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Baumfällung im Paule-Park in Pankow.

© privat

Update

Betonschutz statt Klimaschutz in Berlin: Bezirksamt Pankow lässt Bäume in Park für neuen Steinweg fällen

Pankow hat den Klimanotstand ausgerufen. Dennoch werden derzeit gesunde Bäume in einem Park ohne Vorwarnung und Begründung gefällt. Anwohner sind entsetzt.

Von Christian Hönicke

Wie erfolgt die "Aufwertung einer Grünanlage" im "Klimanotstandsbezirk" Pankow? Antwort: Es werden acht gesunde alte Bäume gefällt und stattdessen Betonsteine verlegt. So passiert es derzeit jedenfalls im Paule-Park an der Breiten Straße in Pankow-Kirche.

Pankow ist seit 2019 Klimanotstandsbezirk und hat seit neuestem auch eine Klimaschutzbeauftragte. Sie wird vor allem im Straßen- und Grünflächenamt noch ein bisschen Aufklärungsarbeit zu leisten haben. Denn dort scheint der Klimaschutz mit dem unbürokratischen Einsatz von Kettensägen in öffentlichen Grünanlagen weiterhin gut vereinbar zu sein.

Vom Amt gab es für die kurzfristige Rodungsaktion im kleinen Paule-Park hinter dem Rathaus-Center in der erst nach Beginn der Arbeiten versendeten Mitteilung jedenfalls weder eine Ankündigung noch eine Erklärung. Stattdessen hieß es  dort nur, es werde die "Sanierung des Spielplatzes und der Grünanlage" durchgeführt, die bis November 2021 andauern solle. Die Umgestaltung des Spielplatzes solle in Anlehnung an den Namensgeber des Parks erfolgen, den Maler und Grafiker Paul Schultz-Liebisch.

"Mit der Aufwertung der Grünfläche durch ergänzende Strauchpflanzungen werden auch die Wegeflächen saniert und Bänke erneuert", heißt es zudem in der Mitteilung. Der Park solle "durch einen Fitnessplatz bereichert" werden und zwei Tischtennisplatten erhalten. "Die Rasenfläche unter den großen Bestandsbäumen bietet zudem Platz für Lauf- und Ballspiele." Das ganze Vorhaben kostet knapp eine Million Euro.

Anwohner: "Der Platz wird quasi dem Erdboden gleichgemacht"

AnwohnerInnen registrierten jedoch entsetzt, dass zur angekündigten "Aufwertung" eines Parks in Pankow offenbar die Fällung zahlreicher älterer Bäume zwingend dazugehört. Damit begann die vom Bezirksamt beauftragte Firma demnach ohne Vorwarnung am 13. Januar. Dies reihe sich ein in die seit Jahren immer wieder überraschend durchgeführten Rodungen rund um den Park, erklärt der Anwohner Jörg Lehmann. So seien auch viele Bäume entlang des parallel zur Breiten Straße verlaufenden Wegs hinter dem Rathaus-Center gefällt worden - mit der Begründung, die Wurzeln würden die Auto-Garagen aus DDR-Zeiten beschädigen. Kurz darauf seien diese jedoch ohnehin abgerissen worden.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Auch nun werde wieder "gerodet und gefällt", berichtet Lehmann. "Der Platz wird quasi dem Erdboden gleichgemacht." In den amtlichen Ankündigungen habe sich davon kein Wort gefunden. Erst im Laufe der Arbeiten sei ein Plakat aufgehängt worden, das die Planungen für den Park zeige. Entstehen soll anstelle des grünen Kleinods "ein großer, auf Ordnung und Sicherheit geplanter, pflegeleichter und nahezu schattenloser Platz, eingefasst mit kleinen Hecken, umlaufend von mit Betonsteinen belegten Wegen, in der Mitte ein Spielplatz auf teilweisem Kunstboden", kritisiert Lehmann.

