andreas Schlamm sollen Reisende die Zimmer mit Gittertüren als „Rückzugsräume“ nutzen, um zu meditieren, zu lesen oder sich bei Musik zu entspannen.

Wo die Bundespolizei früher Gefangene unterbrachte, entstehen „Rückzugsräume“ für Reisende.
Wo die Bundespolizei früher Gefangene unterbrachte, entstehen „Rückzugsräume“ für Reisende.

© Simulation: promo

Steinmeier promovierte zum Thema Obdachlosigkeit

„Wenn hier eröffnet wird, komme ich wieder“, kündigte Steinmeier an. Die Obdachlosenhilfe sei eine „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“. Die Bahnhofsmission zeichne sich dadurch aus, dass die Hilfesuchenden „als Menschen ernst genommen werden“. Was nur wenige wissen: Schon als junger Jurist hatte Steinmeier ehrenamtlich Obdachloseneinrichtungen beraten. Seine Doktorarbeit hieß: „Bürger ohne Obdach – Zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum“. In seinem Wahlkreis fördert der Minister das Obdachlosenhaus der Stadt Brandenburg.

Das ist der Hammer. Frank-Walter Steinmeier beim Festakt.
Das ist der Hammer. Frank-Walter Steinmeier beim Festakt.

© Cay Dobberke

Die Bahn finanzierte bereits ein Hygienecenter

Für das neue Zentrum verlangt die Deutsche Bahn keine Miete, sie will auch die Strom- und Wasserkosten tragen. Ute Möbus, die im Vorstand der Tochtergesellschaft DB Station & Service für Finanzen zuständig ist, schätzte die Kosten auf zehn Millionen Euro in zehn Jahren. Schon Ende 2015 hatte das Unternehmen rund 300.000 Euro in die Bahnhofsmission investiert. Damit konnte nebenan in der Jebensstraße ein „Hygienecenter“ mit Duschen, Toiletten, Waschmaschinen und einem ehrenamtlich betriebenen Friseursalon eröffnet werden. Inzwischen werde dieses Angebot von annähernd 190 Obdachlosen pro Tag genutzt, hieß es.

Nur mit den Öffnungszeiten des Hygienecenters zeigte sich Bahnchef Grube noch unzufrieden. Bislang schließe es um 18 Uhr, „das ist zu früh“. Als Ziel nannte Grube, „jedes Jahr eine Stunde länger zu öffnen“. Dies werde schätzungsweise jeweils etwa 20 000 Euro kosten. „Die Stadt sollte einen Beitrag leisten“, sagte Grube und richtete seine Worte an den Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD), der zu den Gästen des Festakts gehörte. Bisher steuert der Berliner Senat jährlich 150.000 Euro für das Hygienecenter bei.

Joachim Gauck an der Spülmaschine?

Übrigens hatte auch Joachim Gauck am Mittwoch angekündigt, noch einmal bei der Bahnhofsmission vorbeizukommen – und zwar als ehrenamtlicher Helfer nach seiner Amtszeit als Bundespräsident. „Ich könnte die Spülmaschine bedienen“, sagte Gauck, der von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet wurde. Die Bahnhofsmission hat zwölf hauptamtliche und rund 150 ehrenamtliche Mitarbeiter, die Zahl der weiteren Unterstützer schätzt Dieter Puhl sogar auf 10 000.

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