Dabei habe das Bezirksamt doch erst im Mai 2020 eine Bürgerbefragung zur Zukunft des Paule-Parks durchführen lassen. Die AnwohnerInnen hätten dabei eindeutig erklärt, keine weiteren Fällungen zu wollen, so Lehmann. Der zuständige Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) erklärte dazu, ihm sei nur bekannt, dass zusätzliche „Baum- und Strauchpflanzungen“ gewünscht worden seien. „Auch solche Neupflanzungen sind im Rahmen der Neugestaltung vorgesehen.“ Allerdings räumte er ein, dass Baumfällungen weder im Zuge der Bürgerbeteiligung noch in der Mitteilung thematisiert worden waren. Die acht Fällungen seien aber in der bezirklichen „Baumfäll-Liste“ vom Dezember vermerkt worden und somit öffentlich gewesen. Diese Liste sei "für eine Übersicht über die geplanten Baumfällungen auch dezidiert vorgesehen".

Baufirma: Wurzeln würden vermutlich die neuen Betonsteine beschädigen

Diese Liste wiederum kannten die AnwohnerInnen offenbar gar nicht. Warum die Bäume genau abgeholzt wurden, begründete ihnen zunächst nur die ausführende Firma. Sie habe erklärt, durch ihr Wurzelwerk jedoch künftig vermutlich die neuen Betonsteine beschädigen. Einen sofortigen Bau- und Fällstopp forderten die AnwohnerInnen daher – und endlich Gespräche mit dem Bezirksamt. Doch Kuhn lehnte ab: „Einen Baustopp werden wir nicht aussprechen.“

Stadtrat Kuhn habe zugesichert, dass die Anwohner-Vorschläge mit in die Planung einbezogen würden, berichtet Franziska Pilz. "Wir vertrauten darauf." Die Bürgerbeteiligung sei aber von einer Privatfirma durchgeführt worden, "wir bekamen nie eine Antwort". Kuhn verweist auf eine Mail der Firma aus dem Juni 2020. Darin heißt es: "In Zusammenarbeit mit dem Straßen- und Grünflächenamt Pankow werden wir versuchen, Ihre Wünsche in die Planung zu integrieren." Das sei nicht erfolgt, kritisiert Pilz, stattdessen werde es nun "einen 08/15-Spielplatz geben". Dabei sei der alte Spielplatz einst mit EU-Geldern finanziert, jedoch nie regelmäßig gepflegt worden: Das sei "Verschleuderung von Geldern ohne Ende".

Bezirksamt hält Konzept für Baumschutz nicht für nötig

Spannend ist in dem Zusammenhang, dass das Straßen- und Grünflächenamt gerade erst den Wunsch der Bezirksverordneten abgelehnt hat, ein "nachhaltiges Konzept zum Schutz bestehender Pankower Grün-/Spielflächen & Bäume zu entwickeln". Das sei sehr teuer und außerdem nicht nötig, erklärte Kuhn schriftlich: "Grün- und Spielflächen i. S. von Parkanlagen, Spielplätzen, gewidmete Grünflächen und darauf stehende Bäume sind grundsätzlich geschützt und bedürfen keines 'Zusatzinstruments' in Form eines solchen Konzepts."

Das Beispiel Paule-Park widerlegt diese These sehr anschaulich. Es ist ein weiteres Indiz dafür, dass die größte Gefahr für Pankows Bäume derzeit nicht nur vom Klimawandel ausgeht, sondern auch vom eigenen Straßen- und Grünflächenamt.

Erst nach den erfolgten Fällungen sandte das Straßen- und Grünflächenamt am Donnerstag eine Begründung. Demnach habe ein Baum zu dicht an der Grundstücksgrenze gestanden, vier hätten in der Tat "durch Wurzelwachstum den Wegeneubau" behindert, drei hätten "in der neu zu gestaltenden Spielplatzfläche" gestanden, "deren Geländeniveau aufgrund der häufigen Vernässung in der Vergangenheit mit der Neugestaltung angehoben werden soll". Laut SGA sollen mindestens drei Ersatzbäume gepflanzt werden.

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